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NPD-Landeschef droht Demokraten mit „Nürnberg 2.0“

 

Wurde gerade vom Berliner NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke übernommen - der Naziversand "On The Streets" aus Brandenburg

Die militante Nazigruppe „Nationale Widerstand Berlin“ strebt nach Brandenburg. Dort baut sie neue Strukturen auf und gewinnt Einfluss.

„Diese selbsternannten Volksvertreter […] können zurecht als Volksverräter bezeichnet werden […] nach ihrem Stasi 2.0 und ihrem Versailles 2.0 wird ihr Nürnberg 2.0 kommen, dann richten wir über sie und werden gerechte Strafen über diese Volksverräter sprechen lassen.“ Die Drohung stammt aus einer Rede vom Berliner NPD-Landesvorsitzenden, Sebastian Schmidtke, auf einem Aufmarsch  am vergangenen Samstag in Potsdam. Dass Schmidtke in Brandenburg bei Szene-Veranstaltungen spricht und sie zum Teil anmeldet, ist offenbar Teil einer neuen Strategie. Wie Schmidtke zieht es auch das Netzwerk „Nationaler Widerstand Berlin“ („NW-Berlin“), verstärkt in das Berliner Umland.

Anfang 2012 übernahm Schmidtke den Vorsitz der Berliner NPD. Zuvor war er bereits Chef der Jungen Nationaldemokraten (JN) in Berlin und saß daher schon im Vorstand der Landespartei. Angefangen hatte er in Brandenburg bei Kleinstgruppen und Kameradschaften, er stammt aus Strausberg bei Berlin. Sein Name taucht auf verschiedenen Aufklebern, darunter Aufkleber des „NW-Berlin“, als Verantwortlicher auf. Seit einigen Jahren fungiert er als Bindeglied zwischen Partei und Autonomen Nationalisten. Er war und ist Anmelder zahlreicher Kundgebungen und Aufmärsche.

Schmidtkes Netzwerk „NW-Berlin“ baut derzeit seine Strukturen in Berlin weiter aus. Zum Zweck der Anmietung von Räumen gründeten mehrere Neonazis um Schmidtkes NPD-Stellvertreter Sebastian Thom einen Tarnverein. Resultat ist das Nazizentrum „L58“ in der Lichtenberger Lückstraße als ein Ort für Treffen und dem Vorbereiten von Aktionen. Ein zweiter Strukturort des „NW-Berlin“ und seinen Sympatisanten ist die Brückenstraße in Niederschöneweide.

Neben der überregional bekannten Neonazikneipe „Zum Henker“ befindet sich dort auch das „Hexogen“, ein „Fachgeschäft für Sicherheitsbedarf, Militaria, Outdoor, Camping und Streetware“. Inhaber ist Sebastian Schmidtke. Neben rechter Kleidung werden dort auch Schlagstöcke, Pfefferspray und Messer verkauft. Der Vermieter strebte zwar eine Räumung gegen Schmidtke an, verlor aber vor Gericht. Das Landgericht Berlin befand, einem Gewerbetreibenden könne nicht allein deshalb gekündigt werden, weil dieser vor Vertragsabschluss nicht erwähnt hat, dass er Waren verkauft, die rechts-affines Publikum anzieht.

Neonazis haben die Möglichkeit im „Hexogen“ zu arbeiten. In Wohnungen in der Nähe befinden sich rechtsextreme Wohngemeinschaften, so dass gerade in der Brückenstraße eine Neonaziparallelwelt aus Kneipen, Geschäften und Wohnungen entsteht.

Inzwischen ist bekannt geworden, dass Schmidtke den Onlineversand „On The Steets“ übernommen hat. Ursprünglich gehörte der Szeneladen dem Spreegeschwader-Sängers Alexander Gast in Hennigsdorf (Oberhavel/ Brandenburg), 2011 machte er aus finanziellen Gründen dicht. Ob Schmidtke auch die Rechte an Gasts Plattenlabel „Panzerbär Records“ erhalten hat, ist derzeit unbekannt. Doch kann sicher davon ausgegangen werden, dass er durch die Übernahme des Onlineversandes weiterhin auf wirtschaftliche Stabilität und Unabhängigkeit für die rechte Szene setzt.

Das Engagement bei „On The Streets“ ist nicht ungewöhnlich. Seit Anfang 2012 sind sowohl das Label „NW-Berlin“ als auch Schmidtke verstärkt in Brandenburg zu sehen und zu lesen. In verschiedenen Orten des Landkreises Oder-Spree (Storkow, Beeskow, Fürstenwalde) kam es zu Sprühereien, die mit „NW-Berlin“ unterzeichnet wurden. Gezielt wurden, wie auch in Berlin, vermeintliche linke Einrichtungen attackiert und linke Jugendliche bedroht. Zwar kann man davon ausgehen, dass der „NW-Berlin“ nicht der Urheber ist, aber er ist offenbar Vorbild für Brandenburger Neonazis.

Der „NW-Berlin“ zeigt sich aber auch selbst in Brandenburg aktionistisch. Mitglieder des „NW-Berlin“ nahmen nicht nur an zahlreichen Demonstrationen teil. Dieses Netzwerk steckt offenbar auch hinter einem Fackelmarsch am 28. Juni in Hennigsdorf (Oberhavel). Anlass war der 99.Geburtstag des früheren SS-Mannes und verurteilten NS-Kriegsverbrechers Erich Priebke, der in Rom unter Hausarrest steht. Zeitgleich wurde in einer lokalen Zeitung eine Geburtstagsanzeige für Priebke geschaltet. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin tappt noch im Dunkeln, trotz Belohnung von 1000 Euro gibt es bislang keine Hinweise auf die Organisatoren der Aktion.

Sebastian Schmidtke (Mitte) bei einer NPD-Veranstaltung im Januar 2011 © Matthias Zickrow

Die Anzeige im Lokalblatt zum Geburtstag Priebkes bezahlte ein Neonazi aus Velten. Dieser plante auch ein „nationales Fußballturnier“ am 1. September im selben Ort. Als ihm der örtliche Rugbyverein die Platznutzung untersagte, meldete Schmidtke ohne Rücksprache mit der NPD Brandenburg eine Kundgebung an. Die Mobilisierung lief über die JN, aus deren Führung auch der Versammlungsleiter und Redner Sebastian Richter kam. Richter gehörte jahrelang der örtlichen JN Oranienburg an und meldete für sie Kundgebungen an. Mehrere Mitglieder der JN sind eng mit Mitgliedern des „NW-Berlin“ verbunden.

An der Demonstration selbst nahmen neben JN- und NPD-Mitgliedern aus Brandenburg entsprechend viele Neonazis teil, welche dem „NW-Berlin“ zugerechnet werden – insgesamt 80 Personen. Einen Tag später landeten rechte Flugblätter in Veltener Haushalten, Thema war erneut das Fußballturnier. Der Verantwortliche im Sinne des Presserechtes war erneut Schmidtke, allerdings ohne Hinweis zu irgendeiner Organisation.

Das Netzwerk „NW-Berlin“ zeigt sich also inzwischen auch aggressiv und aktiv in Brandenburg. Gleichzeitig bauen sie ihre Strukturen, wie Geschäfte und Vereinslokale in Berlin aus. Diese Struktur wirkt wie ein Spiegelbild des vor kurzem verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“. Die Berliner Sicherheitsbehörden sehen sich aber bislang außer Stande rechtliche Schritte, etwa ein Verbotsverfahren, einzuleiten.