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Rechte Umtriebe im Westerwald

 

Der III. Weg_20150523_2074 © Christian Martischius

Sprichwörtlich für einen kalt pfeifenden Wind, ist der Westerwald gleichzeitig ein warmer, herzlicher Landstrich. Wenn man eine Schneekugel daraus herstellen wollte, wie sähe sie aus? Ein Statusbericht.

Von Marie Wäller

Da sind die Eingeborenen, erkennbar an ihrem rollenden R. Sie schauen bedächtig all jenen seltsamen Dingen nach, die vor ihrer Tür geschehen. Autos mit fremden Kennzeichen ebenso wie Menschen mit fremder Kleidung. Spricht man sie an, dauert es nur wenige Sätze, bis sich eine warme, freundliche Stimmung einstellt.

Dann die Zugezogenen. Sie sind exakt wie Eingeborene, nur ohne rollendes R. Manche kleiden sich unerwartet, doch das stört die Westerwälder wenig. Kopftücher wundern sie nicht, das trägt manche Oma heute noch, wenn sie das Haus verlässt. Radfahrer in neonfarbenem Spandex verblüffen sie dagegen schon.

Die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende Stegskopf und erste Ausläufer einer braunen Welle

Im Oktober 2015 wurde eine Erstaufnahmeeinrichtung in einer ehemaligen Kaserne eingerichtet. Die Westerwälder reagierten, wie sie auf Herausforderungen meistens reagieren: Sie krempelten die Ärmel hoch.

Gleichzeitig begann eine in rechte Kreise sehr gut vernetzte Gruppe mit einer Hetzkampagne. Sie holten sich Unterstützung von Tatjana Festerling von Pegida Dresden und Ed Wagensveld, ebenfalls Pegida und Waffenhändler. Schon bei der ersten Demonstration wurde ein Hitlergruß von Antifaschisten angezeigt, der Schuldige ist inzwischen verurteilt.

Durchschnittlich alle zwei Wochen zogen sie auf die Straße. Es begann mit 200 Leuten, später wurden es bis zu 600. Im Juni 2016 waren es noch 16.

Anfangs wurden massiv Gegendemonstrationen gestartet, die bis zu 3000 Menschen anzogen. Dann war der Wahlkampf vorüber und die Gegendemonstrationen wurden nur noch von einer Kerngruppe getragen. Doch auch diese brachten es auf ein Verhältnis von drei Gegendemonstranten für jeden Besucher der rechten Demonstrationen.

Als die AfA Stegskopf im März 2016 geschlossen wurde, benannte sich die Pegida-Truppe in „Bekenntnis zu Deutschland“ um und zeigte ihre echten Farben. Fielen anfangs die Teilnehmer des „III. Weg“ und anderer faschistischer Gruppen nicht ins Gewicht, wurden sie nun immer sichtbarer. Auch die Rhetorik schrammte nur noch haarscharf an der Volksverhetzung vorbei.

Frühling und Sommer

Die Westerwälder sahen es mit Verwunderung, so wie sie neonfarbenes Spandex betrachten. Je heftiger die Worte wurden, desto stärker wandten sie sich ab und gingen nicht mehr zu den Demonstrationen von Bekenntnis zu Deutschland.

Die Geflüchteten waren inzwischen in den Dörfern angekommen, ihre Kinder spielten gemeinsam mit den Dorfkindern. Ein Einheimischer formulierte es mir gegenüber so (mit rollendem R): „Ich hab mir auch Sorgen gemacht. Aber die schaffen ja im Garten wie wir.“

Es könnte Ruhe einkehren, im Westerwald. Wir könnten uns darauf konzentrieren, die Widerhaken der Hetze aus dem Fleisch zu ziehen. Aber ach, die Verhältnisse, sie sind nicht so.

Herbst und Winter

Tatjana Festerling und Ed Wagensveld sind abgewandert zu Fortress Europe und brüllen sich mit Pegida-Frontmann Lutz Bachmann in Dresden über die Köpfe der Teilnehmer am 3. Oktober an. Torsten Frank, AfD-Mitglied und Anmelder der Demonstrationen von Bekenntnis zu Deutschland spricht auf einer Hooligan-Demonstration in Dortmund.

Geblieben ist Uwe Land, der sich schon mal in Reichsbürger-Thesen verstieg und Überlegungen zum Geschäftsmodell von Kammerjägern anstellte. Geblieben ist Ramona Schneider-Karger, die auf vielen rechten Demonstrationen im Umkreis auftaucht und sich mit dem Logo der Identären Bewegung schmückt. Geblieben ist die NPD, deren Mitglied Thomas Gorr von sich selbst als „deutscher Panzer“ spricht und seinen Rollstuhl damit meint. Geblieben ist Julian Bender, der für die Kleinstpartei „III. Weg“ Demonstrationen anmeldet – die nächste am 20. Oktober 2016.

Mit ihnen haben wir es jetzt hier im Westerwald zu tun. Mit Demonstrationen setzen sie Duftmarken, ihr Ziel ist es, die Bürger zu verstören und zu ängstigen. Der „III. Weg“ versucht noch nicht einmal mehr, Menschen jenseits der eigenen Klientel für diese Demonstrationen zu mobilisieren. Ihnen geht es um Raumergreifung. Das endgültige Ziel sind mindestens sächsische Zustände.

Geblieben sind auch wir. Ich werde davon erzählen, wie wir im Westerwald mit diesen Hetzern umgehen.