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Stunde der Populisten

 

Die Faust als Logo der 'Refugee revolution' steht für den Willen der Flüchtlinge, weiter zu kämpfen © Caro Lobig
Seit Monaten protestieren Flüchtlinge für mehr Rechte. Rechtspopulisten fordern derweil mehr Abschiebungen © Caro Lobig

Angesichts sich häufender Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer, bei denen immer wieder hunderte Menschen ertrinken, fordern fremdenfeindliche Kreise und populistische Parteien eine Asylpolitik nach dem Vorbild Australiens. Besonders der harte Umgang mit Bootsflüchtlingen wird hierbei gelobt. Laut der Darstellung der Populisten sei Australiens Vorgehensweise angeblich so erfolgreich, weil man auf Abschreckung setze und aufgegriffene Schlepperboote konsequent zurückgeschicke, weshalb kein Schlepperboot mehr die Überfahrt wagen würden. Auch Julian Flak, Beisitzer im AfD-Bundesvorstand, forderte jüngst eine „Grenzsicherungspolitik nach australischem Vorbild“.

Befürworter meinen, durch das harte Vorgehen und abschreckende Anzeigen in den Herkunftsländern würde man den Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen, da sich keine Flüchtlinge mehr über das Meer trauten, zudem wird diese Herangehensweise als besonders kostengünstig und human angesehen, denn es sterbe ja niemand mehr in australischen Gewässern.

In typisch rechtspopulistischer Manier wird ein hartes Vorgehen gefordert, wobei jedoch die Komplexität des Themas ausgeblendet wird und jede Menge unbequeme Fakten ausgelassen werden. So kann z.B. nicht überprüft werden, ob es die teils kaum seetüchtigen Boote bis zum Festland zurück schaffen, nachdem sie von der australischen Marine in indonesische Gewässer geschleppt wurden. Außerdem werden die geflüchteten Menschen in die Situation zurückgeschickt, vor der sie flüchteten, was Folter und Tod bedeuten kann. Ohnehin wäre EU-Staaten ein derartiges Vorgehen nicht möglich, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte würde dies verurteilen.

Im Übrigen erwähnen die populistischen Stimmungsmacher mit keinem Wort die Internierungslager, in welche Australien die wenigen Bootsflüchtlinge steckt, die von der Marine tatsächlich aufgegriffen werden. Auch diese werden nicht alle auf das australische Festland gebracht, sondern in Lagern auf dem Inselstaat Nauru und auf der Insel Manus interniert. Hier herrschen skandalöse Zustände, mehrfach kam es zu Vergewaltigungen und Fällen von Kindesmissbrauch durch Wärter oder andere Inhaftierte. Das Warten auf eine Entscheidung über den Asylantrag kann indes Jahre dauern. Die Lager sollen die Geflüchteten zermürben, sodass sie „freiwillig“ wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren, was dann auch viele tun.

© Screenshot
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Selbst wer schließlich Asyl erhält, soll niemals auf australischem Boden leben dürfen, sondern stattdessen auf Nauru, in Papua-Neuguinea oder Kambodscha. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch kritisierte Kambodscha jüngst für dessen „schrecklichen“ Umgang mit Flüchtlingen.

All das verschlingt zudem noch Unsummen. Über einen vierjährigen Zeitraum kosten die Lager rund 2,9 Milliarden Australische Dollar (1,8 Milliarden Euro), hinzu kommen 35 Millionen Euro, die an Kambodscha gehen sowie Zahlungen an „freiwillig“ Zurückkehrende, denen Australien bis zu 8000€ bietet. Zusätzlich werden die australischen Steuerzahlenden für die Abschreckungskampagne zur Kasse gebeten, die gerade mal etwas länger als ein Jahr lief und dabei über 15 Millionen Euro gekostet hat.

Das Sterben wurde so bisher auch nicht gestoppt, Soldaten der Royal Australian Navy, die an der „Operation Sovereign Borders“ beteiligt waren, berichteten dem Fernsehsender ABC von kilometerlangen Ketten toter Flüchtlinge, die sie aus dem Wasser fischen mussten. Dies zeigt, dass auch die härteste Abschreckung verzweifelte Menschen nicht von der Flucht abhält.

Dieser ganze Aufwand, diese riesigen Kosten und der menschenverachtende Umgang mit den internierten Menschen stehen in keinster Weise im Verhältnis zu den tatsächlichen Zahlen der damaligen Bootsflüchtlinge, die man stoppen wollte. 2013 waren es ingesamt rund 20.000.

Es zeigt sich also, dass die Forderungen vom rechten Rand mal wieder nichts als reiner Populismus sind und fernab jeglicher Realisierbarkeit liegen. Natürlich kommen derartige Lösungen, die simpel scheinen und nach entschlossener Vorgehensweise aussehen, bei vielen ahnungslosen Menschen gut an.

Die traurige Ironie dabei ist, dass diese Leute überhaupt nicht den speziellen historischen Kontext sehen. Australien ist eine ehemalige britische Strafkolonie, abgesehen von der indigenen Bevölkerung, welcher man das Land weggenommen hat, leben hier also strenggenommen viele Nachkommen von „kriminellen Ausländern“.