Während in Dresden wöchentlich tausende Menschen unter dem Namen Pegida gegen eine vermeintliche »Islamisierung des Abendlandes« demonstrieren, formiert sich auch in Leipzig ein Ableger der Bewegung. Legida bezeichnet sich auf ihrer Homepage selbst als »Bürgerbewegung patriotischer Menschen der gesellschaftlichen Mitte, denen Fremdenhass, Rassismus und Extremismus fremd sind«. Und damit sind sie zum Teil nicht einmal unglaubwürdig. Denn patriotisch sind die Bürger allemal, und auch eine Zugehörigkeit zur gesellschaftlichen Mitte verwundert nicht, angesichts der Tatsache, dass Rassismus schon lange auch ein Phänomen der Mitte ist. Wie Legida aber tatsächlich zu den Themen Fremdenhass, Rassismus und Extremismus steht, offenbart sich in ihrem kürzlich veröffentlichten Positionspapier.
Von Sarah Ulrich, der Text zuerst erscheinen auf kreuzer-online erschienen und erscheint hier mit freundlicher Genehmigung
Da wäre beispielsweise gleich zu Beginn die Präambel, in der der »Erhalt der christlich-jüdisch wertgeprägten Kultur in unserem Land und in Europa« gefordert wird, der »Vorrang gegenüber allen anderen Dingen« habe, denn sie verkörpere »Werte, die uns von anderen Kulturen unterscheidet«. Dieser einleitende Satz wird verwendet, um die eigentliche Forderung deutlich zu machen: Alle Religionen und Kulturen sollen die deutsche Kultur achten, »insbesondere der islamischen Religion ist jedwede Missionierung, extremistische Auslebung ihres Glaubens und Unterwanderung unserer Glaubenskultur untersagt«. Damit wird der Islam pauschal als Feindbild konstruiert, eine bekannte Komponente des antimuslimischen Rassismus. Des Weiteren heißt es in der Präambel, eine »Integration von Flüchtlingen wird nur dann als notwendig erachtet, wenn absehbar ist, dass der Flüchtling längerfristig Asyl erhalten muss«. Dies sei jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen gegeben. Damit macht Legida deutlich: Man will keine Integration von Migranten, sondern Exklusion. Wer als fremd erscheint und nicht absehbar langfristig in Deutschland bleiben will oder kann, soll gar nicht erst die Chance auf eine Annäherung an das »Eigene« haben. Wie das nun zur vehement abgelehnten Fremdenfeindlichkeit passt, bleibt offen.
Dazu passt auch, dass in der zweiten These von dem »Verlust unserer Kultur« in Folge der »Schaffung einer multikulturellen Gesellschaft« gesprochen wird. Man stützt sich auf einen nationalistischen Kulturbegriff, der Deutschland und die »deutsche Kultur« als homogene Einheit begreift, die es zu bewahren gilt. Vor was sie nach Ansicht der Legida bewahrt werden muss, zeigt sich später im Positionspapier, wenn eine Änderung des Grundgesetzes gefordert wird. Hier heißt es, man solle sich an den »Grundsätzen der christlichen Religionsgemeinschaften« orientieren, und »im Rahmen unserer Gesetze, Verordnungen und Beachtung unserer Kultur« handeln. Dazu wird erklärt, die Religionsfreiheit werde damit nicht eingeschränkt, sondern es werde auf die entstehenden Probleme, »vor allem mit Angehörigen des Islam, reagiert«. Diese Argumentationskette suggeriert eine Bedrohung der »deutschen Kultur« durch den Islam, wenngleich kulturelle und religiöse Merkmale in einen Topf geworfen werden. Die Ablehnung der »Multikulti-Gesellschaft« ist die populistische Ausführung dessen, was von Seiten der NPD schon lange propagiert wird. Als fremdenfeindlich entlarvt sich Legida auch in weiteren Forderungen nach der Änderungen des Grundgesetzes, wenn eine konsequentere Abschiebung in einigen Fällen gefordert wird. So soll straftätigen Menschen die Staatsbürgerschaft entzogen werden, wenn diese durch Heirat, Adoption oder Anerkennung erlangt wurde. Zudem sollen »extremistische Bestrebungen, unsere Kultur hinsichtlich ihrer Sprache, Religion und Werte zu unterwandern bzw. durch andere Sprachen, Religionen und Werte zu ersetzen« geahndet werden, bis hin zum Entzug der Staatsbürgerschaft. Wo hier die Grenze der »Unterwanderung« liegt, wird nicht markiert. Dennoch ist es eine offen fremdenfeindliche Forderung, die nur darauf zielt, alles, was nicht »deutsch« ist, zu exkludieren. Wer also in diesem Land kein Deutsch spricht, hat nach Legida hier nichts zu suchen. Dies wird noch durch den Wunsch, »das Recht auf Heimat und unsere nationalen Werte« in das Grundgesetz aufzunehmen, bestärkt. Und auch wenn es durch pseudointellektuelle Worte verpackt ist, was hier drin steckt, ist eine offen völkisch-nationale Argumentationsweise, die auch in rechtsradikalen Kreisen allzu gerne gebraucht wird. Ebenso die Formel »Beendigung des Kriegsschuldkultes und der Generationenhaftung«. Diese Forderung, nach der eine »Sippenhaftung« ausgeschlossen werden muss, steht in Zusammenhang mit der Beteuerung, »wir« (gemeint ist die deutsche Bevölkerung) würden argumentativ immer wieder mit dem Zweiten Weltkrieg und dem „Deutschen Reich“ in Verbindung gebracht werden. Diese Aussage allein ist zwar noch nicht geschichtsrevisionistisch, steuert aber in diese Richtung. Das Gedenken an die singulären und unvergleichbaren Ereignisse des Nationalsozialismus und den Holocaust weicht dem Wunsch nach Vergessen, oder vielmehr noch: der Forderung nach Abkehr der Kriegsschuld Deutschlands. Auch dies ist nicht selten eine Forderung von (neo-)nazistischer Seite, die hier nicht einmal rhetorisch verpackt wird.
Sicher nicht nationalsozialistisch, auf jeden Fall aber nationalistisch orientiert, sind ebenfalls die Forderungen nach »Stärkung bzw. Wiedererlangung der Souveränität der europäischen Nationalstaaten in der EU-Gesetzgebung« sowie nach Bürgerentscheiden über eine EU-Verfassung. Damit trifft die Bewegung durch populistische Argumentation genau ins Schwarze des Unbehagens, das durch die Eurokrise ausgelöst wurde und springt damit auf den Zug der Europaskepsis auf. Folglich fordert die Bewegung ein »Europa der Völker, unter Beibehaltung ihrer nationalen Identität« und greift damit rechtspopulistische Argumente auf, die eine Abkehr transnationaler Solidarität bedeutet und die schon die AfD programmatisch prägte.
Weitere Äußerungen reichen von verschwörungstheoretischen Meinungen, die Bundesrepublik Deutschland habe keine Verfassung (was faktisch das Grundgesetz ist, nur unter anderem Namen), bis hin zu klassisch populistischen Forderungen nach direkten Wahlen des Bundespräsidenten und von Richtern und Staatsanwälten durch das Volk. Auch werden Positionen wie zum Beispiel eine Steuerreform, Forderungen nach Reformation des Bildungssystems oder die Überprüfung einer NATO-Mitgliedschaft dargelegt. Themen, die in einem populistischen Diskurs immer wieder aufgegriffen werden.
Generell zieht sich eine Linie durch die Positionen von Legida, die sich auf nationalistische, kulturrassistische und völkische Ideale stützt. Man geht davon aus, die »deutsche Kultur« sei eine homogene, fortschrittliche, die es vor einer »Unterwanderung« durch andere Kulturen (gemeint ist der Islam, die Trennung von Kultur und Religion wird hier gar nicht erst aufgemacht) zu schützen gilt. Damit schlägt Legida in klassische rassistische und fremdenfeindliche Kerben, die die Fassade der bürgerlichen Mitte erheblich bröckeln lässt. Dafür spricht auch, dass es keine klare Abgrenzung zu NPD und anderen rechten Strukturen gibt, sondern sogar Verbindungen zu rechten Initiativen wie »Gohlis sagt Nein« bestehen. Es zeigt sich vielmehr, dass einige Forderungen noch weiter in die rechte Ecke rücken, als das beim Vorbild Pegida der Fall ist. Legida ist noch ein bisschen rechter als die Rechten.
Informationen zu Gegenprotesten sammelt die Seite Refugees Welcome.
Eine Überblickskarte der Demonstrationen am 12. Januar gibt es hier