Im Prozess um die „Oldschool Society“ als terroristische Vereinigung haben sich bisher alle Angeklagten zu ihren persönlichen Verhältnissen eingelassen. Drei der Angeklagten geben sich als gescheiterte Existenzen, allein ihr „Präsident“ H. will in seiner jüngsten Vergangenheit als selbstständiger aber ungelernter Maler außerordentlich erfolgreich gewesen sein. Sein angeblich so protziger Lebensstil deckt sich allerdings nicht mit seinen Kontobewegungen. Er ist auch der einzige, der sich bisher zu den Vorwürfen der Anklagebehörde geäußert hat. Nach seinen Ausführungen, ist die Truppe über Alkoholexzesse, grillen und Gerede nie hinaus gekommen: „Meine Güte, da würde doch Deutschland schon lange flach liegen, wenn man alles glauben würde, was da alles in Schutt und Asche schon gelegt worden ist“.
Der „Pressesprecher“
Der „Pressesprecher“ betreute den Auftritt der mutmaßlich terroristischen Gruppierung in sozialen Netzwerken. Olaf O. wurde 1968 in Gelsenkirchen geboren, wuchs seiner Aussage nach „behütet“ auf und machte eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker in Bochum-Wattenscheid. 1990 erfolgte der Einzug zur Bundeswehr in Ahlen. Auf psychische Probleme folgte die Ausmusterung und ein Job bei Opel. Nach der Diagnose eines Hirntumors sah er sein Leben aus den Fugen geraten. Seine 1992 geschlossene Ehe zerbrach, er verlor seine Arbeit und seine Freunde. Neue suchte er im Internet – und fand die „OSS“, zu deren Radikalisierung er laut Bundesanwaltschaft „erheblich“ beitrug.
Der „Vizepräsident“
Markus W. wurde, als er der Truppe beitrat, zunächst „Chief of Security“, stieg im September 2014 zum „Vizepräsidenten“ auf. Seine Ausbildung zum Dachdecker schmiss der 1972 in Düren Geborene nach eigenen Angaben und ging nach einiger Zeit der Erwerbslosigkeit zum Jagdbombergeschwader der Bundeswehr, danach wechselten sich erneute Erwerbslosigkeit mit diversen Hilfsjobs ab, von denen er einen wegen einer Vorstrafen verlor. 2010 zog er nach Sachsen, wo er einen schweren Arbeitsunfall erlitten habe und seit 2014 ein Sicherheitsgewerbe betreibe. Andreas H., der „Präsident“ der Gruppe, soll laut Anklageschrift „alle strategischen Entscheidungen und die Aufgabenverteilung innerhalb der Führungsebene mit dem Angeschuldigten W.“ besprochen haben. Außerdem habe er mit Denise Vanessa G. Sprengstoff für geplante Anschläge besorgt.
Die „Schriftführerin“
Auch G., die „Schriftführerin“, sei von Anfang an eine der treibenden Kräfte in der Gruppe gewesen, während der Untersuchungshaft hatte sie versucht, einen Platz in einem Neonazi-Ausstiegsprogramm zu bekommen. Die Beziehung zum Mitangeklagten W. bestünde nach wie vor. Ihr leben war ihrer Darstellung nach geprägt von massivem Drogenkonsum, selbstzerstörerischen Verhalten und autoritären Beziehungspartnern, die sie häufig wechselte. Geboren wurde die heute 23jährige im sächsischen Freital. Die Mittelschule verließ sie ohne Abschluss, zwei Versuche schulischer Berufsausbildung im Bereich Hauswirtschaft brach sie ebenfalls ab: „Ich war sowieso die Dumme, weil das waren alles Ausländer“. Alkohol und Drogen habe sie schon früh jeden Tag konsumiert, Crystal Meth zuerst mit 14, zeitweise sogar Heroin. Die Drogen dienten ihrer Darstellung nach wie auch ihr selbstverletzendes Verhalten dazu, Dinge zu vergessen. Nur während ihrer zwei Schwangerschaften will sie auf die Drogen verzichtet haben, was ihr selbst in Haft nicht gelang. Einer ihrer Expartner sei wegen Vergewaltigung einer 13jährigen im Gefängnis. Das erste Kind habe wegen Misshandlungen durch den Vater einen Wasserkopf. Das Sorgerecht habe sie verloren.
Der „Präsident“
Die Truppe traf sich, so der selbsternannte „Präsident“, angeblich nur einmal außerhalb sozialer Netzwerke, am 15. November 2014 in einer Kleingartenanlage in der Nähe von Borna. Zu diesem Treffen reiste der Augsburger mit seinem SS-Ring am Finger, einer Gaspistole und dem getunten Mercedes mit „knapp 600 PS“ an. Stolz war er auf das Auto mit „Krokoleder“ innen und außen, einem Reichsadler und den Initialen AH, die ebenso für Adolf Hitler wie seinen Namen stehen könnten. Darüber aber habe er noch nie nachgedacht. „Ich bin kein Nazi und werde nie einer sein“, meint er. In seinem Büro allerdings bewahrte er diverse Neonazi-Devotionalien und Waffen auf. Hitlers „Mein Kampf“, die „Hochzeitsausgabe“, will er zu lesen versucht, aber nicht verstanden haben. Vom Vater sei er als Kind sehr schlecht behandelt, auch geschlagen worden. Auf eine höhere Schule durfte er nicht gehen. Als Jugendlicher begann er kriminell zu werden. Mehrere Gefängnisstrafen – die mit fünf Jahren höchste und letzte 1990 in Würzburg – folgten. Danach machte er sich selbstständig als Maler und baute ein angeblich florierendes Geschäft auf. Aus seinen Kontoauszügen allerdings ergibt sich die Finanzierung seines protzigen Lebensstils nicht. Nachfragen der Bundesanwaltschaft in diese Richtung unterbindet sein Verteidiger.
Bloß „heiße Luft“…
Das Treffen 2014 spielt er herunter, es sei am massivem Alkoholkonsum gescheitert. Deswegen sei beim zweiten Treffen ein Alkoholverbot ausgesprochen worden. Warum die Anweisung, dunkel gekleidet zu erscheinen ausgegeben wurde? Das sähe, erklärt H., besser aus auf dem geplanten Gruppenphoto. Beim ersten Treffen seien alle so durcheinander gekleidet gewesen, das sollte diesmal schöner aussehen. Der Frage, weshalb er zwar von den von seinen Mitangeklagten Denise Vanessa G. und Markus W. besorgten Sprengkörpern, aber nicht von dessen Zweck gewusst haben will, weicht er aus. Der 8. Staatsschutzsenat fragt weiter: „Warum muss man das umbauen, das Zeug?“ H. reagiert zunächst aggressiv und wird dann ganz kleinlaut: „Ich habe mich in eine Sache hinein manövriert, wie soll ich das erklären?“ Er hat Tränen in den Augen und fährt fort: „Mittlerweile hat sich bei uns generell ein Ton, eine Art und Weise zu reden aufgebaut, dass das fast nicht mehr auffällt, dass das normal geworden ist ohne es zu merken weil tun tut das sowieso keiner.“ Über Geflüchtetenunterkünfte sei gesprochen worden, „lauter schreckliche Sachen“ sollten daraufhin passieren. Das allerdings sei „eh bloß fiktiv“ und „heiße Luft“ gewesen. Wo die geplante „Nachtwanderung“ hätte hinführen sollen, das weiß er aber nicht, sagt der „Präsident“ der „Oldschool Society“.
… oder bewaffneter Kampf?
Der Anklage nach wurde auf dem ersten Treffen die inhaltliche Ausrichtung der „OSS“ thematisiert. Erörtert wurde demnach „der bewaffnete Kampf gegen Salafisten, die Herstellung von Sprengstoff, ein gewaltsames Vorgehen gegen Asylanten und wer bereit wäre, auch in den Knast zu gehen für irgendwelche Taten“. Weiter geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass der von G. und W. besorgte Sprengstoff im Rahmen des geplanten zweiten Treffens „zur Begehung eines Sprengstoffanschlags auf eine bewohnte Asylbewerberunterkunft“ verwendet werden sollte. Zusammen mit ihrem „Präsidenten“ besprachen die beiden, wie sie zu diesem Zweck die tödliche Wirkung der Sprengladung erhöhen könnten. Auch O., der vierte Beschuldigte, wurde eingeweiht. Die weiteren Mitglieder sollten am geplanten Treffen am 8. Mai 2015 einbezogen werden. Der Zugriff durch die Polizei und die Festnahme der Beteiligten kam dem aber zwei Tage zuvor.
Der am 27. April vor dem Oberlandesgericht München eröffnete Prozess wird am 1. Juni fortgesetzt. Bisher sind Termine bis November angesetzt.