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Behörden lassen rechtsextremen Fackelmarsch gewähren

 

NS-Verherrlichung mit Masken und Fackeln (Screenshot)
Bereits 2012 hatte es in der Stadt einen Fackelmarsch für den NS-kriegsverbrecher gegeben (Screenshot)

Ungestört konnten mehrere Dutzend Neonazis am Abend des Volkstrauertages Neonazis in Hennigsdorf (Oberhavel) einen Fackelmarsch zum Gedenken an den im Oktober verstorbenen Kriegsverbrecher Erich Priebke abhalten. Es war nicht das erste Mal. Diesmal wusste die Polizei aber von nichts, aber auch die Anwohner hegten keinen Argwohn.

Von den PNN-Autoren Peter Huth/Alexander Fröhlich

Am Abend des Volkstrauertages haben Neonazis in Hennigsdorf (Oberhavel) einen Fackelmarsch zum Gedenken an den im Oktober verstorbenen Kriegsverbrecher Erich Priebke abgehalten. Doch weder die Behörden schritten am vergangenen Sonntag wegen einer internen Panne ein noch störten sich offenbar Anwohner an dem rechten Aufzug im Fackelschein auf ihren Straßen – niemand alarmierte die Polizei. Polizei und Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung.

Das Innenministerium bestätigte den PNN am Mittwochabend, dass die Polizei am Montag von der Stadtverwaltung entsprechend über den Fackelmarsch informiert worden ist. Polizei und Verfassungsschutz betonten aber, dass sie im Vorfeld von der rechten Aktion nichts wussten. Nach Informationen der PNN soll Freitagmittag eine Demonstrationsanmeldung per E-Mail bei der Hennigsdorfer Stadtverwaltung eingegangen sein. Dort aber waren die Mitarbeiter wohl schon im Feierabend. Sie sahen die E-Mail mit der Anmeldung des Fackelmarsches erst am Montag und leitete diese mit vier Tagen Verspätung an die Polizei weiter. Doch auch zwischen den Ermittlungsbehörden gibt es offenbar Schwierigkeiten. Die Polizei will entgegen den Angaben des Innenministeriums erst am Dienstag von dem Aufmarsch erfahren haben. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin bekam erst am Mittwoch Kenntnis davon. Dort herrscht Verwunderung über die Polizei

Demnach stand der Aufzug unter dem Motto: „In tiefer Erinnerung an die gefallenen Helden.“ Hennigsdorf ist die Geburtsstadt des NS-Kriegsverbrechers Priebke, der wegen eines 1944 in Italien verübten Massakers verurteilt worden war und im Oktober verstorben ist. Er war kürzlich in Italien aus Sorge vor einem neuen Wallfahrtsort für Neonazis an geheimer Stelle beigesetzt wurde.

Im Zuge der Ermittlungen konnte die Polizei in Erfahrung bringen, dass zur fraglichen Zeit eine Gruppe von 20 bis 25 Personen gesehen wurde. Andere Quellen gehen von 30 bis 50 Personen aus. In einer anonym an mehrere Redaktionen verschickten E-Mail heißt es, dass 65 Demonstranten „des kürzlich verstorbenen SS-Hauptsturmführers Erich Priebke“ gedachten. In der E-Mail wird Priebke als Märtyrer beschrieben.

Nach PNN-Informationen sollen die Neonazis vom Friedhof in Hennigsdorf quer durch die Stadt bis zum zentralen Postplatz am S-Bahnhof mit Fackeln und Transparenten marschiert sein. Allerdings hat das rechte Treiben im Schein von Fackeln bei den Anwohnern in Hennigsdorf wohl kein Unbehagen ausgelöst. Am Sonntagabend hat es jedenfalls von Anwohnern keine Beschwerden oder Anrufe bei der Polizei gegeben. Mitarbeiter des städtischen Friedhofs sollen zudem am Montag ein Foto des NS-Kriegsverbrechers Priebke samt Blumengebinde gefunden haben.

Nach PNN-Informationen hatte der 24-jährige Rechtsextremist Marvin Koch aus Neuruppin den Aufmarsch angemeldet. Der Mann soll ein führender Kader der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ sein, der schon mehrfach als Anmelder auch von NPD-Veranstaltungen in Erscheinung getreten ist. Ermittelt wird jetzt offiziell wegen Volksverhetzung, laut Polizei gegen unbekannt, laut Staatsanwaltschaft aber gegen mehrere namentlich bekannte Teilnehmer des Aufmarsches.

Mitte Oktober war Marvin Koch in Pasewalk (Mecklenburg-Vorpommern) aufgefallen, als er versuchte, mit mehreren Brandenburger Neonazis eine Kette von Polizisten zu durchbrechen, die ein illegales Rechtsrockkonzert unterbinden wollten. Mit den Worten „Wir machen sie nieder!“ soll er sich auf die Polizisten gestürzt haben. Die Beamten sprachen von einer äußerst aggressiven Stimmung unter den etwa 100 anwesenden Rechtsextremisten, die Flaschen und Steine auf die Polizisten warfen. Gegen Marvin Koch wird seitdem wegen Landfriedensbruch ermittelt.

Bereits im vergangenen Jahr hatte es in Hennigsdorf einen Aufmarsch von Neonazis aus Berlin und Oberhavel am Geburtstag Priebkes im Juli gegeben. Anwohner hatten damals aber – im Gegensatz zu vergangenem Sonntag – die Polizei alarmiert. Zuvor hatte Robert Wolinksi, ein Funktionär der NPD im Landkreis Oberhavel in einem Lokalblatt eine Geburtsgrußanzeige in einem Lokalblatt unterbringen können.

Die Polizei hatte dann bei dem Aufmarsch 30 bis 50 vermummte Teilnehmer gezählt und konnte nur einige Beteiligte stellen. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt seither wegen des Verdachts der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Volksverhetzung und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Sogar eine Belohnung in Höhe von 1000 Euro wurde für Hinweise zu den Drahtziehern des Aufmarsches ausgesetzt – aber ohne Erfolg. Hinter dem damaligen Fackelmarsch soll maßgeblich das Berliner Neonazi-Netzwerk „Nationaler Widerstand“ – NW Berlin – stecken. Auf dessen Internetseite waren damals Fotos und Text zu dem Aufmarsch veröffentlich worden.