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NPD Thüringen – Mit Straftätern in den Wahlkampf

 

Die NPD ist bundesweit im Wahlkampf © Getty
Die NPD ist bundesweit im Wahlkampf © Getty

Seriös, bürgerlich und anschlussfähig – so versucht sich derzeit die NPD in Thüringen zu inszenieren. Im Herbst will die Partei hier in den Landtag einziehen, vorher sind am 25. Mai die Kommunalwahlen. Ein genauerer Blick auf die Kandidaten zeigt: Der bürgerliche Anstrich ist größtenteils Fassade. Unter den Kandidaten finden sich zahlreiche verurteilte Gewalttäter.

Von Norbert Sellmann

Patrick Wieschke (Mi.), Foto Kai Budler
Patrick Wieschke (Mi.), Foto Kai Budler

Für die NPD geht es in diesem Jahr um viel. Neben der Europawahl strebt die Partei vor allem den Wiedereinzug in den Landtag von Sachsen und den Ersteinzug in das Thüringer Landesparlament an. Besonders in Thüringen gibt sie sich deshalb bürgerlich. An der Spitze der Thüringer NPD aber steht der mehrfach verurteilte Patrick Wieschke: Körperverletzung und Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gehören zu den Taten, für die Wieschke verurteilt wurde. Schaut man sich Wieschkes Lebensweg an, scheint auf zynische Weise zu stimmen, was in einem der NPD-Wahlkampfblättchen über den Landesvorsitzenden steht: „Patrick Wieschke unterscheidet sich fundamental vom heutigen Politikertypus…“ Der gelernte Tischler legt heute großen Wert auf den seriösen Auftritt der NPD. Besonders im Wahlkampf. Als „Bundesorganisationsleiter“ ist er zuständig für die Wahlkämpfe der Neonazipartei und wirkt nicht nur in Thüringen. Wie ehemalige Vorstandsmitglieder berichten, sei der Umgang im Thüringer Landesvorstand „diktatorisch“. Als Wieschke Ende März den Teilnehmern einer seiner Kundgebungen in Eisenach im Vorfeld bereits Kleidungsvorschriften machte und offensichtlich jede Diskussion zu unterdrücken versuchte, kam es zu heftiger Kritik. Intern wurde sogar ein Austrittschreiben wegen Wieschkes Verhalten veröffentlicht. Szeneintern heißt es, Wieschke sei maßgeblich am Ausschlussversuch gegen den Hamburger Neonazi Thomas Wulff beteiligt.

Doch ein genauer Blick hinter die Kulissen der NPD-Thüringen lässt die gewollte bürgerliche Fassade bröckeln. Erst am vergangenen Donnerstag marschierten mit Daniel Madalschek und Franz Kotzott ein NPD-Landtags – und Kommunalkandidat in Plauen im Block hinter dem Transparent der „Weissen Wölfe Terrorcrew Thüringen“, einer neugegründeten Gruppe nach dem Vorbild einer militanten und neonazistischen Organisation aus Hamburg.  Ein näherer Blick auf die Kandidaten der NPD zeigt: Um die NPD sammeln sich Schläger und Straftäter.

„Gesamtmilieu mit überdurchschnittlichen Kriminalitätswerten“

Roy Elbert  (links) und Alexander Lindemann (rechts) als Redner in Nordhausen © Kai Budler
Roy Elbert (links) und Alexander Lindemann (rechts) als Redner in Nordhausen © Kai Budler

In Nordthüringen gibt es seit Jahren eine extrem rechte Szene, die hoch kriminell und extrem gewalttätig auftritt. Eine der wichtigsten Führungsfiguren jener Szene ist Alexander Lindemann. Er steht für die NPD auf Listenplatz drei bei den Kommunalwahlen in Nordhausen. Lindemann gehört zur „Aktionsgruppe Nordhausen“, einer Neonazi-Gruppierung, die durch zahlreiche Straftaten in Erscheinung getreten ist. Nichtsdestotrotz dankte der NPD-Kreisvorsitzende Ralf Friedrich der Neonazi-Gruppe öffentlich für deren Unterstützung. Die Mitglieder der Gruppe sind unter anderem wegen Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Raub, Sachbeschädigung, sexueller Nötigung und Drogendelikten strafrechtlich auffällig geworden. Gegen Lindemann selbst wurde erst im Juni vergangenen Jahres wegen Körperverletzung ermittelt. In Nordhausen zeigt sich deutlich, was der NPD-Verbotsantrag des Bundesrates auf den Punkt bringt: „Die NPD befindet sich hier in einem Gesamtmilieu, das – wie die Statistik zeigt – überdurchschnittliche Kriminalitätswerte aufweist.“ Dass der ehemalige Kreisvorsitzende der NPD-Nordhausen Roy Elbert von der Partei in das Rockermilieu wechselte, scheint dabei kaum noch zu verwundern.

Von der Anklagebank in den Landtag

NPD-Landtagskandidat Enrico Biczysko (links) am 8. Februar bei einer Neonazi-demo in Weimar
NPD-Landtagskandidat Enrico Biczysko (links) am 8. Februar bei einer Neonazi-demo in Weimar

Doch Lindemann und die „Aktionsgruppe Nordhausen“ sind keine Einzelfälle. Auch auf der Landtagsliste der extrem rechten Partei finden  sich Kandidaten mit zahlreichen Vorstrafen. Auf Listenplatz 11 der Landesliste und als Kandidat für den Erfurter Stadtrat kandidiert Enrico Biczysko. Der stellvertretende Vorsitzende der NPD-Erfurt ist in der Vergangenheit durch zahlreiche Gewalttaten in Erscheinung getreten. So wurde er in den vergangenen rund zehn Jahren unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt. Einen Teil der Strafen verbüßte der Landtagskandidat auch im Gefängnis. Biczysko war im Februar Teilnehmer einer Neonazi-Demonstration in Weimar, in deren Verlauf andere Teilnehmer einen Polizisten attackierten. Für den Wahlkampf in Thüringen grinst der NPD-Funktionär in einem hellen Anzug vom Werbematerial. Darunter ist zu lesen: „Gemeinsam für eine gesicherte Zukunft in Erfurt“.

Für die NPD sind die Wahlkämpfe in Thüringen ein Kraftakt. Die Partei will zehntausende Wahlplakate aufhängen, bis zu eine Million Wahlkampfzeitungen verteilen und rund 200.000 Euro in den Wahlkampf investieren. Derzeit wirbt die Partei verstärkt um Spenden für die Wahlkämpfe. Bereits am 25. Mai wird sich entscheiden, wie viele Abgeordnete die NPD in Thüringer Kommunalparlamente entsenden wird. Öffentlich lässt die Partei derzeit verlauten, ihr Ziel seien 50 Kommunalabgeordnete. Dies wäre mehr als die Verdopplung der derzeitigen Zahlen.