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Ein Jahr Legida – ein Jahr Angriffe auf die Pressefreiheit

 

Immer wieder drohen LEGIDA-Teilnehmer anwesenden Journalisten © visual.change
Immer wieder drohen LEGIDA-Teilnehmer anwesenden Journalisten  © visual.change

Nach nur zwei Aufmärschen des Leipziger PEGIDA-Ablegers im neuen Jahr sind bereits 10 Angriffe auf Journalisten bekannt. Eine Gefahr für Journalisten und die Pressefreiheit ist diese Bewegung jedoch schon seit ihren Anfangstagen.

Es waren unmissverständliche Worte von Tatjana Festerling, die Anfang Januar bundesweit für Empörung sorgten. Dabei war es eigentlich nichts Neues, was die Frontfrau des islamfeindlichen Bündnisses am 11. Januar in Leipzig der Menge zurief. Zum einjährigen Bestehen von LEGIDA tönte Festerling: „Wenn die Mehrheit der Bürger noch klar bei Verstand wäre, dann würden sie zu Mistgabeln greifen und diese volksverratenden, volksverhetzenden Eliten aus den Parlamenten, aus den Gerichten, aus den Kirchen und aus den Pressehäusern prügeln“. Gewissermaßen ein öffentlicher Aufruf zur Gewalt, den die Menge mit den Rufen „Widerstand, Widerstand“ beantwortete. Es war genau die Hetze, die den Leipziger PEGIDA-Ableger von Anfang an prägt und sich auch immer wieder in Angriffen auf anwesende Journalisten entlädt. Noch am selben Abend schlug ein LEGIDA-Teilnehmer einer Reporterin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) das Handy aus der Hand und ihr anschließend ins Gesicht. In den Kommentarspalten wurde der Vorfall anschließend als vermeintliche Lüge der Medien dargestellt.

In der Vergangenheit haben Festerlings Hetztiraden wiederholt Anlass für juristische Ermittlungen wegen Volksverhetzung, Verleumdung und öffentlichem Aufruf zu Straftaten gegeben. Der Aufruf mit „Mistgabeln“ gegen die Presse vorzugehen zeigt allerdings in besonderem Maße das Demokratieverständnis von Pegida: Jeder, der nicht für Pegida ist, wird als Feind verstanden.

Bereits beim nächsten Aufmarsch nur zwei Wochen später kam es dann erneut zu Attacken auf Journalisten. Insgesamt acht Angriffe zählte die Leipziger Internetzeitung am Abend des 01. Februar. Die Journalisten wurden von Teilnehmern von LEGIDA geschlagen, gestoßen und immer wieder bedroht, eine Kamera ging dabei zu Bruch. Auch an diesem Abend hetzte man von der Bühne über die vermeintlich US-gesteuerten Medien: „Wie kann man seine eigene Sippe, sein eigenes Blut derartig verraten?“.

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So berechtigt jedoch der derzeitige Aufschrei ist, gilt es zu betonen, dass es sich bei der erschreckenden Gewalt und Hemmungslosigkeit keineswegs um ein neues Phänomen handelt. Bereits bei dem ersten Aufmarsch von LEGIDA 2015 kam es zu Angriffen auf Journalisten. So wurde ein Fotograf von einem Demonstrationsteilnehmer von hinten in den Rücken geschlagen. Der Täter tauchte daraufhin unerkannt wieder in der Menge unter. Nur eine Woche später wurde wiederum ein Fotograf attackiert und von einer aus dem Demonstrationszug ausbrechenden Gruppe Hooligans umgerannt und getreten. Er wurde dabei verletzt und seine Kamera beschädigt.

Die Bedrohungen und Angriffe setzten sich in den darauffolgenden Monaten fort und halten bis zum heutigen Tage an. Die mantraartigen „Lügenpresse“-Rufe wurden zunehmend zu einer Art Selbstrechtfertigung für physische wie verbale Angriffe. Die Behinderung journalistischer Arbeit scheint zur Hauptbeschäftigung bei den Versammlungen geworden zu sein, deren immer gleiche Hetzreden die Teilnehmer schon lange nicht mehr mitreißen. Stattdessen rüstet man auf. Fruchtsäfte gegen Kameras, Fahnen und Handscheinwerfer zur Verhinderung von Film- und Fotoaufnahmen sowie permanente Versuche der Einschüchterung gehören längst zum Standardrepertoire. Auffällig dabei ist, dass inzwischen zunehmend auch ältere Personen handgreiflich gegenüber Journalisten werden. Zu Beginn der Aufmärsche waren es vor allem noch Personen des Hooliganmilieus, die – bejubelt von den Anderen – übergriffig wurden.

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Fragwürdig hierbei ist insbesondere auch die Rolle der Sicherheitskräfte. Und gemeint sind nicht die Ordner, die inzwischen tatsächlich gelegentlich ihrer Aufgabe nachkommen und aufdringliche Versammlungsteilnehmer zurückhalten, nicht zu selten aber auch selbst Journalisten bedrängen. Sondern gemeint sind die Polizeibeamten vor Ort, die immer wieder bei Bedrohungen wegschauen, nicht eingreifen und sich bei Beschwerden abwenden. Stattdessen werden hin und wieder Platzverweise für die zuvor angegriffenen Journalisten ausgesprochen, da sie ja eine Gefahrensituation provozieren würden. Da hilft es auch nicht, dass der Pressesprecher der lokalen Polizeidirektion „Gewalt verurteilt“ und im nächsten Satz vorschlägt, man könne „sich auch in der Nähe der Beamten aufhalten und von dort aus die Reden verfolgen und mit entsprechendem technischen Equipment Fotos machen“. Vielmehr zeugt dies doch von einem Eingeständnis, dass eine konkrete Bedrohung von den Versammlungen ausgeht. Ob es sich hier um eine spezifisch sächsische Auffassung von Pressefreiheit bei der Polizei handelt, bleibt Spekulation. Dass das Beamtenhandeln aber auch anders aussehen kann, lehrt jedoch die Erfahrung journalistischer Arbeit in anderen Bundesländern.

Abschließend muss also die Frage gestellt werden, warum sich in Leipzig seit einem Jahr regelmäßig Menschen versammeln können, die sich zwar immer wieder lautstark auf ihre demokratischen Rechte berufen, sich selbst jedoch so offensichtlich von Grundpfeilern der Demokratie, wie der Presse- und Meinungsfreiheit verabschiedet haben, dass sie diese gar zu unterbinden versuchen. Sei es durch konkrete Gewaltandrohung oder mitgebrachte Scheinwerfer, deren weiterer Sinn, außer der Verhinderung aktiver Berichterstattung, sich nicht erschließen mag. Bereits am 5.11.2015 hatte die Stadt Leipzig auf ihrem offiziellen Twitter-Account mitgeteilt, dass das Blenden zukünftig kontrolliert werden solle.

Erst im Oktober verurteilte die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit, Dunja Mijatovic, die Zustände in Deutschland und forderte die Behörden auf, alles zu tun, um Pressevertreter zu schützen, die über Demonstrationen berichten: „Wenn Journalisten nicht frei und sicher berichten können, sind die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Presse in Gefahr“. Viel hat sich seit dem nicht getan.