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Berlins NPD-Chef Schmidtke wegen Volksverhetzung vor Gericht

 

Fotografiert vermummt von seinem Balkon linke Demonstranten: NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke © Christian Jäger
Fotografiert auch gerne mal vermummt von seinem Balkon linke Demonstranten: NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke © Christian Jäger

Hetze gegen Juden, Asylbewerber, Ausländer, Homosexuelle: Einen Alu-Koffer voll mit etliche Hetz-CDs fand die Polizei bei NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke. Dieser wies nun im Prozess um Volksverhetzung und Gewaltdarstellung jegliche Vorwürfe zurück.

Von Tagesspiegel-Autorin Kerstin Gehrke

Der NPD-Landeschef gab sich vor Gericht ahnungslos. „Mir ist nicht bekannt, wem der Koffer gehört“, sagte Sebastian Schmidtke. Sein Blick ging zu dem in seinem „Outdoor“-Laden beschlagnahmten Alubehälter, in dem man etliche Hetz-CDs fand. „Der stand unter dem Tresen, ich sah nicht hinein.“ Die Anklage dagegen wirft ihm vor, er habe die CDs „vorrätig gehalten, um sie zu verbreiten.“ Seitenweise verlas der Staatsanwalt Texte aus der braunen Musikszene. Hetze gegen Juden, Asylbewerber, Ausländer, Homosexuelle. 23 Titel, die zweifelsfrei rechtsextrem sind und bereits auf den Index gesetzt wurden. Dem Berliner NPD-Chef wird in dem Prozess vor dem Amtsgericht Volksverhetzung, Verwenden von verfassungswidrigen Kennzeichen und Gewaltdarstellung vorgeworfen.

In einer zweiten Anklage wird ihm außerdem ein Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz zur Last gelegt. Hintergrund ist die Verbreitung einer indizierten Rechtsrock-CD über einen Online-Shop.

Der Angeklagte Schmidtke in der Rolle eines Biedermanns. Schwarzes Jackett, Karo-Hemd, sehr höfliches Auftreten. Vom Verfassungsschutz aber wird er als langjährig aktiver Neonazi bezeichnet. Kontakte zu gewaltbereiten Autonomen Nationalisten soll er unterhalten. Der 28-Jährige, der seit Februar 2012 an der Spitze der Berliner NPD steht, betreibt in Schöneweide einen Laden für Militaria, Camping und Sicherheitsbedarf.

Für seinen Lebensunterhalt allerdings kommt auch der Staat auf. Er beziehe „weiter Gelder nach ALG II“, sagte Schmidtke. Er sei derzeit „arbeitssuchend mit Nebenerwerb“, beschrieb er seine berufliche Lage. Er sei „nicht so oft“ im Laden, sei schließlich mit Bewerbungen beschäftigt. Bis zu drei Hilfskräfte seien deshalb bei ihm tätig gewesen, einmal auch ein Praktikant. „Der kam übers Jobcenter, arbeitete 40 Stunden die Woche“, sagte der NPD-Mann und erntete Erstaunen.
Der Alukoffer unterm Tresen aber brachte Ärger für Sebastian Schmidtke

Am Morgen des 23. März 2012 rückten Polizisten zur Razzia bei Schmidtke an. Hintergrund war ein Verfahren um eine inzwischen abgeschaltete Internetseite der Neonazigruppe „Nationaler Widerstand Berlin“. In dem Zusammenhang ist inzwischen ein Rechtsradikaler aus Dortmund angeklagt worden. Der Alukoffer unterm Tresen aber brachte Ärger für Schmidtke. Polizisten sagten im Prozess, er habe ihn als Verkaufskoffer bezeichnet. Der NPD-Mann wehrte nun ab: „Das habe ich nie behauptet.“ Sein Anwalt widersprach der Verwertung der Aussagen.
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„Die CDs waren privat und nicht für den Verkauf bestimmt“, wiederholte der NPD-Funktionär. Er bestritt auch die zweite Anklage. Mit dem Online-Shop habe er testen wollen, ob sich Geld verdienen ließ. Die indizierte CD sei leider von dem Vorbetreiber nicht aus dem Angebot genommen worden. Seit einem halben Jahr sei der Shop abgeschaltet. Der Prozess aber kam ins Stocken. Denn die Verlobte von Schmidtke hatte sich kurz vor dem Gerichtstermin wegen der Hetz-CDs bei der Polizei gemeldet und mit einer nebulösen Selbstanzeige überrascht. „Man muss ja für seine Tat eingestehen“, gab sie an. Mehr allerdings kam nicht. Reine Taktik? Die Richter wollten sie am 4. Dezember befragen.