In Mönchengladbach ist ein Neonazi tot aufgefunden worden. Obwohl er sich offenbar selbst getötet hatte, ist die rechtsextreme Szene in Aufruhr: Der Verstorbene gehörte dort zu den bekanntesten Figuren.
Von Jennifer Marken
Am Mittwochabend ist ein 32-jähriger Mann in der Innenstadt von Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen vor einem Museum auf einer Treppenanlage tot aufgefunden worden. Er lag in einer Blutlache und hatte Stichverletzungen. Kursierten anfangs noch Meldungen von einem Mord durch Medien und soziale Netzwerke, stellten Rechtsmediziner am Donnerstag fest, dass der Mann sich das Leben genommen hatte. Neben der Todesursache bestätigte die Polizei auch die Identität des Verstorbenen: Es handelt sich um den Bremer Neonazi Marcel K.
K. erlangte als einer der Hauptorganisatoren der Kölner Hogesa-Kundgebung vom Oktober 2014 sowie als Schlagzeuger einer Bremer Neonaziband Bekanntschaft. Mit seinem Spitznamen Captain Flubber gehörte er seit vielen Jahren zum bundesweit gut vernetzten Zentrum der Hooligan Szene.
2005 gründete sich die Neonaziband VollKontaCt. Der gedrungen wirkende K. spielte das Schlagzeug. Die Gruppe verstand sich als musikalisches Sprachrohr gewaltsuchender Hooligan-Fußballfans, 2006 und 2007 erschienen zwei Alben. Die Texte darauf handeln von Fußball, Gewaltexzessen, Männerfreundschaften und Schlägereien. Alle Bandmitglieder gehörten der rechten Bremer Hooligan-Szene an, distanzierten sich aber auch schon einmal formal von rechtsradikalen Positionen. In dem Song „Kotz dich aus“ – auf YouTube hat er knapp 50.000 Aufrufe – heißt es (Schreibweise im Original): „Das Sie einem die Zukunft verbauen und Dir den Arbeitsplatz nehmen / Das die Leute über dich richten, die einem nicht mal Nahe stehen / Das deine Frau dich verlässt, weil Sie es nicht mehr erträgt / Dann bleibt nur purer Hass, den man in sich trägt.“ 2008 löste sich die Band auf.
Hauptorganisator bei HoGeSa
Im Oktober 2014 erlangte K. auf der berüchtigten Kölner Hooligan-Demonstration HoGeSa (Hooligans gegen Salfisten) mit 4.500 gewaltsuchenden, großteils betrunkenen Hools bundesweite Bekanntheit: Er fungierte als „Regionalleiter Nord“ und trat als zentrale, körperlich imposante, stark tätowierte Führungsfigur in Erscheinung. Aus Bremen und Hamburg reisten Dutzende von ansonsten miteinander verfeindeten Hooligans nach Köln, um „Salafisten zu jagen“. Dass überhaupt keine Salafisten anwesend waren, störte den Gewaltrausch in keinster Weise.
Auch bei einer Neuauflage der Demonstration im Oktober 2015 trat K. gemeinsam mit seinem Mönchengladbacher Kumpel Dominik R. (ehemals Pro NRW) auf. Die Veranstaltung war ein Flop.
Wenig später machte K. bei der HoGeSa-Abspaltung „Gemeinsam Stark Deutschland“ mit. Er bezeichnete sich selbst als einer ihrer Gründer. Im Januar 2016 traten sie im selbsternannten „Nazikiez“ Dortmund auf, Anmelder war K. In einem Video auf YouTube rief er „alle Patrioten aus Deutschland“ zur Teilnahme auf.
Die vom Verfassungsschutz mit Aufmerksamkeit beobachtete Veranstaltung war eine Vollpleite: Der Dortmunder Polizeipräsident hatte wegen der „gewaltsuchenden Gruppierungen“ nur eine Standkundgebung erlaubt und keinen Demonstrationszug. Ein Großteil der 500 Teilnehmer suchte lieber Kneipen auf, nach einer Stunde waren nur noch 120 Demonstranten da. Am 9. April 2016 dann trat K. gut gelaunt – mit seinen Markenzeichen Irokesenschnitt, Tätowierungen und dicker Goldkette – als Mitorganisator einer Kundgebung in Magdeburg mit 700 Neonazis auf.
Die Szene gedenkt des Verstorbenen
Um 18 Uhr findet heute am Fundort der Leiche vor dem Mönchengladbacher Museum Abteiberg eine Gedenkfeier statt. K.s Weggefährte Dominik R. veröffentlichte auf Twitter ein gemeinsames Kneipen-Foto mit dem Verstorbenen und rief zur Teilnahme auf. Es kursieren Schätzungen, dass Hunderte Neonazis kommen werden.
Im Netz sind trotz des bestätigten Suizids in den letzten Stunden zahlreiche Aufrufe von Rechtsextremen aufgetaucht, einen angeblichen Mord an K. zu rächen. In etlichen Nachrichten auf Twitter ziehen Nutzer das Ergebnis der Obduktion in Zweifel, spekulieren wild über eine vertuschte Tötung.
In NRW dürften unruhige Tage und Wochen bevorstehen. Neonazi-Experten warnen ausdrücklich vor einer Konfrontation mit dem rechten Milieu. Die linke, satirisch angehauchte Seite Königlich-bayerische Antifa ruft Aktivisten dazu auf, „extrem vorsichtig zu sein“. Zu erwarten sei, dass Rechtsextremisten beim Ausleben von Rachefantasien „nicht (…) besonders wählerisch sein werden“.
Hilfe und Beratung
Suizidgedanken ähneln einem Teufelskreis, der unausweichlich scheint, sich aber durchbrechen lässt. Häufig sind sie eine Folge psychischer Erkrankungen wie Psychosen, Sucht, Persönlichkeitsstörungen und Depressionen, die mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden können.
Betroffene finden zum Beispiel Hilfe bei der Telefonseelsorge unter den Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym, kostenlos und wird weder von der Telefonrechnung noch vom Einzelverbindungsnachweis erfasst. Direkte Anlaufstellen sind zudem Hausärzte sowie auf Suizidalität spezialisierte Ambulanzen in psychiatrischen Kliniken, die je nach Bundesland und Region unterschiedlich organisiert sind. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Beratungsangeboten für Menschen mit Suizidgedanken gibt es etwa auf der Website der Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention.