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AfD-Kandidaten am rechten Rand

 

Baden-Württemberg wählt einen neuen Landtag. Recherchen zeigen: Etliche Kandidaten der AfD pflegen enge Verbindungen zu Rechtsextremen – und versprühen Hetzrhetorik.

Von Timo Büchner

Landtag in Baden-Württemberg: Der baden-württembergische Landtag in Stuttgart © dpa/Sebastian Gollnow
Der baden-württembergische Landtag in Stuttgart © dpa/Sebastian Gollnow

Gerade in Zeiten der Covid-19-Pandemie ist der Marktplatz der badischen Kleinstadt Lörrach ein ruhiges Plätzchen. Anders vor knapp zwei Wochen, als die AfD eine ihrer wenigen Kundgebungen dieser Tage veranstaltet. Über den Platz hallt die Stimme des Freiburger Stadtrats und Rechtsanwalts Dubravko Mandic. Derzeit trage man zwar Masken, sagt er, „aber nur so lange, bis wir uns durchgesetzt haben, dann zahlen wir ihnen alles heim!“ Rund 100 Anhängerinnen und Anhänger jubeln ihm zu, als er droht: „Machen Sie Ihr Kreuz, wir machen den Rest!“

Die Rhetorik der AfD pendelt ungebrochen zwischen kämpferisch und hetzerisch, auch vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg am kommenden Sonntag. Doch gerade im Südwesten häufen sich Extrembeispiele – wie das von Hardliner Mandic, der über seine Partei einst geschrieben hatte: „Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte.“

Kandidaten mit Vorliebe für den Flügel

Kritiker sehen die Lage noch weitaus ernster: „Die baden-württembergische AfD ist ein Sammelbecken der extremen Rechten. Hinter der Fassade einer Alternative und vermeintlichen Bürgerrechtspartei steckt eine Partei, die eine brandgefährliche Melange aus Rassismus, Nationalismus und Antifeminismus schürt“, sagt Janka Kluge, Pressesprecherin der Initiative adiz. Der Zusammenschluss unabhängiger Rechercheure, die sich seit Jahren mit der extremen Rechten in Baden-Württemberg beschäftigen, hat in einer Übersicht die Netzwerke der AfD-Kandidatinnen und -Kandidaten offengelegt. Das Ergebnis: etliche Berührungspunkte in das Milieu von Neonazis und Nationalisten.

Besonders augenfällig sind Verbindungen der Bewerber zur rechtsextremen AfD-Strömung Flügel – einem Parteinetzwerk völkisch-nationalistischer Kräfte um den Thüringer Björn Höcke und den Brandenburger Andreas Kalbitz. Der Flügel hatte sich nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr aufgelöst, nachdem der Verfassungsschutz ihn unter Beobachtung gestellt hatte.

Unterstützung von Björn Höcke

Laut der adiz-Recherche können 15 von 70 Erstkandidaten dem Flügel zugerechnet werden – das entspricht mindestens einem Fünftel der Wahlkreise. Grundlage sind die Unterzeichnerlisten mehrerer Erklärungen extrem rechter Kräfte. Die wichtigste Erklärung ist die sogenannte Erfurter Resolution, die Björn Höcke im Frühjahr 2015 aufgesetzt hatte. Sie richtete sich gegen den damaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke. Die Unterzeichnerinnen der Resolution nannten sich eine „Widerstandsbewegung gegen die Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“. Rückblickend markierte das Dokument die Geburtsstunde des Flügels.

Zu den Getreuen der rechten Initiative gehört die Kandidatin Christina Baum, Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Main-Tauber und enge Vertraute von Höcke. Baum gelte „als süddeutsche Stimme des Flügels“, sagt Kluge. Bereits 2015 und 2016 sprach die Politikerin auf dem Domplatz im thüringischen Erfurt – als exklusive Gastrednerin von Höckes Demonstrationen gegen die Migrationspolitik der Bundesregierung. Im Vorfeld der baden-württembergischen Landtagswahlen 2016 und der Bundestagswahlen 2017 wiederum lud sie Höcke in den Main-Tauber-Kreis ein. Nach Informationen, die ZEIT ONLINE vorliegen, plante sie, Höcke im November 2020 erneut einzuladen. Aber die Veranstaltung fiel wegen der Pandemie aus.

Offener Judenhass

Baum spielt seit Jahren auf der Klaviatur der extremen Rechten. Bereits 2015 behauptete sie in ihrer Bewerbungsrede zur AfD-Landesvorsitzenden, die „Asylpolitik der Grünen“ führe zum „schleichenden Genozid an der deutschen Bevölkerung“. In den folgenden Jahren sprach sie von „Bevölkerungsaustausch“, „Islamisierung“ und „Umvolkung“ und forderte die Abschaffung des Volksverhetzungsparagrafen im Strafgesetzbuch. Zudem lobte sie die extrem rechte Identitäre Bewegung, schließlich wende sich diese bloß „gegen Multikulti-Wahn, unkontrollierte Massenzuwanderung und den Verlust der eigenen Identität durch Überfremdung“.

Auf dem Lörracher Marktplatz sprach Baum neben dem Einpeitscher Dubravko Mandic, außerdem mit dem Freiburger Kandidaten Karl Schwarz sowie dem früheren AfD- und inzwischen fraktionslosen Landtagsabgeordneten Heinrich Fiechtner. Die Wahlkundgebung bot die übliche Mixtur aus Elitenhass und Medienhetze. Allerdings stach eine Sache ins Auge: Nachdem Baum die Bühne betreten hatte, rief ein Mann hinter der Bühne lautstark: „Alles ist Rothschild und Rockefeller! Das Judentum gegen das Ariertum!“ Offener Judenhass im Stil der nationalsozialistischen Rassenideologie brach sich Bahn. In diesem Moment richteten sich alle Blicke auf den Mann. Auch Baum schaute zur Seite, vernahm die antisemitische Parole – und schritt nicht ein. Sie grinste.