Am Dienstag verfolgten zahlreiche Zuhörer den Prozess gegen einen Antifaschisten im Amtsgericht Fürth. Er wurde beschuldigt, zwei Neonazis verprügelt zu haben. Von dem Vorfall existiert kein Videobeweis, als Belastungszeugen traten lediglich Rechtsextremisten aus militanten Kameradschaften auf.
Als Neonazis am 18. April 2015 in Fürth eine Kundgebung abhalten wollten, kamen sie nicht weit. Als die Teilnehmer mit der S-Bahn am Fürther Hauptbahnhof ankamen, wurden sie von mehreren Nazigegnern in Empfang genommen. Dabei soll es zu einem Schlagabtausch zwischen linken Gegendemonstranten und Neonazis gekommen sein. Zwei Personen aus dem rechten Spektrum erlitten Platzwunden an Kopf und Arm.
Wenig später durchsuchten Polizeibeamte eine Wohngemeinschaft in Fürth, in der sie den Tatverdächtigen Sebastian K. (Name geändert) vermuteten. Der Student soll die beiden Neonazis mit einer Gürtelschnalle angegriffen haben und für die Platzwunden verantwortlich sein, lautete der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, die den 25-Jährigen deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Tateinheitlichen Fällen anklagte. Angaben zur Sache wollte der Angeklagte jedoch nicht machen.
Neonazis als Belastungszeugen
Vor Gericht traten die mittelfränkischen Neonazis Christoph P., Christian U. und Michael R. als Zeugen auf. Alle haben in den polizeilichen Vernehmungen den Täter anders beschrieben. So gab einer der Zeugen an, die Hose des Täters sei „beige“, ein anderer meinte, sie wäre „schwarz“ gewesen. In der Vernehmung durch den Rechtsanwalt Iñigo Schmitt-Reinholtz, war sich Christian U. dann aber sicher: „Braun, grün, dunkel, erdfarben, könnte alles sein. Sie war aber nicht weiß“. Ähnlich widersprachen sich die Zeugen, als es um die Jackenfarbe des Täters ging. Den Angeklagten erkannten sie aber alle, obwohl er eine Mütze und eine große Sonnenbrille getragen haben soll.
Auf die Nachfragen von Schmitt-Reinholtz nach den rechtsextremen Aktivitäten der Zeugen gaben sich diese meist unwissend und unschuldig. So gaben Michael R. und Christoph P. vor Gericht an, sie wären nie in der verbotenen Kameradschaft „Freies Netz Süd“ (FNS) aktiv gewesen. Beide klagten aber mit 39 anderen FNS-Aktivisten erfolglos gegen das FNS-Verbot.
Auch zwei geladene Polizisten des Unterstützungskommandos konnten nicht viel zur Sache beitragen, sie waren zu spät am Geschehen eingetroffen und konnten lediglich die beiden Verletzten versorgen. Ein Beamter der Nürnberger Kriminalpolizei, der in dem Fall ermittelte, durchsuchte das am Tag angefertigte Videomaterial und war anhand einer Täterbeschreibung sehr schnell auf den Angeklagten gekommen. Warum der Beamte ausgerechnet nach einer einzigen Täterbeschreibung fahndete, es aber mehrere sich widersprechende Beschreibungen gab, konnte vor Gericht nicht geklärt werden. Schmitt-Reinholtz kritisierte auch den Umgang des Beamten mit der Aktensorgfalt, so fehlten Bilddokumente und Gesprächsprotokolle, anhand derer die Ermittlungsbehörde den Angeklagten identifiziert haben will.
Urteil stieß auf Kritik
Für den Staatsanwalt war die Sachlage am Ende der Verhandlung eindeutig. Die drei Zeugen aus der Neonazi-Szene hätten keinen Belastungseifer gezeigt und wären glaubwürdig. Er forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Zudem solle der Angeklagte 1000 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Der Verteidiger Schmitt-Reinholtz forderte einen Freispruch, da die Beweisaufnahme nicht zur Identifizierung geführt haben soll, ein gefordertes physiognomisches Gutachten wurde von der Vorsitzenden Richterin zudem abgelehnt. Ferner gab es lediglich Belastungszeugen aus der militanten rechten Szene. Da ein Polizist aussagte, er hätte mehrere Personen wahrgenommen, die mit Gürteln auf andere einschlugen, sei auch nicht geklärt, ob der Angeklagte auch der Täter sei.
Die Richterin Sabine Becker-Jastrow verurteilte den Angeklagten am Ende zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zudem muss Sebastian K. 900 Euro an einen gemeinnützigen Verein zahlen. Als strafschärfend wertete Becker-Jastrow die gefährliche Begehungsweise mit einer Gürtelschnalle und das gezielte Ausführen der Tat. Dass die Richterin die Zeugen für glaubwürdig hielt und keinen Belastungseifer erkennen konnte, sorgte bei den Prozessbeobachtern für Missmut. Schon im Vorfeld kritisierten sie die Anklage, die sich lediglich auf Aussagen von Neonazis stützt. Ob das Urteil rechtskräftig wird, ist noch unklar. Die Verteidigung kann das Urteil anfechten und in Berufung gehen.