Im Februar überfielen Neonazis eine Kirmesgesellschaft im Thüringischen Ort Ballstädt. Durch den brutalen Angriff wurden 10 Menschen verletzt, einige sogar schwer. Am heutigen Tag begann der Prozess gegen insgesamt 15 Angeklagte, die teils auch vor Gericht aus ihrer extrem rechten Gesinnung keinen Hehl machten.
von Jan Seifert (Text) und Tristan Bürckel (Bilder)
Schon am frühen Morgen sind die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Erfurter Landgericht enorm. Zahlreiche Einsatzwagen der Polizei sind rund um das Gerichtsgebäude zu sehen. Sie sollen den Prozessauftakt eines der größten Neonazi-Prozesse absichern, die in Thüringen je stattgefunden haben. Auch im Gerichtsgebäude sind Polizei-Beamte umfassend im Einsatz: Jeder Angeklagte und jeder Besucher wird am Einlass erfasst und durchsucht. Während des Prozesses sind rund zwanzig Beamte der Bereitschaftspolizei im Saal, dazu noch einige Mitarbeiter der Justiz. Diese sichern nicht nur den Gerichtssaal sondern auch den Zuschauerraum, in dem weitere rund zehn einschlägig bekannte Neonazis als Unterstützung für die Angeklagten Platz genommen haben. Angeklagt sind 14 Männer und eine Frau, die im Februar 2014 gemeinsam eine Kirmes-Feier im 700-Seelen-Dorf Ballstädt überfallen haben sollen. Dabei wurden 10 Menschen verletzt, einige schwer.
Die Bilder des blutverschmierten Dorfgemeinschaftshauses gingen durch die bundesweite Presse und führten die enorme Gewalttätigkeit der Thüringer Neonazi-Szene vor Augen. Ausgegangen war der Angriff von einer Immobilie, welche von teils einschlägig bekannten Neonazis gekauft wurde und immer noch bewohnt wird. Später wurde bekannt, dass der Thüringer Verfassungsschutz sogar einen Anruf, welcher zur Koordination des Angriffs diente, mitgeschnitten hatte. Auch Rechtsanwalt Rasmus Kahlen, welcher eines der Opfer in der Nebenklage vertritt, fand am Ende des ersten Verhandlungstages klare Worte zum Vorgehen der Angreifer: “Vor dem Hintergrund der Brutalität der Tat erscheint es als reiner Zufall, dass bei dem Angriff keiner der Geschädigten tödlich verletzt worden ist. Durch den Überfall sollten ganz offenbar all jene mundtot gemacht werden, die nicht in das rechte Weltbild der Täter passten. Das brutal, abgesprochene Vorgehen ist getragen vom Hass gegen Andersdenkende und zeigt deutlich die Organisiertheit der Naziszene.”
Eisernes Schweigen und klare Bekenntnisse
Dass die Angeklagten der extrem rechten Szene zuzuordnen sind, wird auch im Gerichtssaal deutlich. Nicht wenige der Beschuldigten tragen eindeutige Szenebekleidung. Auf einem prangt groß die Aufschrift „too white für you“ („Zu Weiß für euch“) und ein anderer Angeklagter trägt ein Shirt mit der Aufschrift „Solidarität mit Ballstädt“. Die Opfer des brutalen Überfalls sind damit wohl kaum gemeint. Vielmehr wird das Logo auch in den sozialen Netzwerken von anderen Neonazis als Unterstützung für die Angeklagten verbreitet. Neben der eindeutigen extrem rechten Bekleidung vieler Angeklagter finden sich auch einschlägig bekannte Szene-Anwälte als Verteidiger im Prozess. Der bekannteste unter ihnen dürfte der Rechtsanwalt Wolfram Nahrath sein. Nahrath ist nicht nur der ehemalige „Bundesführer“ der verbotenen „Wiking-Jugend“ und einer der Verteidiger von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess sondern tritt auch bei extrem rechten Veranstaltungen als Redner auf.
Als der Richter die Angeklagten nach ihrer Aussagebereitschaft befragt, sind die Antworten fast alle gleich: Keine Aussage. Nur ein Angeklagter wird sich mit einer Erklärung äußern. Was dies genau bedeutet, ist allerdings noch nicht abzusehen. Die Laune der Beschuldigten scheint jedenfalls nicht die schlechteste zu sein: Ein Grinsen in den Zuschauerraum zu den angereisten Kameraden oder lockere Gespräche in den Pausenzeiten – wirklich betroffen wirkt kaum jemand. Rechtsanwalt Alexander Hoffmann, der ebenfalls eines der Opfer vertritt, äußerte sich verwundert über die nach außen getragene Lässigkeit der Beschuldigten zum Verfahren. “Den Angeklagten ist offenbar immer noch nicht bewusst, was in diesem Verfahren auf dem Spiel steht. Für einen solchen brutalen gemeinschaftlichen Angriff ist jedenfalls eine Freiheitsstrafe von weit über drei Jahren für die Beteiligten zu erwarten“, so Rechtsanwalt Hoffmann.
Der erste Prozesstag war kurz nach ein Uhr und mehreren Unterbrechungen beendet. Die Verteidiger der Angeklagten hatten mehrere Befangenheitsanträge gegen die zuständige Kammer am Landgericht gestellt. Daher wird der Prozess nicht wie geplant in der kommenden Woche fortgesetzt sondern erst am 16. Dezember. Voraussichtlich wird sich das Verfahren insgesamt bis in den Herbst 2016 ziehen.