Berlin-Lichtenberg ist ein Kiez, in dem man morgens beim Brötchenholen von Spätheimkehrern aus der Kneipe schon mal mit einem markigen „Sieg Heil“ gegrüßt wird. Zumindest erging es mir eines Sonntags so. Für den Nachmittag hatte sich Besuch aus Thüringen angekündigt. Also kaufte ich nicht nur ein paar Brötchen, sondern auch ein wenig Kuchen.
Das Verwöhnaroma zog bereits durch die Wohnung, als es an der Tür klingelte. Natürlich gab es ein großes Hallo: Man war erstmalig in die große Stadt aufgebrochen und von den neuen Eindrücken bei der Parkplatzsuche in der hereinbrechenden Dunkelheit doch recht überwältigt. In Berlin gibt es zugegebenermaßen nur einen wenig eindrucksvollen Wald. Der Besuch konnte es sich daher, wie bei Erdbeerschnittchen zu erfahren war, nicht vorstellen, in dieser lebensfeindlichen Stadt länger als zwei Tage Quartier zu beziehen. Och, in Berlin könne man es schon aushalten, erwiderte ich, auch wenn Lichtenberg nicht gerade ein besonders hübsches Viertel sei. Letzteres habe man auch schon bemerkt, bekam ich zur Antwort: „Hier gibt es viele Probleme mit Ausländern, oder?“
Dass es vor allem Probleme mit Nazis gibt, vermochte man sich nicht recht vorzustellen. Und wenn schon: Mit rechten Schlägertrupps habe man so zu verfahren wie mit einem Rudel Kampfhunde: Kehle zeigen, dann passiert vielleicht nichts. Und in der DDR habe es damals solche Probleme ohnehin nicht gegeben – weil es ja keine Ausländer gab, die man hätte zusammenkloppen können: Ausländer raus, dann beruhigen sich auch die Rechten wieder.
Es gibt die sozialarbeiterische Ansicht, Rechtsradikalismus als eine Form einer alternativen Subkultur anzusehen. Von einer akademischen Warte aus ist das weder falsch noch uninteressant. Was sie aber gefährlich macht, sind nicht allein jugendkriminelle Auswüchse: Es ist der Rückhalt, den sie in der ostdeutschen Bevölkerung genießt. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird nicht nur mit enthalster Bierflasche gelebt. Sondern bei Jacobs Krönung und Erdbeerschnittchen mit Sahne.