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KZ-Gedenkstätte Moringen geschändet

 

IMG_7402In der Nacht vom 7. auf den 8. Januar haben bisher unbekannte Täter das Gebäude der KZ-Gedenkstätte Moringen mit geschichtsrevisionistischen Parolen beschmiert. Ein Zusammenhang zur erstarkenden Neonazi-Szene in Südniedersachsen liegt nahe. Nur einen Tag später fand eine NPD-Wahlkampfveranstaltung im nahegelegenen Northeim statt.

von Redaktion Publikative.org

Mit Abscheu und Entsetzen reagierte der Vorstand der KZ-Gedenkstätte auf die Schändung. In der Nacht vom 7. auf den 8. Januar wurden am Gebäude der Gedenkstätte und einer Informationstafel geschichtsrevisionistische Sprüche beschmiert. „Lügenmahl“ und „Hier war kein KZ“ prangte am Morgen des 8. Januar auf den Mauern der Gedenkstätte. Derartige Schmierereien gab es in Morigen bisher nicht. Auch Dr. Dietmar Sedlaczek, Leiter der KZ-Gedenkstätte, ist erschrocken über die Aktion. „Im April 2013 besteht die Gedenkstätte 20 Jahre. In den vergangenen Jahren ist es zu keinem vergleichbaren Vorfall gekommen. Insofern bedeutet die Schändung eine neue Dimension.“, sagt Sedlaczek. Bisher gibt es keine Hinweise auf die Täter. Dass die Schmierereien nur wenige Tage vor einer NPD-Veranstaltung im nahegelegenen Northeim passieren, hält auch der Vorstand der Gedenkstätte nicht für einen Zufall. In einer ersten Pressemitteilung heißt es: „Dass diese Anschläge kurz vor einer geplanten Wahlkampfkundgebung der NPD in Northeim am 9. Januar 2013 passiert sind, kann man kaum als Zufall bezeichnen.“ Dass die Vermutung des Vorstands nahe liegt, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Szene vor Ort.

NPD in Northeim
NPD in Northeim
Am 9. Januar führte die NPD-Niedersachsen eine Wahlkampfveranstaltung in Northeim durch. Ganz vorn dabei: die “Kameradschaft Northeim”, Foto: Kai Budler.

Hatten sich die extrem rechten Aktivitäten nach dem Umzug des führenden Neonazikaders Thorsten Heise von Northeim ins thüringische Fretterode vorerst in den Harz verlagert, sortiert sich die Szene im Raum Northeim neu. Bewährte Aktivposten wie ehemalige Aktivisten der 1995 verbotenen „Freiheitlichen Arbeiter Partei“ machen gemeinsame Sache mit NPD-Mitglieder und Vertreterrinnen des „Ring Nationaler Frauen“ (RNF). Doch auch eine jüngere Generation von Neonazis ist vor Ort heran gewachsen, die sich -wahlweise- als „Autonome Nationalisten“ oder „Nationale Sozialisten“ ausgeben. Sie sind der Motor, auf den gewachsene extrem rechte Strukturen bauen können. Einen Schub erhielt die Szene durch den NPD-Landesparteitag in Northeim im Sommer 2011: Seitdem steigt die Zahl der Straftaten von Neonazis an und auch die extrem rechten Strukturen festigen sich und werden selbstbewusster. Das zeigt unter anderem der Angriff auf eine Informationsveranstaltung zu Neonazi-Codes in Northeim, an der auch Polizeibeamte teilnahmen. Für die Aktivierung der Szene braucht es nicht die von Heise gegründete „Kameradschaft Northeim“, denn die Neonazis in der Region agieren auch ohne dieses Label selbstbewusst und militant.

„Wir machen mit unserer Arbeit weiter!“

Im südniedersächsischen Moringen existierten zwischen 1933 und 1945 drei verschiedene Konzentrationslager. Direkt nach der so genannten Machtergreifung hatten die Nationalsozialisten ein IMG_7412erstes Lager für politische Gegner in Moringen errichtet. Noch im selben Jahr wurde ebenfalls ein Frauenlager eröffnet, welches bis 1938 existierte. Von 1940 bis 1945 wurde dann ein Lager für männliche Jugendliche eingerichtet, in dem 12-22 jährige Kinder und junge Männer inhaftiert wurden. Viele Jugendliche starben aufgrund der Lebensbedingungen, andere wurden zwangssterilisiert oder weiter in andere Konzentrationslager verschoben. Seit zwanzig Jahren existiert in Moringen nun eine Gedenkstätte mit vielfältigem pädagogischem Angebot, welches sich vor allem an junge Menschen richtet. Auch die Schändung wird dies nicht ändern. „Wir machen mit unserer Arbeit weiter! Die Schändung zeigt, wie wichtig eine kritische historische Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist. Aufklärung tut not, wie wir sehen, auch heute noch…“, macht Dietmar Sedlaczek deutlich.