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Kein Durchkommen für Neonazis in Halle

 

Nach stundenlangem Warten, mussten die Neonazis wieder zurück in den Bahnhof © Katia Vasquez Pacheco

In Halle haben sich zum 1. Mai nach einer mehrmonatigen Mobilisierung laut Polizeiangaben 500 Neonazis aus dem gewaltbereiten Spektrum zum „gemeinsamen Arbeitskampftag“ versammelt. Sie stammten vorwiegend aus dem Spektrum der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ sowie aus dem völkische „schwarze Block“, der sich als „Antikapitalistisches Kollektiv“ bezeichnet. Dieser vom Aussehen und Selbstinszenierung her dem linken „schwarzen Block“ ähnelnde Kreis von „autonomen Nationalisten“ tritt seit einigen Jahren bei Neonazidemonstrationen als feste, gewaltbereite, sich selbst inszenierende Formation auf. Insbesondere für einige „aktionsorientierte“, entwurzelte Jugendliche ist er attraktiv.

Text: Susanne Müller, Fotos Katia Vasquez Pacheco

Vor genau einem Jahr waren ein Zusammenschluss dieses Blocks sowie der rechtsextremen Kleinstpartei „Der III. Weg“ noch gemeinsam im ostdeutschen Plauen aufgetreten. 900 Neonazis versammelten sich seinerzeit. Es kam zu massiven Gewalttätigkeiten mit der Polizei sowie auch mit Gegendemonstranten. Unmittelbar danach kam es zu internen Abspaltungen bezüglich der Frage der Disziplin und des Agierens unter Alkoholeinfluss. Der „III. Weg verabschiedete und bezeichnete einen Teil der Demoteilnehmer als „Pöbel“.  Der III. Weg trat nun am 1. Mai in Gera mit 380 Personen auf. Ein breites Bündnis, das sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber umfasste, nahm gegen sie Stellung.

© Katia Vasquez Pacheco

An dessen Stelle trat nun in Halle die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ (unter Christian Worch), die auch als Anmelderin in Erscheinung trat. Diese war vor allem aus dem Verbot des „nationalen Widerstandes Dortmund“ im Jahr 2012 hervor gegangen und hat dort heute einen Stützpunkt, einschließlich eines Stadtratsmitgliedes. In Halle hatte die letzte 1. Mai Neonazikundgebung vor sechs Jahren stattgefunden, mit mehreren 100 Teilnehmern.

© Katia Vasquez Pacheco

In Halle gibt es seit Jahren ein ausgeprägtes rechtsextremes Milieu: vor allem im durch soziale Probleme gekennzeichneten Ortsteil Silberhöhe sind sie aktiv. Insbesondere die „Brigade Halle“ verbreitet ein Klima der Angst. Ihre organisierte Hetze gilt vor allem dort lebenden ethnischen Minderheiten wie den Roma. Sie verübe auch, berichten Fotojournalisten, ganz offen Übergriffe gegen Journalisten. Ihr Gewalt verbreitendes Agieren wurde 2015 in einem ausführlichen Beitrag des Fernsehmagazins Report dokumentiert. Auch die von dem umtriebigen Rechten Sven Liebig (sein Name wird teils auch als Sven Liebich geschrieben) geprägten Montagsdemonstrationen fanden in Halle in den zurückliegenden zwei Jahren teils mehrere 100 Teilnehmer. Die AfD spielt in Halle hingegen keine Rolle mehr: Bei der Kommunalwahl 2014 hatte sie zwar drei Sitze errungen, ihre Fraktion löste sich jedoch nach kurzer Zeit auf. Die NPD hat einen Sitz im Stadtrat.

© Katia Vasquez Pacheco

Ein breites Bündnis aus Halle hatte seit Monaten gegen diese Nazikundgebung mit ihren 500 Teilnehmern organisiert. Nach Angaben von Antifagruppen kamen bei den Gegendemonstrationen insgesamt 4000 Teilnehmer zusammen, die in drei Demonstrationszügen liefen. Die Gewalt ausstrahlenden Nazis wurden durch zehn Blockaden am Laufen gehindert, was ihre Aggressivität erhöhte. Um 12 Uhr hatte ihr Demonstrationszug starten sollen, um 13 Uhr wurde ihnen mitgeteilt, dass sie nur eine Standkundgebung machen dürfen. 90 Minuten später wurden sie in ihrem Kessel zu ihren Zügen geleitet, viele Gegendemonstranten feierten anschließend ein Fest. Pressejournalisten wurden die meiste Zeit über nicht an den Block der Neonazis herangelassen, ihre Presseausweise wurden teilweise einbehalten. Die Polizei sprach anschließend von fünf verletzten Polizisten. Ein 34-Jähriger habe mehrere verfassungsfeindliche Symbole auf seinen Nacken tätowiert und offen getragen.

© Katia Vasquez Pacheco

Im 35 Kilometer nördlich gelegenen Köthen fand einige Stunden später bei der Rückreise noch eine kleine Nazi-Spontandemo statt; ein Jugendlicher wurde von ihnen angegriffen. Antifagruppen sprachen anschließend von einem „respektablen Desaster“ der militanten Neonazis. Ihr Versuch, durch Halle zu marschieren, sei „auf ganzer Linie gescheitert“. Der „antikapitalistische Block“ der Nazis beklagte sich auf Facebook hingegen anschließend bitter über das Verhalten der Polizei. Martialisch verkündeten er: „Denn was haben wir noch zu verlieren außer ein Leben in Unfreiheit und Unterdrückung?“

© Katia Vasquez Pacheco