Das Neonazitreffen Tage der nationalen Bewegung im thüringischen Themar wurde zum Reinfall, weil Menschen vor Ort mobil gemacht haben. Dennoch trauen sich viele nicht, sich den Rechten entgegenzustellen.
Von Johanna Glaser
Vor zwei Jahren sorgte das Städtchen Themar im Süden von Thüringen für Empörung: 6.000 Neonazis feierten sich selbst auf dem Rechtsrock-Festival Tage der nationalen Bewegung, zeigten Hitlergrüße. Die Polizei, deutlich unterbesetzt, schritt nicht ein, Protest von Anwohnern war kaum wahrnehmbar. Themar war überfordert. Doch der Schock aus dem Jahr 2017 scheint für die Gemeinde ein heilsamer gewesen zu sein. Als die Rechtsextremen an diesem Wochenende erneut einfallen, treffen sie auf etwas anderes: Gegenwehr.
Auf dem Gelände herrscht Alkoholverbot, Polizisten beschlagnahmen Bierfässer. Eine Tankstelle, an der sich die Gäste in den Vorjahren eingedeckt haben, hat die Polizei vorsorglich als Hauptquartier gemietet. Besucher, die rechtsextreme Symbole zeigen oder sie als Tattoos tragen, bekommen Strafanzeigen.
Spießrutenlauf für Neonazis
Wenn aber eines auf die Stimmung der Rechtsextremen drückt, dann der Protest der Bürger. Am Ende des Fußwegs zum Festivalgelände müssen die Besucher durch eine Art Spalier laufen. An einer Angel baumelt eine leere Bierdose, das „letzte Bier vor Themar“. Ein Empfangskomitee ruft „Prost“ und „Schande“. Als die einzelnen Grüppchen eintreffen, wird eine Gelächter-Tonspur abgespielt – wie bei einer Sitcom. Dem setzt später die Polizei ein Ende, zu viel der Provokation. Teilnehmer und Protestierende sind sich ganz nah, getrennt nur durch ein Gitter.
Das Konzertgelände ist von Gegenveranstaltungen umgeben. Zu einem Fest des Bündnisses für Demokratie und Weltoffenheit sind Gruppen aus Weimar und Erfurt gekommen, dazu die Vereinigung Omas gegen rechts aus Frankfurt. Die Moderatorin Dunja Hayali sowie Thüringer Politiker wie Innenminister Georg Maier und Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee treffen ein.
Anders als in den vergangenen beiden Jahren hat der Ort bundesweite Unterstützung gefunden. Um die 800 Aktivisten machen Stimmung gegen rechts. Und dennoch: Viele haben das Gefühl, dass das nicht reicht. Viele vermissen ihre Nachbarn, Bekannten, Vereinsmitglieder. Christoph, ein junger Mitstreiter des Bündnisses, sagt, vor allem Jugendliche aus Themar seien zu gleichgültig gegenüber dem, was in ihrer Heimatstadt passiere. Seine Freunde stünden der Sache skeptisch gegenüber und wollten mit ihren Kindern nicht zum Demokratiefest, auch wenn es dort friedlich sei.
Längst nicht alle Bürger ziehen mit
Am Nachmittag werfen Spaziergänger neugierige Blicke auf das Geschehen. Einige von ihnen standen bei der letzten Stadtratswahl für Frencks Bündnis auf der Liste. Für die sei es nur noch ein kleiner Schritt, bis sie sich in das Rechtsrock-Zelt begeben, sagt Dagmar, eine Aktivistin auf der Gegenveranstaltung. Sie hat sich mittlerweile damit abgefunden, im Ort nur einen kleinen Teil zu erreichen. Zu unpolitisch, zu verärgert seien viele Menschen über Einschränkungen wie Straßensperrungen und über die mediale Aufmerksamkeit, die Themar immer wieder bekommt.
Falsche Bilder von den Rechten
Ein Konzert mitten auf dem Marktplatz, die direkte Konfrontation mit den Nazis, überlegt sie, könnte vielleicht zu einem Umdenken führen. Denn viele hätten ein Bild von den Neonazis als „ordentliche Jungs“. Auch wenn die rechten Besucher mit ihrem brachialen Auftreten, mit T-Shirts und Tattoos immer knapp an der Grenze zum Verfassungsfeindlichen alles täten, um ihr gewaltbereites Image zu pflegen.
Beim Abbau des bunten Protests ist aus dem großen Zelt nebenan ein Gedenken an den „ermordeten Rudolf Heß“ zu hören, „ein Vorbild für uns und unsere kampfbereite Jugend“. Ein „neuer Bundesführer“ solle die „Reconquista Germania“ einleiten, beschwört ein Redner sein Publikum. Ein Chor von etwa 700 Neonazis stimmt zu.
Wenige Meter weiter, am Stadtrand von Themar, grillen Familien in ihren Vorgärten. Und freuen sich vielleicht darauf, dass wenige Stunden später, wenn das Konzert der letzten Naziband verklungen ist, ihr Ort wieder ein ganz normaler sein kann.