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„Gas geben Sachsenhausen“ – Rechtsextreme Fußballfans sorgen mit Plakat für Eklat

 

Fans des Sechstligisten TuS Sachsenhausen sorgten beim Landespokalspiel gegen den Drittligisten SV Babelsberg 03 durch ein Banner mit der Aufschrift: „Gas geben Sachsenhausen“ für einen Eklat. Das Fazit der Vereinsspitze: „Im Prinzip war alles friedlich.“

Von Tagesspiegel-Autor Alexander Fröhlich

Erneut sorgen rechtsextreme Fußballfans in Brandenburg für Empörung – und das ausgerechnet am 68. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges von 1945 und ausgerechnet in Sachsenhausen, einem Ortsteil von Oranienburg (Oberhavel), wo von 1936 bis 1945 im dortigen Konzentrationslager mehrere Zehntausend Menschen von den Nazis ermordet wurden. Fans des Sechstligisten TuS Sachsenhausen haben beim Landespokalspiel gegen den Drittligisten SV Babelsberg 03 ein Banner entrollt mit der Aufschrift: „Gas geben Sachsenhausen“. Möglicherweise hätte sich daran auch niemand gestört, wenn nicht Babelsberg-Fans aktiv geworden wären.

Günter Morsch, Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, sagte dem Tagesspiegel: „Ich bin erschüttert und entsetzt, es handelt sich um eine unglaubliche Geschmacklosigkeit. Das kann ich nur verurteilen.“ An einem Ort wie Sachsenhausen könne niemand so naiv und dumm sein, eine solche Wortwahl als neutral zu betrachten. „Das kann nur bewusst geschehen sein, eine Provokation“, sagte Morsch. Sollte der Verein mit Rechtsextremen in den eigenen Reihen und bei den Fans Probleme haben, müsse sich der Verein dem widmen.

Die Polizei war zu dem Spiel am Mittwochabend ohnehin mit verstärktem Aufgebot angerückt aus Sorge vor Auseinandersetzungen zwischen Anhängern beider Vereine. Der SV Babelsberg 03 pflegt das Image als linker, antifaschistischer Kiezklub. Einigen der Fans und Spieler des TuS Sachsenhausen werden Kontakte zur rechten Szene nachgesagt. Kurz nach Anpfiff der zweiten Halbzeit vor 550 Zuschauern entrollten Sachsenhausen-Fans das Banner. Laut Polizei fühlten sich Babelsberg-Anhänger dadurch provoziert und wollten die anderen Fans attackiert, was vom Ordnungsdienst und der Polizei verhinderten wurde. Das Banner wurde letztlich vom Ordnungsdienst abgehängt und von der Polizei sichergestellt, der Staatsschutz ermittelt. Die Polizei geht bislang aber nicht davon aus, dass ein Straftatbestand erfüllt wurde. Zudem hatten die Beamten im Stadion nicht die Personalien der Sachsenhausen-Fans, die für das Banner verantwortlich waren, aufgenommen.

Thoralf Hönze, Marketingschef beim SV Babelsberg 03, der selbst beim Spiel dabei war, stellte die Vorgänge anders als die Polizei dar. Demnach hätten Babelsberg-Fans die Polizei nachdrücklich auf das Banner hingewiesen und gefordert, es abzunehmen. „Das hat aber ewig gedauert. Erst nach ungefähr zehn Minuten haben sich ein paar Leute zusammengetan und sind rübergelaufen, aber nicht für eine körperliche Auseinandersetzung, sondern um das Banner abzuhängen.“

Mehrere Mitglieder der Vereinsführung des TuS Sachsenhausen erklärten, von dem Banner selbst nichts mitbekommen zu haben. Erst durch die Babelsberg-Fans sei es dazu gekommen, dass das Plakat abgehängt wurde. Es blieb an diesem Abend auch nicht bei diesem einen Vorfall. Als die Babelsberg-Anhänger zum Bahnhof gingen, skandierte ein Sachsenhausener aus dem Fenster seiner Wohnung noch den Hitlergruß. Ihn erwartet eine Verfahren wegen Verwendens verfassungswidriger Organisationen.

Vereinsmanager Fred Lange nannte den Vorfall im Stadion eine Katastrophe. „Wir wollen so etwas nicht im Stadion haben.“ Andere Vereinsvertreter sprachen von einer einmaligen Aktion „von einer paar Spinnern“. Diese seien auch „nicht so extrem, wie es hochgespielt wird“. Man könne nicht unbedingt sagen, dass der Vorfall einen politischen Hintergrund gehabt habe. Auch der Trainer sage oft, „Gas geben“. Das Fazit der Vereinsspitze: „Im Prinzip war alles friedlich.“

In Brandenburg haben Fußball-Klubs immer wieder Probleme mit Rechtsextremisten, besonders in Frankfurt (Oder), wo in der Vergangenheit Fans von Tebe Berlin bei Turnieren attackiert wurden, aber auch beim Zweitligisten FC Energie Cottbus. Bei Auswärtsspielen fielen Mitglieder der Fangruppe „Inferno 99 immer wieder durch rechtsextreme und antisemitische Propagandaaktionen in den Stadien auf. Deutschlandweit Aufsehen löste ein „Juden-Plakat der Cottbus-Fans bei einem Spiel gegen Dynamo Dresden aus. 2012 präsentiere die Fangruppe bei Auswärtsspielen mit einzelnen Buchstaben in Stadien den Spruch: „Nur ein Sieg heilt unsere Wunden“. Für kurze Zeit waren dann aber nur die Buchstaben „Sieg heil“ zu lesen. Doch die Vereinsspitze tat nichts, duldete stattdessen die braunen Umtriebe einiger Fans und erklärte sich für nicht zuständig, auch weil diese Fangruppe für die meiste Stimmung im Stadion sorgte.

Die Sicherheitsbehörden wiesen Energie seit Mitte 2012 verstärkt auf das Problem hin, erst hinter den Kulissen, als das nichts half, auch öffentlich. Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber hatte Energie Cottbus deshalb im vergangenen Jahr mehrfach vorgeworfen, nicht konsequent genug gegen Mitglieder der rechtsextremen Fangruppe vorzugehen. Die Sicherheitsbehörden rechnen etwa 50 Mitglieder „Inferno99“ der rechtsextremen Szene zu, einer der Köpfe war führendes Mitglied des im Frühjahr 2012 vom Innenministerium verbotenen Neonazi-Netzwerks „Widerstand Südbrandenburg“. Zudem gibt es Verbindungen zu Rechtsextremisten in einem Cottbuser Kickboxverein. Erst Ende Januar distanzierte sich die Vereinsführung dann erstmals deutlich mit Sanktionen und Stadionverboten von „Inferno“, allerdings erst unter wachsendem Druck der Sicherheitsbehörden und auch der Landespolitik.