Am 20.2. mobilisierten Neonazis rund 150 Rechte zu einer unangemeldeten Kundgebung in die Allgäuer Provinz. Während sich die Sicherheits- und Ordnungsbehörden trotz rechtzeitiger Kenntnis kaum zeigten, stellten sich 50 Gegendemonstranten den Rassisten entgegen. Nur eine Woche später wurden die Neonazis um das zehnfache überboten: 1500 hielten einen „Lichterzug“ in Obergünzburg ab.
Am Samstag, den 20.2. sammelten sich etwa 150 Neonazis und andere extrem Rechte unangemeldet auf dem Obergünzburger Marktplatz im Landkreis Ostallgäu. Begleitet wurden sie dabei zunächst nur von einigen Antifaschisten, deren spontane Gegenkundgebung schnell auf etwa 50 Teilnehmer anwuchs. Die Polizei indes zeigte kaum Präsenz, obwohl bereits knapp einen Monat zuvor öffentlich mobilisiert wurde. Die Polizei räumt ein, dass dieser Umstand zwar bekannt war, mangels Ankündigung gegenüber den Behörden aber nicht ernst genommen wurde. Obergünzburgs Bürgermeister Lars Leveringhaus (CSU) rechtfertigt gegenüber dem Bayerischen Fernsehen: „Wenn Sie keine offiziellen Anhaltspunkte dafür haben, dass es eine Allgida-Bewegung überhaupt gibt und dann auch noch im Öffentlichen Raum auftritt, dann müssen Sie halt entsprechend verhältnismäßig reagieren.“ Die Polizei beobachte „natürlich das rechte Spektrum um natürlich adäquat reagieren zu können“, meint eine Sprecherin. Erst im Laufe der Versammlung wurden weitere Polizeikräfte heran gezogen.
Auffällig oft wurde in den vorderen Reihen der Rassisten von zum Teil Vermummten der rechte Arm erhoben. Die Polizei, die weder die Versammlung auflösen noch Personalien aufnehmen konnte, ermittelt nun wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, und Verstößen gegen das Versammlungsgesetz – wohl auch, weil eine der Fahnenstangen waffentauglich angespitzt war. Getragen wurden Fackeln, sowie zwei Deutschland- und eine Wirmer-Flagge, die zudem in einer Abwandlung im Erkennungszeichen der „German Defense Leage“ verwendet wird. Es tauchten unter Anderem Mitglieder der Neonazikameradschaft „Voice of Anger“ und Anhänger der NPD auf. Sie reisten aus dem gesamten Allgäu und dem angrenzenden Umland an. Skandiert wurden neben Beleidigungen gegen die Gegendemonstranten Parolen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“, „Wir sind das Volk“ oder „Es gibt kein Recht auf Volksverrat“ – aber auch „AfD, AfD, …“. Mobilisiert wurde etwa über von NPD-Mitgliedern betreute Facebook-Seiten, die auch sonst gegen Geflüchtete hetzen. Die 50 Nazigegner hielten dagegen: „Rassismus aus den Köpfen – Nazis von der Straße jagen!“ und drückten ihre Solidarität mit Geflüchteten aus. Zunächst konnte dafür noch ein Megaphon verwendet werden, was die Polizei aber bald untersagte, „um die Rechten nicht weiter zu provozieren“.
Für den folgenden Samstag gelang es der Marktgemeinde und den Kirchengemeinden 1500 Menschen zu einem „Kerzenzug“ durch Obergünzburg zu bewegen – bei rund 6000 Einwohnern. Unter dem Motto „Hand in Hand für Menschlichkeit“ zog die Versammlung von einem Gottesdienst zur Kundgebung am Marktplatz. Hier positionierte sich der Bürgermeister für „Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde“. Anschließend stellte Michael Bauer als Vertreter der Bürgerschaft einen Bezug der „Allgida“-Versammlung zum historischen Nationalsozialismus her. Er wolle sich „klar von Fackelzügen distanzieren, deren Bezug zur Nazizeit unverkennbar ist. Und wir distanzieren uns von den simplen Wahrheiten einiger Schreihälse.“
Die „Schreihälse“ haben weitere Aktionen angekündigt. Das nächste Mal wollen sie in knapp zwei Wochen in einer anderen Stadt im Allgäu aufmarschieren. Dieses mal sind andere Behörden zuständig – und wissen von nichts. Ob sie die Rechten auch hier weitgehend unbehelligt lassen?