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Berliner AfD-Mitglied spricht erneut bei Nazihooligan-Aufmarsch

 

Heribert Eisenhardt, AfD-Vorstandsmitglied im Kreisverband Lichtenberg, neben neonazistischen Hools bei Bärgida am 15. Juni 2015. Im nächsten Moment skandieren sie gemeinsam einen Neonazi-Slogan. (c) apabiz
Heribert Eisenhardt, AfD-Vorstandsmitglied im Kreisverband Lichtenberg, neben neonazistischen Hools bei Bärgida am 15. Juni 2015.  (c) apabiz

Beste Stimmung beim Berliner Pegida Ableger „Bärgida“ am Montag, den 6. Juli 2015: Die neonazistischen Hooligans vom “Bündnis deutscher Hools” haben nach ihrem Redebeitrag und dem obligatorischen animalischem “Ahu”-Gegröhle die improvisierte Bühne verlassen. Als Übergangsmusik wird Nazi-HipHop von A3stus gespielt. Dann ist Heribert Eisenhardt an der Reihe, der statt einer Rede dieses Mal einen schrägen Cover-Song von Tina Turner vorträgt. Hätte der Berliner Landesverband der AfD Wort gehalten, hätte längst ein Parteiausschluss-verfahren gegen Eisenhardt laufen müssen. Doch beim Kreisverband Lichtenberg wird er nach wie vor als deren Vorstandsmitglied gelistet.

Ein Gastbeitrag von Frank Metzger (apabiz)

Das apabiz hatte am 5. Mai in einem Rechercheartikel belegt, dass der AfD-Funktionär Eisenhardt unter dem Pseudonym „Reiner Zufall“ als Mitorganisator und Pressesprecher der extrem rechten Bärgida-Aufmärsche fungiert.(1) Mit dieser Information konfrontiert, zeigte sich Götz Frömming, Pressesprecher der Berliner AfD, ebenso überrascht wie empört. Dem Neuen Deutschland gab er zu Protokoll, dass sich „ein Amt in der Partei und eine Funktion bei einer ‘Bürgerbewegung’“(2) ausschlössen und der Sache nachgegangen werde. In der taz ließ sich Frömming später gar mit der Aussage zitieren, der AfD-Landesvorstand habe sich über ein mögliches Parteiausschlussverfahren gegen Eisenhardt beraten. Von diesem sei dann jedoch abgesehen worden, „da Herr Eisenhardt sich reuig zeigte und versprach, ab sofort nicht mehr dort aufzutreten.”(3)

“Jetzt erst recht!” statt Distanzierung

Sollte es diese „reuige“ Zusage von Eisenhardt tatsächlich gegeben haben, hat er seiner Partei damit eine dreiste Lüge aufgetischt. Denn mitnichten ist er auf Distanz zu Bärgida gegangen, sondern agiert im Gegenteil eher nach dem Motto „Jetzt erst recht!“. Unvermindert tritt Eisenhardt bis heute einerseits bei Bärgida als Redner, Ordner oder eben Sänger auf und geht andererseits weiterhin seinen Aktivitäten in der AfD nach. Seinen Auftritt bei Bärgida am 6. Juli leitete er mit den Worten ein: “Ich bin erst heute morgen um halb drei hier angekommen, weil ich in Essen aufm Parteitag von einer Partei war, deren Namen ich jetzt nicht sage, deswegen konnte ich mich nicht wirklich auf das Thema vorbereiten.” [Gemeint ist der Bundesparteitag der AfD in Essen am 4. und 5. Juli; Anm. d. Verf.]

Mit seiner Beteiligung bei Bärgida geht Eisenhardt einen Schulterschluss mit Neonazis ein. Gerade in den vergangenen Wochen sind neonazistische Bekenntnisse bei Bärgida selbstverständlich geworden und werden offiziell mitgetragen. Bärgida war von Beginn an ein absurdes Sammelsurium der extremen Rechten(4), in das sich immer wieder auch stadtbekannte organisierte Neonazis von und Freien Kräften einreihten. Mittlerweile werden sie jedoch nicht mehr nur geduldet, sondern sind offiziell in die Aufmärsche eingebunden. Die teils stark alkoholisierten Hooligans um , der laut Störungsmelder-Blog einer der führenden Köpfe der HoGeSa nahestehenden Gruppe “Bündnis Deutscher Hools” (B.D.H.) ist(5), bestimmen nicht nur durch lautstarke neonazistische Sprechchöre die Außenwahrnehmung. Immer wieder gibt es ihrerseits Bedrohungen und vereinzelt auch Angriffe auf Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen.(6) Dennoch wurden einige der Hools teilweise als Ordner eingesetzt und hielten am 6. Juli einen Redebeitrag.

Klare neonazistische Bekenntnisse

Bereits am 8. Juni reihten sich NPD-Landeschef Sebastian Schmidtke und eine Handvoll Unterstützer erstmals mit eigenem Transparent bei Bärgida ein. Schon im Vorfeld war offensichtlich entschieden worden, nicht unter dem Label der NPD teilzunehmen. Das Transparent mit der Aufschrift „Asylbetrug macht uns arm“, das Schmidtke und seine Unterstützer trugen, zeigte kein NPD-Logo. Nur zwei Tage zuvor am Samstag, den 6. Juni, hatten NPD-Vertreter beim neonazistischen „Tag der deutschen Zukunft“ in Neuruppin das gleiche Transparent mitgeführt – hier allerdings mit dem klaren Bekenntnis zur Neonazi-Partei.

 

Nicht zuletzt die eingangs beschriebene Situation vom letzten Montag zeigt, dass diese offiziellen Einbindungen von Neonazis für den AfDler Heribert Eisenhardt offenkundig kein Grund sind, auf Distanz zu Bärgida zu gehen. Im Gegenteil: Am 8. Juni lief er demonstrativ das Bärgida-Banner tragend zwei Reihen vor den Nazis der NPD. Eine Woche später, am 15. Juni, zeigte er Einigkeit mit neonazistischen Hooligans. Eisenhardt war an diesem Tag als Ordner verantwortlich und blieb während des gesamten Aufmarsches auf Höhe der Hooligans. Kurz bevor der Aufmarsch den Reichstag und einge der an diesem Tag überraschend vielen Gegendemonstrant_innen passierte, stimmte er über Megaphon den bei Bärgida mittlerweile üblichen neonazistischen Slogan „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ an und wurde wie auf Kommando von den Hooligans lauthals unterstützt.(7)

Die Hooligans präsentieren sich nicht nur in den fast schon obligatorischen martialischen HoGeSa-Shirts. Einige tragen unmissverständliche neonazistische und den Nationalsozialismus verherrlichende Bekleidung. In der Gruppe neben Eisenhardt lief am 8. Juni beispielsweise ein Hooligan mit einem T-Shirt der neonazistischen Bekleidungsfirma „Werwolf Europa“ aus Griechenland. Der Name nimmt offensichtlich Bezug auf die von SS-Chef Himmler zum Ende des 2. Weltkrieges gegründeten „Werwolf“-Einheiten, die bis zur Befreiung durch die Allierten einen hinterhältigen Untergrund- und Freischärlerkampf führten.(8) Der Aufdruck „Freedom Fighter“ auf der Shirt-Rückseite ist nicht nur eine bitterböse Irreführung, sondern kann als offene Bedrohung gedeutet werden. Denn als Bebilderung des angeblichen „Freiheitskampfes“ dienen u.a. zwei gekreuzte Stielgranaten, wie sie im 2. Weltkrieg vom NS-Militär benutzt wurden.

Auch die eigene mediale Nachberichterstattung der jüngsten Zeit wird von neonazistischen Bekenntnissen flankiert. Während bisher eine schon umfangreiche Bild- und Video-Dokumentation der eigenen Aufmärsche über Facebook verbreitet wurde, werden seit eingen Wochen unter dem Titel „Bärgida – Der Film“ zusammengeschnittene Rückblicke veröffentlicht. Teile des Films zum 15. Juni werden dabei mit dem Song „Wenn der Wind sich dreht“ von Faktor Widerstand unterlegt. Bei Faktor Widerstand handelt es sich um ein Bandprojekt der Neonazi-Liedermacherin Annett und Mitgliedern von Noie Werte, einer der bekanntesten deutschen RechtsRock-Bands. Auch für „Bärgida  – Der Film vom 22. Juni“ wurde zur Untermalung mit „CDU, raus bist du“ ein Neonazi-Song von besagter Annett. Zur Untermalung des Videos vom 6. Juli wurde neben einem Song des Nazi-Barden Frank Rennicke außerdem das Lied “Wenn alle untreu werden” genutzt, das in der NS-Zeit als Treuelied der Waffen-SS diente und neben dem Deutschlandlied und dem Horst-Wessel-Lied zu den wichtigsten Liedern des NS-Terrorregimes zählte. Es wundert also nicht, dass der Hauptfilmer von Bärgida neben einigen Nazi-Hools um Enrico Schottstädt und einigen anderen regelmäßigen Bärgida-Teilnehmern am Freitag, den 10. Juli in Marzahn an der rassistischen NPD-Kundgebung gegen die Container-Unterkunft teilnahmen, die anlässlich eines “Tags der offenen Tür” stattfand.

Strategiewechsel der Berliner AfD?

Möglicherweise ist das Nicht-Verhalten der Berliner AfD bezüglich Eisenhardts Nähe zu Neonazis in den letzten Wochen ein erstes Zeichen einer neuen Strategie. Am 19. Mai hatte der AfD-Landesvorstand „einstimmig beschlossen, den ‘Weckruf 2015′ nicht zu unterstützen“(9), mit dem der ehemalige Parteichef Bernd Lucke, Hans-Olaf Henkel und andere allzu offensichtliche, extrem rechte Bestrebungen in der AfD unterbinden wollten. Auch der  Landesverband der Jungen Alternative (JA) hatte sich dagegen ausgesprochen und den ‘Weckruf 2015′ als „politische Bankrotterklärung“ bezeichnet.(10) Seit dem AfD-Bundesparteitag vom vorletzten Wochenende ist die Berliner AfD damit auf Linie des neuen Bundesvorstands. Mit der Wahl von Frauke Petry zur neuen Vorsitzenden hat sich die AfD klar als extrem rechte Partei positioniert. Eisenhardt weiter gewähren zu lassen, könnte nun also eine erste praktische Umsetzung einer Neuausrichtung der Berliner AfD sein. Sollte es aber Ziel der Berliner AfD sein, zumindest zu offensichtlichen Neonazis Distanz zu wahren und zudem als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, kann das nur den Parteiausschluss von Eisenhardt bedeuten.

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(1) http://www.blog.schattenbericht.de/2015/05/gescheiterte-maskerade-afd-funktionaer-ist-mitorganisator-und-pressesprecher-bei-baergida/
(2) http://www.neues-deutschland.de/artikel/970099.afd-funktionaer-soll-8232-sprachrohr-von-baergida-sein.html
(3) https://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2015%2F05%2F20%2Fa0146&cHash=3b4852e2959ee6e5d4bdd8b6e0324af9
(4) Woche für Woche laufen seit Januar 2015 antimuslimische RassistInnen von PI-News und Pro Deutschland neben Neuen Rechten der Identitären Bewegung und extrem rechte HoGeSa-Hooligans, HolocaustleugnerInnen der Europäischen Aktion und anderen antisemitischen VerschwörungsideologInnen.
(5) https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2015/04/13/19060_19060
(6) Ende April war ein türkischer Journalist mit einer Fahnenstange attackiert worden. Am 15. Juni wurde ein Fahrradfahrer, der im Vorbeifahren seinen Unmut gegenüber Bärgida äußerte, zunächst körperlich angegangen und anschließend rassitisch beschimpft.
(7) Darüber hinaus gehören weitere eindeutig neonazistische Parolen zum Bärgida-Repertoire. „Hasta La Vista, Antifascista“ und „Mit Silvio Meier wärt ihr einer mehr“ werden regelmäßig in Richtung der Gegendemonstrant_innen gebrüllt. Mit Letzterem wird der am 21. November 1992 am Berliner S-Bahnhof Samariterstraße von Neonazis ermordeten Antifaschisten Silvio Meier verhöhnt.
(8) Als Schriftart wird zudem „Tannenberg“ genutzt, eine der zentralen NS-Progandaschriftarten.
(9) hxxp://www.afd-berlin.de/2015/05/4813/ [letzter Zugriff: 29. Mai 2015]
Der „Weckruf 2015“ ist seit seiner Initialisierung im Mai 2015 Streitpunkt innerhalb der AfD. Nach einem Bestreben von GegnerInnen urteilte das Bundesschiedsgericht am 23. Juni per „einstweiliger Anordnung“, der „Weckruf 2015“ sei „satzungswidrig“ und daher vom Bundesvorstand aufzulösen. Auf Antrag des AfD Bundesvorstands wurde dieses Urteil am 26. Juni wieder gekippt und der „Weckruf 2015“ somit für rechtens erklärt.
(10) http://jungealternative-berlin.de/?p=154