Der EU-Parlamentarier Udo Voigt eröffnete am Samstag in kleiner Runde ein „Bürgerbüro“ in der NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick. Unter den Gästen befanden sich neben Parteiprominenz auch militante Neonazis und zwei ehemalige Stasi-Spitzel.
Als Zeichen, dass „der kämpferische Geist in der NPD ungebrochen ist“, verklärt Udo Voigt die Eröffnung seines „Bürgerbüros“ am Samstag in Berlin-Köpenick. Dabei ist es lediglich ein Versuch, der klammen und kriselnden NPD – gebeutelt von internen Streitereien, knappen Kassen und einem drohenden Verbotsverfahren – finanziell unter die Arme zu greifen, wenn er als Mitglied des EU-Parlaments sein Büro in der Bundeszentrale anmietet. So kann der fraktionslose Einzelabgeordnete problemlos ihm zustehende Leistungen an die Neonazipartei weiterreichen – und seine Position als geschasster Bundevorsitzender in der Trümmertruppe weiter auszubauen.
Im Vorfeld der Eröffnung wurde die Zentrale in der Seelenbinderstraße 42 „in einem freiwilligen Arbeitseinsatz“ extra hergerichtet, wie Voigt berichtet. Aus Angst vor der Antifa sei sogar eine Nachtwache organisiert worden: „Damit ihre Arbeit nicht vor der Eröffnung von linken Chaoten zunichte gemacht werden konnte, haben sie dann die ganze Nacht Wache gestanden“, schreibt Voigt.
Im Rahmen der Eröffnungsfeier mit rund 50 Teilnehmenden präsentierte Voigt seine spärlich eingerichtetes Büro sowie seine Angestellten in Berlin und Brüssel: Als parlamentarischer Mitarbeiter fungiert Florian Stein (Brandenburger NPD-Funktionär), Voigts persönliche Referenten sind der ehemalige Berliner Landesvorsitzende Uwe Meenen und der stellvertretende Bundesvorsitzende Karl Richter. Als Ansprechpartnerin im Berliner Bürgerbüro soll zukünftig Bettina Bieder arbeiten, die schon vorher in der Bundeszentrale angestellt war und 2009 in Berlin für die NPD zur Bundestagswahl kandidierte. Als weitere Mitarbeiter stellte er Frank Rohleder und Kersten Radzimanowski vor. Der Dresdener Rohleder war vier Jahre lang stellvertretender Bundeschef der REPs und gilt als „Vater der Freundeskreise“ – einem Unterstützerkreis innerhalb der NPD für den ehemaligen Bundesvorsitzenden Voigt nach dessen Abwahl 2011. Radzimanowski war als Funktionär in der Ost-CDU für wenige Wochen Staatssekretär in der letzten DDR-Regierung. 2008 trat er in die NPD ein und kandidierte für die brandenburgischen Landtagswahlen 2009 auf der NPD-Liste. Von 1969 bis 1973 war Radzimanowski Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi, lieferte Informationen über die evangelische Kirche und Aktion Sühnezeichen.
Zu der Eröffnungsfeier gesellte sich das letzte Aufgebot der rechtsextremen Truppe: So waren der NPD-Bundesvize Frank Schwerdt, das Mecklenburger Landtagsmitglied und Landeschef Stefan Köster, die Berliner RNF-Vorsitzende Maria Fank, der rechte Netzwerker und Organisator der sog. „Dienstagsgespräche“, Hans-Ulrich Pieper sowie der NPD-Chef in NRW Claus Cremer in Begleitung seiner Stellvertreterin Ariane Meise vor Ort. Auch der ehemalige saarländische Parteichef Frank Franz nahm teil. Das Bundesvorstandsmitglied macht sich derzeit zum Parteitag im November Hoffnung auf die zukünftige Führung der Bundes-NPD, ist aber nicht unumstritten in der Szene.
Auch die militante Szene zeigte Präsenz. Der verurteilte Schläger und ehemalige Leipziger NPD-Kandidat Alexander Kurth war zu Gast, genauso wie Harald B., der auf eine Berliner Moschee einen Schweinekopf-Anschlag verübte. Der gerichtsnotorische Berliner NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke, dem das Berliner Amtsgericht attestierte, als einer der „Köpfe“ an dem militanten Netzwerk NW-Berlin „nicht unerheblich beteiligt“ gewesen zu sein, ließ sich die Eröffnungsfeier ebenso wenig entgehen. In der ersten Reihe der Gäste stand auch der umtriebige Neonazi Maik Eminger, Zwillingsbruder des im Münchener NSU-Prozesses wegen Beihilfe angeklagten André Eminger. Bei ihm fand der Flüchtige 2011 nach der Selbstenttarnung des NSU zunächst Unterschlupf, bis am 24. November die GSG 9 das Haus in Grabow stürmte und André Eminger festnahm.
Im Anschluss an die Feier mit Häppchen und Sekt soll es nach NPD-Berichten eine „historische Stadtführung“ gegeben haben. Ein Foto zeigt den örtlichen NPD-Bezirksverordneten Fritz Liebenow in der Kluft des Hauptmanns von Köpenick auf dem Hof der Parteizentrale. Liebenow soll regelmäßig in der Köpenicker Altstadt solche Führungen für Touristen anbieten. 2009 wurde bekannt, dass er zeitweilig inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen war.
Gegen die NPD-Feier formierte sich vor der Parteizentrale am Samstag auch spontan Protest mit Transparenten und Sprechchören. Eine Gruppe von Antifaschisten, die zuvor bei einer Stolpersteinverlegung mit 50 Teilnehmenden für den jüdischen Fabrikanten Julius Fromm waren, nutzte die räumliche Nähe beider Veranstaltungen um das Treiben der Neonazipartei nicht unkommentiert zu lassen.