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Nürnberger verhindern Nügida-Aufmarsch [mit Bildergalerie]

 

Nügida-Anhänger konnten nicht ungestört marschieren      | Foto: Müller
Nügida-Anhänger konnten nicht ungestört marschieren | Foto: Miller

Mehr als 2000 Gegendemonstranten verhinderten den ersten „Spaziergang“ des Nürnberger Pegida-Ablegers „Nügida“. Auf der Seite der Islamhasser fanden sich rund 120 Demonstranten ein, viele davon aus dem extrem rechten Spektrum. Es kam zu Angriffen auf Polizeibeamte und Festnahmen. Die Organisatoren des Aufmarsches sind dem neonazistischen Spektrum zuzuordnen.

In sozialen Netzwerken warb „Nügida“ seit Wochen für ihren ersten „Spaziergang“. Schon im Januar hatte es in Nürnberg bereits mehrere Kundgebungen und Demonstrationen gegen Nügida und Rassismus gegeben, an denen sich rund 4000 Nürnberger beteiligten. An den heutigen Protesten beteiligten sich nach offiziellen Zahlen rund 2000 Gegendemonstranten bei vier antifaschistischen Kundgebungen.

Die Polizei sperrte große Teile der Südstadt ab, um die Gruppen zu trennen. Schon während des Auftaktes am Annapark kam es vereinzelt zu Flaschen- und Eierwürfen von Seiten der Gegendemonstranten. Nügida-Ordner gingen massiv gegen anwesende Journalisten und Fotografen vor, sodass Spezialeinsatzkräfte der Polizei mehrfach einschreiten mussten.

Als erster Redner trat der Nügida-Anmelder auf, der Enriko K. benannt wurde. Sichtlich nervös verlas K. Auflagen der Stadt Nürnberg. Über den Anmelder der Nügida-Aufmärsche wurde zuvor heftig spekuliert. Die Behörden stufen K. als Person aus dem rechten Spektrum ein. Als weitere Redner traten Michael Stürzenberger und Gernot Tegetmeyer auf, die führende Rollen in der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ einnehmen und vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Tegetmeyer trat zuvor bei der Hogesa-Kundgebung in Hannover auf, bei der er vom „bewaffneten Kampf“ schwadronierte.

Während der Nügida-Demonstration verkörperte Stürzenberger den Einpeitscher am Megafon. So stimmte der 51-jährige mehrfach die rechten Parolen „Hasta la vista antifascista“, „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ und „Es gibt kein Recht auf Linkspropaganda“ an. Nach zweihundert Metern mussten die Nügida-Demonstranten eine Zwangspause einlegen. Mehrere hundert Gegendemonstranten blockierten die Straße, sodass keinerlei durchkommen möglich war. Die Situation war durchweg angespannt. Rechte Demonstranten versuchten mehrfach, die Polizeikette zu durchbrechen, was jedoch von den Einsatzkräften unterbunden wurde.

Nach Verhandlungen mit der Polizei-Einsatzleitung, die angekündigte, die Blockade nicht zu räumen, beschlossen die rechten Islamhasser wieder umzudrehen, um ihre Abschlusskundgebung am Annaplatz zu vollziehen. Ein Organisator drohte dabei, von nun an „jeden Tag“ aufmarschieren zu wollen. Am Annapark stimmte Stürzenberger erneut das Deutschlandlied an und die junge Pegida-Anhängerin Ester Seitz aus Neumarkt trat ans Mikrofon. Nach kurzer Zeit war der Spuk vorbei, die Gegendemonstranten jubelten.

Die Organisatoren von Nügida

Schon im Vorfeld wurde mehrfach über die Hintermänner von Nügida spekuliert. Presseanfragen blieben teils unbeantwortet. Als das Münchner a.i.d.a.-Archiv meldete, dass der ehemalige Nürnberger NPD-Kader Rainer Biller in die Organisation verstrickt sei, distanzierte man sich schnell von Seiten der Islamhasser.

Bei der Kundgebung trat Rainer Biller dann – nach eigenen Angaben – als „Berater von Nügida“ auf. Biller organsierte die Aufstellung der Demonstration und trat mehrfach „für Nügida“ ans Mikrofon. Auch an den Verhandlungen mit der Polizei nahm er als Wortführer teil. Biller gehört zu den schillerndsten Rechten in Nürnberg. Sein politischer Werdegang führte von der NPD, über das Freie Netz Süd nun zur Partei „die Rechte“, bei deren Nürnberger Gründungsveranstaltung er teilnahm. Anfang Januar 2012 plante der ehemalige Swingerclub-Besitzer eine „Holocaust Konferenz“ in Nürnberg. NSU-Opfer verhöhnte Biller im Internet, was ihm eine Verurteilung wegen Volksverhetzung einbrachte.

Als Versammlungsleiter trat Dan E. auf, ein Nürnberger Neonazi, der seit einigen Jahren eng an Billers Seite bei rechten Aktionen mit marschierte. E. nahm in der Vergangenheit immer wieder bei Aufmärschen des verbotenen Freien Netzes Süd teil. Mittlerweile mischt auch E. beim neu gegründeten Kreisverband der Partei „die Rechte“ mit. Juristischen Beistand gab der Fürther Anwalt Frank Miksch, der seit Jahren straffällige Neonazis vor Gericht verteidigt. Als Nügida-Ordner traten bekannte junge Neonazis aus dem NPD-Spektrum auf.

Dem Nügida-Aufmarsch schlossen sich vor allem gewaltbereite und einschlägig bekannte Nazi-Aktivisten an, die bei der Organisation und Durchführung führende Rollen einnahmen. So war es auch kaum verwunderlich, dass neben etlichen Deutschland-Fahnen auch NPD-Schilder mitgebracht wurden. Das Logo der NPD wurde allerdings vorsorglich entfernt. Auch aktive bayerische NPD-Funktionäre wie Heidrich Klenhart waren Teil von Nügida. Im Gespräch mit ZEIT ONLINE gab ein Nügida-Organisator an, der Nürnberger NPD um Stadtrat Ralf Ollert habe man aber „Hausverbot“ erteilt.

Nügida-Aufmärsche bis Ende März geplant

Für den Nürnberger Pegida-Ableger war die erste Demonstration „nur ein mäßiger Erfolg“, wie ein Teilnehmer gegenüber ZEIT ONLINE angab. Bis Ende März wollen sie nun regelmäßig auf die Straße gehen. Beim nächsten Mal soll jeder „einen Freund mitbringen“.

Für die Gegendemonstranten hingegen war der Tag ein voller Erfolg. „Nügida wurde beim ersten Versuch zu marschieren blockiert“, sagte eine Sprecherin der Gegenproteste. Insgesamt kam es nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei zu sieben Festnahmen nach Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, sowie einer Körperverletzungshandlung mit anschließendem Widerstand, einem Steinwurf und dem Zeigen eines Hitlergrußes. Für die Polizei verliefen die Kundgebungen an diesem Tag „insgesamt weitgehend störungsfrei“.

Alle Fotos: © Jonas Miller