Sandhandschuhe und einen Schlagstock hatten eine Gruppe Neonazis schon eingepackt, als sie sich am Abend des 2. November 2013 zum „Night Groove“ in Euskirchen, einem Kneipenmusikfestival, aufmachte. In der Nacht traf die Gruppe dann auf türkischstämmige Jugendliche. Die Rechten beleidigten die Jugendlichen rassistisch, jagten sie durch die Innenstadt und schlugen sie zusammen. Dafür wurden drei der Angreifer nun vor dem Jugendschöffengericht in Euskirchen zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Die Kammer befand alle drei Neonazis der gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung für schuldig und verurteilte die Angeklagten zu Haftstrafen von 12, 10 und 6 Monaten, die jeweils auf eine Bewährungszeit von drei Jahren ausgesetzt wurden. Weil der Angeklagte Florian N. im Zuge der Prügelei auch „Heil Hitler!“ gerufen hatte, wurde er zusätzlich wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Auch deswegen erhielt Florian N. die höchste Strafe. Er und der Mitangeklagte Kevin S. müssen außerdem Schmerzensgeld an die Opfer in Höhe von insgesamt 1.400 Euro bzw. 1.300 Euro zahlen. Der hohe Alkoholisierungsgrad von zwei Promille wirkte sich für den dritten Angeklagten Christoph S. strafmildernd aus. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Als die Gruppe Neonazis in der Euskirchener Innenstadt nachts auf zwei türkischstämmige Jugendliche stieß, beschimpften sie die beiden zunächst rassistisch und riefen Parolen gegen „Kanaken“. Aus Angst vor Übergriffen riefen sie telefonisch Freunde zur Hilfe und entfernten sich von den Neonazis, die sie allerdings durch die Innenstadt verfolgten. Ein herbeitelefonierter Freund der Beleidigten versuchte die Situation vor einer Kneipe zu schlichten. Vor Gericht war von gegenseitigen Entschuldigungen die Rede, wobei der Staatsanwalt in seinem Plädoyer dazu bemerkte: „Wofür sollten sich die Angegriffenen entschuldigen? Dafür, dass sie existieren?“.
Die Situation eskalierte als eine unbekannte Person, die mit dem Geschehen zuvor offenbar in keiner Verbindung stand, einem der Rechten ein volles Bierglas entgegen warf. Daraufhin gingen die Neonazis nicht etwa auf den Werfer des Bierglases, sondern auf die Jugendlichen und die herbeigerufenen Freunde los. Die drei Angeklagten schlugen und traten auf ihre Opfer ein. Florian N. benutzte den Teleskopschlagstock und Kevin S. seine Sandhandschuhe. Erst als die Polizei eintraf, ließen die Täter von ihren Opfern ab. Zwei Personen aus der inzwischen etwa fünfköpfigen Gruppe erlitten Verletzungen. Darunter Hämatome an Kopf und Oberkörper, ein Schleudertrauma und eine ausgekugelte Schulter.
Ungeklärt ist weiterhin, wer über die drei Verurteilten hinaus zur Gruppe der Angreifer gehörte. Zeugenaussagen legen den Schluss nahe, dass zur Gruppe der drei verurteilten Neonazis noch weitere Personen gehörten.
Als bekennende Neonazis sind die Angreifer schon öfter aufgefallen. Zuletzt besuchten alle drei gemeinsam am 28. September 2013 einen Aufmarsch der Kameradschaft Pfalzsturm in Kaiserslautern und bekannten sich durch das Tragen entsprechender T-Shirts zur Kameradschaft Eifler Land (KEL). Vor Gericht räumte lediglich Florian N. ein, „bis vor zwei Jahren“ in einer „freien Kameradschaft“ aktiv gewesen zu sein. Er meinte damit vermutlich die Freien Nationalisten Euskirchen (FNE), in deren T-Shirt er ebenfalls bereits eine Demonstration besuchte. In den letzten zwei Jahren sei er hingegen „nicht mehr in einer Gruppierung“. In seiner Jackentasche stellte die Polizei an besagtem Novemberabend eine Gürtelschnalle mit Hakenkreuz sicher. Strafrechtlich ist das nicht relevant, da nur das öffentliche Zeigen des Hakenkreuzes verboten ist. Auch Kevin S. gab an, sich „seit zwei Jahren politisch zurückgezogen“ zu haben. In seiner Tasche fand die Polizei beim Durchsuchen trotzdem etwas, das auf seine rechte Gesinnung schließen lässt: ein Flyer des Ku-Klux-Klan. Die Beantwortung von Nachfragen zu ihrer Gesinnung lehnten alle drei Angeklagten ab.
Seit ein Führungskader der Freien Nationalisten Euskirchen im November 2011 eine Schülerin massiv bedroht hatte und die Polizei Ermittlungen aufnahm, trat die FNE kaum noch öffentlich in Erscheinung. Erst mit der Kameradschaft Eifler Land traten am 14. September 2013 wieder Eifler Neonazis erkennbar nach außen in die Öffentlichkeit – bei einer Demonstration der NPD in Trier. In den letzten Wochen und Monaten wurden auch vermehrt rechte Aufkleber und Sprühereien in Euskirchen, Mechernich, Bad Münstereifel, Kall und Jünkerath gesehen.