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Milde Strafen nach Nazi-Überfall in Hoyerswerda

 

Ein Angeklagter musste in Handschellen vorgeführt werden ©  Silvio Werner
Ein Angeklagter musste in Handschellen vorgeführt werden © Silvio Werner

Im Prozess gegen acht Neonazis vor dem Amtsgericht Hoyerswerda wurde jetzt das Urteil gesprochen. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Neonazis am 17. Oktober 2012 ein junges Paar beleidigt und bedroht haben. Die Strafen fallen jedoch überraschend gering aus.

Der Richter folgte damit den Ausführungen des Staatsanwaltes. Einen Landfriedensbruch sah er, im Gegensatz zum Anwalt der Nebenklage, nicht. Die Freiheitsstrafen werden zur Bewährung ausgesetzt, die Bewährungszeiten betragen 2 bis 3 Jahre. Zwei Angeklagten bekamen eine sogennannte Vorbewährung und Sozialstunden, da sie zum Tatzeitpunkt minderjährig waren. Der Richter gab den Angeklagten eine positive Sozialprognose, und es sei davon auszugehen, dass diese keine Straftaten mehr begehen. Angesicht der erheblichen Vorstrafen einiger Angeklagten, die auch Gewaltvergehen umfassen, verwundert dies.

Drei Polizeibeamte äußerten sich am Beginn des ersten Prozesstages. Matthias B., am Tatabend Dienstgruppenführer traf als 5. Polizist ein und erklärte, das polizeiliche Vorgehen sei bis zum Eintreffen der Verstärkung so passiv gewesen, weil der Selbstschutz der Beamten nicht gewährleistet war. Auf die Aufforderung, sich auszuweisen, lachten die Angreifer die Polizisten aus. 5 Beamte standen mindestens 8 Angreifer entgegen. Er gab an, keiner der Angeklagten sei besonders betrunken gewesen und ihm sei – entgegen der Angaben in der Stellungnahme des Innenministers – kein zweiter Notruf bekannt. Die Stellungnahme gab ein aggressive Stimmung vor der Mietwohnung an, welche im Wiederspruch zur Zeugenaussage stand. Er hörte während seiner Anwesenheit keine Parolen, beim Entfernen der Gruppe in Richtung Tankstelle brüllten diese allerdings. Im Verlauf der Vernehmung verlief sich der Zeuge immer mehr in polizeitaktischen Erläuterungen.

Eine Nachbarin der Geschädigten bestätigte, dass der Strom auch in ihrer Wohnung für wenige Minuten abgestellt wurde und sie fünf bis sechs schwarz gekleidete Personen im Hausflur antraf. Sie hörte nur das Türklopfen beim Nachbarn, jedoch keine Rufe und betonte, die Wohnungen seien sehr hellhöhrig.

Janine G. war fünf Jahre mit einem der Täter zusammen und trennte sich 12 Wochen vor dem Ereignis von Robert K. Während ihrer Beziehung hätte sie keine Kenntnis davon erlangt, ob ihr damaliger Lebensgefährte Mitglied der “ANH” (Autonome Nationalisten Hoyerswerda) sei.

Eine weitere ehemalige Freundin eines Angeklagten sei am Tatabend zwar anwesend gewesen, hätte sich aber “instinktiv” hinter einem Wohnwagen versteckt, ohne den Grund dafür benennen zu können. Sie gab sich überaus wortkarg und könne sich an nichts mehr erinnern. Erst nachdem der Vorsitzende sie auf die Möglichkeit der Beugehaft hinwies, gestand sie, dass sich Angeklagte im Hausflur aufgehalten hätte. Ihre Aussage enthielt teilweise gravierende Widersprüche.

Die Frage nach dem Motiv wurde letztlich unterschiedlich beantwortet: Der Staatsanwalt und die Anwälte der Beschuldigten sahen die Veröffentlichung von Fotos der Angeklagten durch die Geschädigten als Auslöser, Anwalt Klaus Bartl benannte die öffentliche Entfernung von Nazi-Aufkleber als Triebkraft.

In einem Beweisantrag legte Anwalt Bartl mehrere Bilder, teilweise den Facebook-Profilen der Täter entnommen vor, die eindeutig ihre rechtsextreme Gesinnung dalegten. Im Plädoyer lies auch der Staatsanwalt keinen Zweifel an der rechtsextremen Gesinnung der Angeklagten und sah die Tat als Selbstjustiz an.