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Hoyerswerda: Bewährungsstrafen nach Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft

 

Hoyerswerda: Bewährungsstrafen nach Brandanschlag auf Flüchtlingsunterkunft
Seit Monaten gibt es immer wieder Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte. Nur selten werden die Täter gefasst.

Überraschend milde Urteile fielen am Dienstag am Amtsgericht Hoyerswerda. Dort fand ein Prozess gegen vier Neonazis statt, die ein Jahr zuvor versucht hatten, eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft mit einem Molotowcocktail anzuzünden. Sie wurden für die Vorwürfe der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten und Verstoß gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen. Kai P. und Enrico N. erhielten Freiheitsstrafen von neun Monaten sowie einem Jahr und vier Monaten. Trotz zahlreicher Vorstrafen, unter anderem aus rechtsmotivierten Straftaten, für welche beide bereits in Haft saßen, wurden die Freiheitsstrafen für einen Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren auf Bewährung ausgesetzt. Die beiden Brüder, Julian K. und Jonas K. kamen mit Verwarnungen davon, Ersterer muss 150 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten, Letzterer eine Strafe von 100 Euro bezahlen.

Von Matthias Grund, Initiative „Pogrom 91“

Enrico N., Kai P. sowie die Brüder Julian K. und Jonas K. waren am 3. Juni 2015 mit drei Molotowcocktails vor eine Turnhalle in der Dietrich-Bonhoeffer-Straße in Hoyerswerda gezogen, die als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt wurde. Während Enrico N. einen der entzündeten Brandsätze in Richtung der Halle warf, standen die drei weiteren Beteiligten Wache. Wie ZEIT ONLINE berichtete, kamen die 27 Menschen, die in der Unterkunft untergebracht waren, mit dem Schrecken davon. Der geworfene Molotowcocktail ging zu Bruch, „ohne weiteren Schaden anzurichten“. Fünf Wochen später wurden die Täter gefasst, laut einem Bericht des MDR gaben die Neonazis an, „sie hätten mit dem Anschlag ein Zeichen gegen starke Zuwanderung setzen wollen“.

Der Vertreter der Staatsanwaltschaft Görlitz betonte, „so was geht überhaupt nicht, Menschen, die sich ihre Situation nicht ausgesucht haben, derart zu erschrecken“. Für die beiden bereits einschlägig vorbestraften Neonazis mit Hafterfahrung Enrico N. und Kai P. forderte er Freiheitsstrafen von neun Monaten sowie einem Jahr und vier Monaten. Bewährung sah der Staatsanwalt nicht vor, unter anderem weil Kai P. während der Tat bereits auf Bewährung war. Enrico N. sei darüber hinaus erst „zwei Monate vor der Tat aus der Haft entlassen worden und wollte nun ein Zeichen setzen“. Dabei sei er gegen wehrlose Menschen vorgegangen, „auf diese Zeichnen können wir verzichten“, sagte der Staatsanwalt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Richter sprach mildere Urteile als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Dabei spielte das Alter der Täter eine Rolle, die zur Tat zwischen 19 und 25 Jahre alt waren. Außerdem hätten die Männer unter Gruppenzwang und Alkoholeinfluss gestanden, so der verantwortliche Richter Michael Goebel. Er rechnete den Angeklagten ihre umfangreichen Geständnisse an, die darüber hinaus trotz ihrer zum Teil umfangreichen Liste an rechtsmotivierten Straftaten aussagten, der Angriff vom Juni 2015 tue ihnen leid.

Die Zuschauerreihen des Amtsgerichtes Hoyerswerda waren neben vereinzelten Beobachtern und Journalisten mit Neonazis gefüllt, rund ein Dutzend von ihnen besuchte den Prozess. Im Gerichtssaal saßen auch einige derjenigen, die an der Bedrohung eines antifaschistischen Pärchens im Jahr 2012 beteiligt waren – Robert K. in den Zuschauerreihen und Kai P. auf der Anklagebank. In den Pausen scherzten die Sympathisanten im Zuschauerbereich mit einigen der Männer auf der Anklagebank.

Die politische Einstellung der Angreifer spielte im Gerichtsprozess und der Urteilsverkündigung eine untergeordnete Rolle, genau wie die Situation der Betroffenen des Angriffs. Wie ZEIT ONLINE berichtete, werden sehr selten Täter rechtsmotivierter Brandanschläge auf Asylunterkünfte von der Polizei ausfindig gemacht. Umso wichtiger ist die Signalwirkung, die von den daraus folgenden Gerichtsprozessen ausgeht – sowohl an mögliche Nachahmungstäter als auch Betroffene von Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten. In Hoyerswerda wurde es leider verpasst, diese Chance zu nutzen.