Die NPD ist mit Hunderten Abgeordneten in kommunalen Parlamenten vertreten. Die Partei versucht sich dabei von der Kommune aus immer weiter zu verankern. Teilweise erfolgreich. Doch wie sieht die Strategie der NPD eigentlich genau aus? Und gibt es wirksame Gegenstrategien?
von Felix M. Steiner, zuerst veröffentlicht bei Publikative.org
Im Mai haben bundesweit zahlreiche Kommunalwahlen stattgefunden. In einigen Bundesländern verlor die NPD Stimmen, in anderen konnte die extrem rechte Partei erhebliche Zugewinne verzeichnen. Allein in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sind es insgesamt mehr als 200 Mandate, die die NPD erringen konnte. Somit bleibt – auch in anderen Bundesländern – weiterhin die Herausforderung, mit den Kommunalabgeordneten der NPD umzugehen. Die Auseinandersetzung mit der Ideologie und Strategie der Partei ist dabei wichtig, um der weiteren Verankerung der NPD etwas entgegenzusetzen. Das bloße Ignorieren der bereits seit 2009 gewählten NPD-Vertreter hat sich dabei vielerorts als wenig erfolgreich erwiesen.
Der „nette Nazi“ von nebenan und die Vorbereitung auf den Umsturz
Seit Ende der 1990er Jahre hat sich der Fokus der NPD immer mehr auf den „Kampf um die Parlamente“ gerichtet. Damals sah die Führungsspitze den „Kampf um die Straße“ als Voraussetzung für den Einzug in die Parlamente. Doch mit der zunehmenden Zahl an Abgeordneten in den Kommunalparlamenten verlagerte sich die Arbeit der Partei zunehmend weiter auf den Versuch, mehr und mehr Abgeordnete auf jede Parlamentsebene zu entsenden.
Großdemonstrationen werden von der Partei heute kaum noch durchgeführt, dennoch steigt die Zahl von angemeldeten Veranstaltungen von Jahr zu Jahr. Dies sind heute aber eher Infostände, Mahnwachen oder ähnliches, kaum noch Demonstrationen mit hunderten oder tausenden Teilnehmern.
Besonders der Einzug in die Landtage von Sachsen (2004) und in Mecklenburg-Vorpommern (2006) waren zentrale Wegmarken dieser Entwicklung. Die Idee der Partei ist dabei, von den kommunalen Gremien in die Landesparlamente und dann in den Bundestag einzuziehen – die Kommunen werden als „Fundament“ des Erfolges gesehen. Hier will die NPD zeigen, dass sie keine „Briefkastenpartei ist, sondern von Menschen repräsentiert wird“, wie es Ende der 1990er Jahre in einem Strategieaufsatz heißt.
Ähnliche Ansätze finden sich bereits im Papier der „Befreiten Zonen“, wo ebenfalls die lokale Integration eine übergeordnete Rolle spielt. Besonders im Umfeld des Abgeordneten sind für die NPD daher seine „individuelle Bekanntheit“ und sein „Auftreten“ von großer Bedeutung. Und diese Strategie scheint aufzugehen. Besonders dort, wo NPD-Führungsfiguren seit Jahren diese Strategie konsequent umsetzen, kann die Partei hohe Wahlergebnisse einfahren.
Mit der zunehmenden Zahl an Mandaten Ende der 1990er Jahre versuchte man die Arbeit auf kommunaler Ebene weiter zu professionalisieren. Das Ergebnis war 2003 die Gründung der „Kommunalpolitischen Vereinigung“ (KPV) der NPD. Vorsitzender ist seit 2007 der gebürtige Dresdner Hartmut Krien. Krien sieht in der KPV die „Interessenvertretung nationaler Kommunalpolitiker“. Die KPV dient dabei als Schulungsorganisation für kommunale Abgeordnete und ist ein zentraler Netzwerk- und Austauschpunkt für die extrem rechten Kommunalpolitiker. Hier werden Erfahrungen ebenso ausgetauscht wie Anfragen und Anträge für kommunale Parlamente. Außerdem ist die Organisation „Sammelstelle für alle gegnerischen Aktivitäten“, um die NPD-Mandatsträger auf die Gegenstrategien der demokratischen Parteien vorzubereiten. Doch für den Vorsitzenden erfüllt die KPV auch einen weitergehenden Auftrag:
Die Bundesrepublik wird wirtschaftlich kollabieren. […] Was wir aber brauchen, ist ein Heer von geschulten Kameraden, die dann, wenn es nötig sein wird, auch die Fähigkeit besitzen, die gesamte mittlere Leitungsebene von einem Tag zum anderen zu übernehmen. Diese mittlere Leitungsebene heranzubilden, betrachte ich als die strategisch langfristige Hauptaufgabe der KPV.
Neben den Schulungen der KPV dient vor allem das interne Internetforum für einen bundesweiten Austausch der NPD-Mandatsträger. Die Strategie der Partei ist dabei langfristig angelegt und beschränkt sich nicht nur auf eine Wahlperiode. Dies halten nicht alle Abgeordneten durch. In den Regionen allerdings, wo sich vor allem die Kader der Partei seit Jahren kommunal engagieren, hat sich die Arbeit zunehmend professionalisiert. Ziel ist dabei offenbar vor allem die positive Selbstdarstellung, um sich vor Ort weiter als „Kümmererpartei“ zu etablieren.
Kommunales Agieren zur Selbstdarstellung
Zentral im Agieren der Partei ist offensichtlich vor allem die Frage nach der Selbstdarstellung. Die Strategien, die an Abgeordnete ausgegeben werden, sind so ausgerichtet, dass – egal wie die Verwaltung oder die demokratischen Parteien reagieren – ein positiver Effekt für die NPD erreicht werden soll. Voraussetzung ist dabei die Kenntnis drängender lokaler Probleme, da diese – so die Kalkulation der NPD – mehr Menschen bewegen, als landes- oder bundespolitische Themen. So sollen durch Anfragen lokal besonders drängende Dinge aufgegriffen werden. Die Reaktion der Bürgermeister auf die Anfragen ist dabei für die NPD nebensächlich. So schreibt Hartmut Krien in aktuellen Empfehlungen an neue Mandatsträger:
Es ist dabei relativ gleichgültig, ob er [Bürgermeister/Landrat] dem Anliegen nachgeht oder ob er Unsinn erzählt. Stets kann ich als Mandatsträger dem Bürger entweder sagen, er habe einen Sachverhalt, der ‚Sie, liebe Bürger‘, alle betrifft, beim Namen genannt. Entweder die Gemeinde hat ihn bereinigt, oder der Mandatsträger kann seinem Wähler sagen: ‚Ich habe mich intensiv gekümmert, aber der bockige Landrat mit seiner sturen Verwaltung wollen ihnen ja nicht helfen…‘
Doch ein zentraler Punkt in dieser Strategie ist, das Vorgehen öffentlich darzustellen. Mit einem einfachen Flugblatt oder über einen Mailverteiler empfiehlt Krien die Informationen zu verteilen. Das Ziel dahinter ist es, eine „Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen, da die NPD nicht davon ausgeht, dass in ihrem Sinne über die Mandatsträger berichtet wird.
In einigen Bundesländern – besonders Thüringen – existieren außerdem bereits sogenannte Regionalzeitungen der extrem rechten Partei. Die von der NPD selbst herausgegebenen Propagandablättchen versuchen in einer Mischung aus kommunalen und überregionalen Themen die Ideologie der Partei zu vermitteln. Die im Aussehen an eine normale Zeitung angelegten kostenlosen Blättchen sind der Versuch, in eine mediale Lücke einzudringen, wo immer weniger Tageszeitungen abonniert werden. Damit versucht die Partei „Gegenöffentlichkeit“ zu schaffen und die Kontrolle über die eigene Darstellung zu erhalten.
Auch für den direkten Umgang mit den Wählerinnen und Wählern liefert der Vorsitzende der KPV Empfehlungen:
Grundsätzlich kommt ein Kandidat zu jedem Thema und zu jeder Sache mit einem Bürger ins Gespräch […]. Stets geht es darum, das Gespräch bis zu der Stelle voranzutreiben, an der es heißt ‚ja, da müßte man mal etwas machen…‘, um dann klarzustellen: ‚Ich kümmere mich darum!‘
Das Ziel der Konstruktion als „Kümmererpartei“ ist ganz offensichtlich. Besonders erfolgreich dürfte diese Strategie in den Städten und Gemeinden sein, aus denen sich andere politische Akteure zurückziehen und somit der NPD das Feld überlassen. Zurück bleibt als Ansprechpartner ausschließlich die extrem rechte Partei.
Gegenstrategien: Gemeinsam für Demokratie
Sich vor Ort gegen die Bestrebungen der NPD einzusetzen kostet Zeit und Energie. Es gibt dennoch zahlreiche Möglichkeiten, um die extrem rechte Propaganda nicht hinzunehmen und der NPD das Feld zu überlassen. Zuletzt stelle die Friedrich-Ebert-Stiftung ihre Studie „Vor Ort entscheidet“ vor. Neben einem gemeinsamen Auftreten der demokratischen Kräfte, von Parteien über Bündnisse, ist es vor allem das entschiedene Entgegenstellen und Begründen der Aktionen gegen die extreme Rechte vor Ort. Extrem rechte Aktivitäten dürfen nicht widerspruchslos hingenommen werden, es muss klare Positionierungen gegen extrem rechte Aktivitäten und Ideologie geben, so ein Ergebnis der Studie. Insbesondere für Lokalpolitiker ist es dabei ebenso wichtig, lokale Problemlagen rechtzeitig zu erkennen, um der NPD nicht den Raum zu lassen, sich als „Beschwerdeführer“ und „Kümmerer“ zu inszenieren. Insgesamt kommt die Studie zum Schluss: „Eine gute Kommunalpolitik im Interesse der Bürger/innen ist auch eine erfolgreiche Prävention gegen Rechtsextremismus.“