„Wer die AfD nerven möchte muss früh aufstehen“. Dirk Hansen von „Solidarität statt Hetze“ hatte es drei Tage zuvor auf der Pressekonferenz in den Kölner Sartorysälen angekündigt. Es ist sieben Uhr morgens, ich bin am Ebertplatz, einer der fünf Treffpunkte der Sternmärsche des breiten linken Bündnisses.
Text: Susanne Müller, Fotos: Roland Kaufhold
Der Kölner Polizeipräsident Mathies hatte, im Kontrast zu seiner Verpflichtung zur politischen Neutralität, nichts unversucht gelassen, um die Beteiligung an demokratischen Protestformen gegen die in großen Teilen völkische AfD zu verhindern. Seine grotesken Gewaltszenarien waren als Einschüchterung gedacht. Vergeblich: 500 überwiegend jüngere Leute haben sich am Ebertplatz versammelt. Durch die kleinen Straßen geht es zum Rhein, eine größe Gruppe rennt los, die Polizei muss auch laufen. Ich komme kaum hinterher. Am Rheinufer in Höhe des Musical Domes ist einer der symbolischen Blockadepunkte: Die Delegierten der AfD sollen spüren, dass sie unerwünscht sind. Die Polizei hat alle Zugänge abgesperrt. Gut zwei Stunden wird die symbolische Blockade gehalten. Einige haben Plastiktüten mitgebracht, viele setzen sich bei wenig einladendem Wetter auf den Boden. Es bleibt hier wie auch den Rest des Tages deutlich friedlicher als bei einem FC-Spiel oder an Karneval.
Nach 90 Minuten gehe ich nach einer Überprüfung meiner Papiere am Rheinufer entlang durch die Kölner Innenstadt. Es ist eine gespenstische Atmosphäre. Ein Restaurant am Rheinufer hat geöffnet, kein einziger Gast ist zu sehen.
AfD: Ausschluss der Presse
Sieben Wochen lang gab es am Samstagabend Protesttransparente vor dem Maritim. Nun herrscht dort eine gespenstische Leere: Mit Ausnahme
der sehr zahlreichen Polizisten sind nur vereinzelten AfD-Delegierte zu sehen, darunter Wolfgang Gedeon, dem antisemitischer Äußerungen vorgeworfen werden. Das gesamte Umfeld des Maritim ist großflächig abgesperrt. Es ist eine Scheinwelt, die sich die AfD aufgebaut hat. Und doch bricht die Wirklichkeit an einigen Stellen durch: An der Malzmühle hängt, für alle unübersehbar, ein Transparent mit riesigen Lettern: „Kein Kölsch für Nazis.“ Direkt daneben die Botschaft: „150 Mitarbeiter – 20 Nationen: Wir lieben Vielfalt.“
Ich stehe kurz vor der Polizeisperre, ein Mittfünfziger spricht mich an, von seiner Kleidung optisch nicht ganz dem klinischen AfD-Habitus entsprechend: „Ich komme aus der Friedensbewegung“, beginnt er. Meine schlimmsten Befürchtungen werden noch überboten: Wir hätten nur Mainstreammedien. Da draußen die Leute, und ich erkennbar auch, seien alle vollständig gehirngewaschen. Ich blicke den Friedens-AfDler ratlos an: „Alle außer Ihnen?“ Ja, alle. Auch ich sei verblendet. Er hat mich durchschaut. Ich gehe ins Maritim.
Eine alternative Pressekonferenz
Wenig später wird dort die Neu-Entdeckerin des Völkischen, Frauke Petry, sie kommt diesmal in rotem Kleid, in schon brutaler Weise gedemütigt. Sie hat es gewagt, einen Höcke zu bremsen. Das wird in einer Gauland-Poggenburg AfD nicht geduldet. Petry ist Vergangenheit, daran kann kein Zweifel bestehen. Meuthen beklagt unter stürmischen Beifall: „Ich sehe kaum noch Deutsche auf den Straßen.“ Ich blicke raus: Stimmt nicht: Ich sehe nur deutsche Polizisten.
Man fühlt sich an Putins Moskau erinnert: Der Deutsche Journalisten Verband gibt auf der ersten Etage des Maritim eine eigene Pressekonferenz, für alle Kollegen, die von der AfD ausgesperrt wurden. Auch Liane Bednarz ist anwesend. Sie hat die klügsten, kenntnisreichsten Analysen zur AfD vorgelegt – und darf nicht zum Parteitag. Auch Frank Überall, Bundesvorsitzender der DJV, wird trotz Akkreditierung anfangs der Zugang verweigert. In seiner Pressekonferenz bezeichnet er die AfD als eine verfassungsfeindliche Partei.
Mehr als 20.000 Demonstranten
Ich gehe auf den Heumarkt: In den zurückliegenden Wochen haben nahezu ausschließlich Gruppen des bundesweiten Bündnisses Solidarität statt Hetze und Köln gegen Rechts die Proteste organisiert. Drei Tage zuvor hatten sie sich vor Gericht den Heumarkt als Ort ihrer Kundgebung erstritten. Abseits von diplomatischen Floskeln sei angedeutet: Es waren zwei Parteifunktionäre, die den seit 25 Jahren bestehenden, pluralistischen Protestkonsens in der Arsch-huh Stadt Köln hinter dem Rücken ihrer eigenen Gruppierungen gezielt zerstört haben: Der machthungrige Kölner SPD-Vordere Jochen Ott und der wie stets servile ehemalige KBWler Jörg Detjen von den Linken. Aus dem Protest gegen die demokratieferne AfD wollen sie Parteipolitik machen – und die zahlreichen, in Köln gegen Rechts vereinten Gruppierungen ausbooten.
Dies geht gründlich daneben. Die Karnevalisten und Musiker verabschieden sich angesichts der offenkundigen Parteipolitik als erstes und machten am inneren Grüngürtel ihr eigenes buntes Fest. Es gibt auch politische Reden, aber Politiker dürfen bewusst nicht auftreten. Eine kluge Entscheidung. Wohl 5000 – 7000 Menschen versammeln sich ab 14 Uhr. Die parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker spricht in ihrer Grußbotschaft Klartext: „Erst gehen die Parolen spazieren, und dann die Messer.“
In der Innenstadt zieht sich ab 11 Uhr ein riesiger, nicht enden wollender Protestzug von wohl 20.000 Menschen von Solidarität statt Hetze durch die Stadt. Es bleibt bis auf ganz wenige Ausnahmen friedlich. Die meisten Geschäfte bleiben wegen Mathies grotesker Gewaltszenarien geschlossen. Wenige Stunden später äußern viele Gewerbetreibende ihren Unmut über dessen „Panikmache“ und „übertriebene Sicherheitsvorkehrungen“. Der spätere Protestzug von Köln stellt sich quer dürfte deutlich kleiner gewesen sein, dafür jedoch sehr viel betagter. „Köln bleibt bunt“ war die verbindende Losung des Tages. Die AfD als Ausgrenzung, Antisemitismus und rassistische Hetze schürende Partei ist in Köln unerwünscht.
Den Abschluss bildet am Sonntagmittag ein lautstarkes Konzert mehrerer Punkbands auf dem Heumarkt: „Auf Nimmerwiedersehen AfD“ ist die Botschaft. Selbst die völkische AfD versteht die unüberhörbare Botschaft: Zahlreiche Delegierte öffnen ungläubig die Fenster des Speisesaals. Die amerikanische Punkband Anti-Flag macht auf ihrem Weg nach Luxemburg einen 30-minütigen musikalischen Zwischenstopp auf dem Heumarkt: Was die AfD für Deutschland ist das sei Trump für die USA: „Beide wollen Rassismus, Sexismus und Homophobie zur Normalität werden lassen, das müssen wir verhindern”, ruft ihr Sänger Justin Sane. Der Beifall ist groß.