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Ende der Volksfront von Rechts?

 

Thomas "Steiner" Wulff demnächst nicht mehr NPD?
Thomas „Steiner“ Wulff demnächst nicht mehr NPD?

Das Verhältnis zwischen dem Bundesvorsitzenden der NPD Holger Apfel und Thomas „Steiner“ Wulff, einem der wichtigsten Wortführer des neonazistischen  Kameradschaftsspektrums innerhalb und außerhalb der NPD, gleichzeitig Vizechef des Hamburger Landesverbands der Partei, ist zerrüttet.  Nach dem desolaten Ergebnis für die NPD bei der Bundestagswahl und speziell in Hamburg (0,6%) fordert der Bundesvorstand um Apfel nun den Ausschluss des militanten Neonazis. Zuletzt hatte Wulff im April unter dem Titel „NPD am Boden – Eine Partei zerstört sich selbst!“ gegen den Parteichef geätzt und der Führung der Partei vorgeworfen eine „Trümmertruppe von Unfähigen und asozialen Selbstbedienern“ zu sein.  Der Streit um die richtige Linie und auch der persönliche zwischen Apfel und Wulff ist jedoch nicht neu.

Im September 2004 trat Wulff zusammen mit den bundesweit bekannten Kameradschaftsführern Thorsten Heise und Ralph Tegethoff in die NPD ein, um einen Beitrag zur Schaffung einer „Volksfront von Rechts“ zu leisten. Wulff wurde wenig später persönlicher Referent und Vertrauter des damaligen NPD-Parteivorsitzenden Udo Voigt. In den folgenden Jahren traten auch in Hamburg vermehrt ehemals unabhängige Kameradschafter in die hiesige NPD ein um dort das Ruder zu übernehmen. Dieser Prozess wurde vorläufig abgeschlossen mit dem Eintritt Jürgen Riegers in die Partei 2006 und seine Wahl zum neuen Landesvorsitzenden im Februar 2007. Damit hatte in der Stadt nicht nur der Schulterschluss zwischen der ehemals betulichen Altherrenpartei und den aktionistischen Kameraden stattgefunden, sondern Rieger, Wulff und Co.hatten sich nun auch eine verlässliche Heimbasis für ihren bundesweiten radikalen Kurs abgesichert, denn es gab schon damals interne Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs.

Geheimdienstpapier belegt: Wulff seit Jahren treibende Kraft der Kameradschafter gegen Apfel

Wulff und Rieger aus Hamburg gehörten ebenso wie z.B. Thorsten Heise einige Zeit dem Bundesvorstand der NPD an und versuchten den Einfluss des Kameradschaftsflügels zu mehren. Wie ein geheimes Papier des Verfassungsschutzes belegt, allerdings nicht mit nachhaltigem Erfolg. So schrieb der Geheimdienst zu einem „bundesweiten Führungstreffen der ‚Freien Kräfte’ am 27.12.2008 in Borna / Sachsen“ an dem insgesamt 24 Kader teilnahmen. „In seinem Rückblick auf die Zusammenarbeit (Volksfront) mit der NPD zeichnete Wulff ein eher desolates und zerstrittenes Bild. Nach anfänglichen Erfolgen und Fortschritten sei momentan der „Nullpunkt“ im gegenseitigen Verhältnis erreicht.“ Obwohl Jürgen Rieger die NPD mit seinem Geld „über Wasser“ gehalten habe, würde ständig gegen diesen und Wulff selbst Stimmung gemacht. Wulff ging schon damals davon aus, dass er wegen parteischädigendem Verhalten ausgeschlossen worden wäre – er hatte eine Hakenkreuzfahne öffentlich gezeigt und wurde dafür verurteilt – wenn es nicht eine Solidaritätskampagne aus dem Kameradschaftsspektrum für ihn gegeben hätte. Schon Ende 2006 bekräftigte Wulff laut Geheimpapier, dass, „egal wer die NPD künftig führen werde, die Ebene ‚Volksfront’ gestorben sei. Die Zusammenarbeit auf Landesebene sollte aber dort, wo sie auch jetzt schon/noch funktioniert, wie z.B. NRW oder in Hamburg, wo sich der LV fest in der Hand der „Freien Kräfte“ befinde, fortgesetzt werden.“ In NRW hat inzwischen die neue Partei „Die Rechte“ von Christian Worch Teile des radikalen Flügels der NPD abgeworben.
Schon Ende 2008 ging es auch um die mit den unterschiedlichen Linien verbundenen Personen Udo Voigt und Holger Apfel.  Man solle Apfel nicht bei Kandidaturen zum Bundesvorsitz unterstützen, sondern Voigt oder Rieger, würde Letzterer alternativ kandidieren. Solle Apfel gewinnen, so hätte Rieger sein Geld aus der NPD abgezogen und wäre ausgetreten, so Wulff damals vor den Kameradschaftern. Sogar eine Nichtteilnahme der NPD an der Bundestagswahl 2009 empfahl Wulff, solle Apfel Bundesvorsitzender bis dahin werden. Es kam allerdings anders: Jürgen Rieger starb im Herbst 2009 überraschend und Holger Apfel konnte erst im November 2011 Udo Voigt als Bundesvorsitzenden ablösen.

Weitere Einblicke in den Kameradschaftsflügel der NPD

Das Geheimdienstpapier von 2008 gewährt allerdings auch noch andere interessant Einblicke in die damalige Arbeit des militanten Flügels der NPD. Zweck sei der regelmäßige Austausch gewesen, der ab dann regelmäßig stattfinden sollte. Eingeladen wurden „nur ‚ernstzunehmende Kameradschaften’, von denen eine aktive Mitarbeit und das Einhalten von Absprachen zu erwarten sei.“
Teilnehmer waren u.a. Christian Malcoci, der schon 1980 bei der NSDAP-Aufbauorganisation dabei war, mehrere inzwischen verbotene Organisationen durchlief und heute gute Kontakte zu den sogenannten Autonomen Nationalisten pflegt. Thomas Gerlach, einer der wichtigsten Nazis aus Thüringen und ehemaliger Aktivist aus dem „Thüringer Heimatschutz“ (THS) aus dem der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) hervorging. Rene Laube Führungsfigur der „Kameradschaft Aachener Land“ und Sven Skoda, aktuell in Untersuchungshaft wegen möglicher Unterstützung der kriminellen Vereinigung „Aktionsbüro Mittelrhein“, nahmen ebenfalls an dem Treffen teil. Daniela Wegener, ursprünglich im Umfeld der Sauerländer Aktionsfront (SAF) und später für die NPD aktiv, war die letzte Vorsitzende der 2011 verbotenen „Hilfsorganisation für nationale Gefangene“ (HNG). Mit Peter Naumann saß sogar ein ehemaliger Rechtsterrorist am Tisch, der 1988 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde, heute jedoch wieder für die NPD unterwegs ist. Und laut dem Quellenbericht kam auch ein „Kapke, Andreas (phon.)“ aus Thüringen. Gemeint ist wahrscheinlich André Kapke, früher ebenfalls Kader des THS und mutmaßlicher Unterstützer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU).Unter TOP 10 diskutierten die oftmals im Straßenkampf erfahrenen Kameraden, dass der Bundesordnungsdienst unter der Leitung von Manfred Börm schlecht aufgestellt sei, dieser allerdings 4.500 Euro monatlich für den Job kassiere. Eine Alternative aus den eigenen Reihen aufzubauen scheiterte 2008 allerdings „angesichts der Vorstrafen, mit denen die meisten Aktivisten belegt“ seien.

Ende der Zusammenarbeit?

Zurück im heute, bleibt die Frage, was aus der Kooperation von militanten Kameradschaftern und der NPD, bzw. seinen Exponenten zukünftig wird. Lange hatten beide Seiten von der Zusammenarbeit profitiert. Ihre größten Erfolge hatte die NPD zuletzt in den Jahren, als Udo Voigt für eine gemeinsame Linie sorgte und Flügelkämpfe vermieden wurden. Die NPD ist für ihren Straßenwahlkampf und ihre Aufmärsche, für die Anbindung an Subkultur und jüngeren Nachwuchs weiterhin auf AktivistInnen aus der Kameradschaftsszene angewiesen sein. Und den Kameradschaften bot die NPD, auch dank der V-Leute und dem an ihnen gescheiterten NPD-Verbot 2003, ein ziemlich verbotsresistentes Dach, eine Absicherung ihrer Aufmärsche und eine Propaganda-Plattform. Ähnliche Funktionen könnte, wenn auch deutlich kleiner, zukünftig „Die Rechte“ von Christian Worch übernehmen.

Ein Ausschluss des bekannten Kameradschaftsführers Thomas Wulff aus der NPD dürfte zum endgültigen Bruch zwischen NPD und Kameraden führen. Der Hamburger Landesvorstand müsste das Ausschlussverfahren des Bundesvorstandes unterstützen, sollte es schnell umgesetzt werden. Wahrscheinlich kommt es stattdessen zu einem langwierigen Verfahren vor dem Parteischiedsgericht, denn Wulff gibt sich kämpferisch.  Und in Hamburg hat Wulff mit den ehemaligen Kameradschaftern Torben Klebe und Jan-Steffen Holthusen an der Spitze des Landesverbandes Verbündete gegen Holger Apfel. Zu einer internen Wahlkampfveranstaltung zur Bundestagswahl im September 2013, die jedoch von AntifaschistInnen verhindert wurde, hatte man dementsprechend auch Ex-Vorsitzenden Voigt und nicht Apfel eingeladen.
Ob es für Wulff eine Alternative zur NPD gibt? „Die Rechte“, welche in einigen Ländern als Auffangbecken für frustrierte NPDler dient, gibt es in Hamburg noch nicht als Landesverband. Deren Vorsitzender Christian Worch, ursprünglich ebenfalls aus Hamburg, hatte sich vor Jahren gründlich mit Wulff, relevanten Teilen der Hamburger Kameradschaftern und der NPD zerstritten und stichelte immer wieder gegen die ehemaligen Weggefährten. Außerdem gilt er als egozentrisch, szene-intern bekam er den Sitznamen „seine Worchheit“. Zum Naziaufmarsch am 2. Juni 2012 gab es allerdings wieder einen öffentlichen Auftritt des Duos Worch und Wulff in Hamburg und zuletzt trat Wulff bei Kundgebungen von „Die Rechte“ auf.

Spannend wird auch die Entwicklung in Sachsen werden, wo sich vor einer Woche der siebte Landesverband von „Die Rechte“ gründete. Sachsen war bisher Stammland der NPD, Apfel nennt seinen Kurs gar den „sächsischen Weg“, hier hatte die Partei ihre größten Erfolge, sitzt sie die zweite Legislaturperiode im Landtag, viele Funktionäre leben hier und der Verlag der Partei hat hier seinen Sitz. Nun erwächst der NPD ausgerechnet in Sachsen zur Europawahl im Mai 2014 und zur Landtagswahl im kommenden Sommer eine Konkurrenz aus dem faschistischen Lager. Auch der alljährliche Aufmarsch „Tag der deutschen Zukunft“, könnte Spannungen mit sich bringen. Er soll Anfang Juni in Dresden stattfinden und wird traditionell von einem Spektrum eher „parteifreier“ Kameradschaften veranstaltet, die deutliche Distanz zum Bundesvorstand der NPD halten. Der Aufmarsch könnte also auch zur Machtdemonstration der militanten Naziszene innerhalb und außerhalb der NPD gegen Apfel und den Bundesvorstand werden.