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KZ-Gedenkstätte erstattet Anzeige gegen NPD

 

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Die NPD setzt für ihren Wahlkampf mal wieder auf Provokation. Seinen geschmacklosen Höhepunkt erreichte dies nun in Thüringen, wo die Rechtsextremen massiv die Zufahrtsstraße zur KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora plakatierten. Auch mit ihrem antiziganistischen Plakat. Die KZ-Gedenkstätte erstattete nun Anzeige.

Von Felix M. Steiner für Zeit-Online-Störungsmelder und Publikative.org

 

Auch auf den Zufahrtswegen der KZ-gedenkstätte hängen die antiziganistischen Plakate, Foto: Publikative.org
Auch auf den Zufahrtswegen der KZ-Gedenkstätte hängen die antiziganistischen Plakate, Foto: Publikative.org

Der Wahlkampf der NPD läuft nicht gut. Fast überall, wo die Partei auftritt, wird sie von einer vielfachen Zahl an Gegendemonstranten empfangen. Es scheint so, als müsse die Partei wieder auf Provokationen und Skandale setzen, um in den Medien wahrgenommen zu werden. Erst vor kurzem hatte das antiziganistische Wahlplakat mit dem Slogan „Geld für die Oma statt für Sinti & Roma“ der rechtextremen Partei für Aufsehen gesorgt. Auch Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma, hatte in einem Brief an Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ein Verbot diskriminierender Wahlwerbung gefordert. Rose erklärte darin, er sehe Sinti und Roma bundesweit einer Hetzkampagne durch NPD und ähnliche Gruppen ausgesetzt, die es so bisher nicht gegeben hätte. Bundesweit gingen zahlreiche Anzeigen wegen Volksverhetzung ein und einige Kommunen hatten die antiziganistischen Plakate der NPD abnehmen lassen. Doch vor wenigen Tagen entschied das Verwaltungsgericht Kassel, dass die Plakate nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Doch die NPD scheint die Plakate teils auch gezielt in der Nähe nationalsozialistischer Verbrechensorte anzubringen. So wurden die Zufahrtswege der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora massiv durch die rechtsextreme Partei plakatiert. Auch mit dem antiziganistischen Plakat der Partei.

Ein „Schlag ins Gesicht für die Angehörigen und die KZ-Überlebenden“

Die Zufahrtsstraße, die "Straße der Opfer des Faschismus" ist massiv mit NPD-Plakaten behangen, Foto: Publikative.org.
Die Zufahrtsstraße, die „Straße der Opfer des Faschismus“, ist massiv mit NPD-Plakaten behangen, Foto: Publikative.org.

Der Weg in die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora ist seit einigen Tagen übersäht durch die Wahlplakate der NPD. Keine andere Partei hat hier so viele Plakate angebracht wie die Rechtsextremen. Eine der Hauptzufahrtsstraßen trägt außerdem den Namen „Straße der Opfer des Faschismus“ und die Plakatierung scheint somit eine weitere Provokation der Partei zu sein, die viele Besucher der Gedenkstätte als geschmacklos empfinden. Auch der Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Dr. Jens Christian Wagner, ist empört. Er empfindet die Plakate ohnehin als „unerträglich“ und sieht in der massiven Anbringung auf den Zufahrtwegen zur KZ-Gedenkstätte einen „Schlag ins Gesicht für die Angehörigen und die KZ-Überlebenden“ und einen „Angriff auf alle Gedenkstättenbesucher, die sich kritisch mit der NS-Geschichte auseinander setzen möchten“, wie er im Interview sagt. Auch der Oberbürgermeister der Stadt Nordhausen, Dr. Klaus Zeh (CDU), ist empört über die Provokation der NPD. In einer Pressemitteilung heißt es: „Ich schließe mich eindeutig der Meinung von Gedenkstättenleiter Dr. Jens-Christian Wagner an, dass die Plakate unerträglich sind […].Dass nun ausgerechnet an der Zufahrtstraße zu diesem ehemaligen Lager derartige Plakate hängen, halte auch ich für nicht tolerierbar.“ Gleichzeitig zeigte sich Zeh allerdings machtlos. „Leider hat die Justiz eine andere Auffassung, so dass die Plakate nicht einfach entfernt werden dürfen“, so Zeh weiter. Doch Jens-Christian Wagner will diesen Zustand nicht einfach akzeptieren und erstattete nun Anzeige gegen die NPD bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen. Er sieht im besonderen Fall auch Hinweise auf Störung der Totenruhe und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener.  Weiterhin sieht der Historiker die Kommunen in der Pflicht durch die Ausnutzung der rechtlichen Spielräume eben solche sensiblen Orte zu schützen und das Plakatieren zu verbieten. Doch eine offene und kritische Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Rechtsextremismus will Wagner auch nicht allein auf die Kommunen abgeschoben wissen. „Das ist aber nicht nur Aufgabe der Kommunen und der demokratischen politischen Parteien, sondern von uns allen – und natürlich nicht nur im Wahlkampf“, so Wagner weiter.

 

Interview mit dem Leiter der KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora, Dr. Jens Christian Wagner:

 

1.      Wie beurteilen Sie das massive  Plakatieren der rechtsextremen NPD auf den Zufahrtswegen der KZ-Gedenkstätte?

Besonders zynisch: Die Plakate hängen auf der "Straße der Opfer des Faschismus", Foto: Publikative.org
Besonders zynisch: Die Plakate hängen auf der „Straße der Opfer des Faschismus“, Foto: Publikative.org

Diese Plakate mit menschenfeindlichen, rassistischen und antiziganistischen Motiven sind ganz allgemein schon unerträglich. Noch schlimmer wiegt der Fall aber, wenn solche rechtsextremen Plakate an der Zufahrt und in unmittelbarer Nähe zu einem ehemaligen Konzentrationslager hängen, in dem Zehntausende Menschen wegen ihrer Überzeugung und aus rassistischen Gründen gequält und getötet wurden – darunter auch viele Sinti und Roma, gegen die die NPD auf ihren Plakaten hetzt. Das ist ein Schlag ins Gesicht für die Angehörigen und die KZ-Überlebenden, und es ist ein Angriff auf alle Gedenkstättenbesucher, die sich kritisch mit der NS-Geschichte auseinander setzen möchten. Die Zufahrt zur KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora trägt den Namen „Straße der Opfer des Faschismus“. Und an dieser Straße hängen Plakate, die gegen Sinti und Roma hetzen – eine Minderheit, deren Angehörige in Mittelbau-Dora ermordet wurden. So etwas kann nicht toleriert werden, und mit Meinungsfreiheit kann das nicht gerechtfertigt werden.

2. Besonders das antiziganistische „Sinti und Roma“-Plakat der NPD sogt  für Aufsehen. Welche Rolle spielt die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora in der Erinnerung für die Opfer des Massenmordes an die Sinti und Roma?

Anfang August 1944 löste die SS das sog. Familien-Zigeunerlager in Auschwitz-Birkenau auf. Die meisten seiner Insassen wurden in den Gaskammern ermordet. Nur etwas mehr als 1500 Jungen und Männer ließ die SS am Leben. Sie sollten Zwangsarbeit für den „Endsieg“ leisten und wurden fast alle in das KZ Mittelbau-Dora deportiert. Dieses Lager wurde damit im August 1944 die zentrale Haftstätte für männliche Sinti und Roma –  die Frauen kamen nach Ravensbrück. Das bedeutet, dass die wenigen Sinti und Roma, die die Konzentrationslager überlebt haben, am Ende Häftlinge in Mittelbau-Dora waren. In der Erinnerungskultur der Minderheit nimmt Mittelbau-Dora deshalb einen ganz besonderen Platz ein. Ausgerechnet hier Plakate mit antiziganistischem Inhalt aufzuhängen, ist ein bewusster Angriff auf die Würde des Ortes und der Menschen, die hier ermordet wurden.

Ankündigung einer Ausstellung zur besonderen Geschichte der Sinti und Roma im KZ Mittelbau-Dora, Bild: Screenshot.
Ankündigung einer Ausstellung zur besonderen Geschichte der Sinti und Roma im KZ Mittelbau-Dora, Bild: Screenshot.

3. Welche Maßnahmen haben Sie gegen die Plakatierung ergriffen, bzw. wegen was genau Anzeige erstattet?

Ich habe die Stadt Nordhausen zu prüfen gebeten, welche rechtlichen Möglichkeiten sie hat, wenigstens im Umfeld der Gedenkstätte und des KZ-Friedhofes in der Stadt (dieser wurde nach der Befreiung durch die Amerikaner angelegt) das Anbringen solcher Plakate zu verbieten. Oberbürgermeister Dr. Zeh hat, was ich sehr begrüße, sehr deutlich gegen die NPD-Plakate Stellung bezogen und das mit explizitem Verweis auf die Rolle Mittelbau-Doras im Völkermord gegen die Sinti und Roma auch öffentlich gemacht. Unabhängig von meinen Gesprächen mit der Stadtverwaltung habe ich bei der Staatsanwaltschaft Mühlhausen Anzeige wegen der NPD-Plakate erstattet – und zwar nicht nur wegen vermuteter Volksverhetzung, sondern im speziellen Fall der Plakatierung im Umfeld der Gedenkstätte auch, weil ich davon ausgehe, dass hier die Straftatbestände der Störung der Totenruhe und der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener erfüllt sind.

4. Sehen Sie auch Städte und Gemeinden in der Pflicht, eine derartige Provokation in der Nähe von NS-Opfer-Friedhöfen zu verhindern?

Kommunen haben die Möglichkeit, per Satzung für die Wahlwerbung räumliche Einschränkungen zu verfügen, und zwar u.a. aus Gründen der Verkehrssicherheit und auch aus ethischen Gründen oder aus städtebaulichen Interessen. So ist es zum Beispiel in den meisten Kommunen verboten, Wahlwerbeplakate in der Nähe von Friedhöfen anzubringen. Darunter fällt auch eine KZ-Gedenkstätte. Abgesehen davon gibt es natürlich, wenn die rechtlichen Möglichkeiten erschöpft sind, die Verpflichtung, politisch Stellung zu beziehen – durch Solidarisierung mit denjenigen, gegen die sich die NPD-Hetze richtet, durch die Teilnahme an Gegendemonstrationen und durch eine wache, kritische Geschichtskultur und eine offene Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen geistigen Erben. Das ist aber nicht nur Aufgabe der Kommunen und der demokratischen politischen Parteien, sondern von uns allen – und natürlich nicht nur im Wahlkampf.