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Neonazis ringen in Eisenach um die Hegemonie

 

Neonazis in Eisenach wollen die Hegemonie
Am 28. April 2017 demonstrierten Neonazis vor dem Flieder Volkshaus © Sören Kohlhuber

Die Stadt Eisenach gilt als eines der wichtigsten Tourismusziele Thüringens. Sie wirbt mit „überreicher kultureller Tradition“, der Wartburg und vor allem mit Luther um die Gunst der Touristen. Im Schatten dessen versuchen Neonazis die Hegemonie in der westthüringischen Stadt zu übernehmen.

Von Lionel C. Bendtner

Das so genannte „Flieder Volkshaus“, welches die Thüringer NPD im Jahre 2014 erwarb, gilt als Treffpunkt der hiesigen Neonaziszene. Seit dem finden hier regelmäßig neonazistische Veranstaltungen statt. Beispielsweise wird die Immobilie für Parteitage und Sitzungen sowie Treffen der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) genutzt. Zuletzt versammelten sich hier am 18. Februar diesen Jahres auch die Mitglieder der Thüringer NPD, um die Liste für die anstehende Bundestagswahl zu wählen.

Doch nicht nur für Parteiveranstaltungen wird die Immobilie genutzt. Auch für revisionistische Vorträge wie beispielsweise am 3. Dezember 2016 mit Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck. Oder mit Udo Voigt, dem ehemaligen Bundesvorsitzenden der NPD am 7. Mai vergangenen Jahres. Eine Vortragsveranstaltung mit Horst Mahler am 8. April 2017 entfiel, da dieser untertauchte, um sich einer erneuten Haftstrafe zu entziehen. Zuvor referierte noch ein Angehöriger der SS-Panzerdivision „Totenkopf“ am 2. Februar im „Flieder Volkshaus“.

Rechte Liedermacher-Abende in der Landesgeschäftsstelle

Neben NPD- und Vortragsveranstaltungen finden in der Landesgeschäftsstelle auch immer wieder  Musikveranstaltungen von Neonazis statt. So spielte beispielsweise der  neonazistische Liedermacher Frank Rennicke am 12. März 2016 sowie Teile der Dortmunder Naziband „Oidoxie“ unplugged am 9. April 2016 im „Flieder Volkshaus“.

Weitere solche Veranstaltungen fand am 13. August 2016 sowie am 13. Mai diesen Jahres, ebenfalls mit zahlreichen Liedermachern, statt.Auch für die Zukunft sind weitere Musikveranstaltungen angekündigt. So soll es am 16. September sowie am 7. Oktober weitere Liedermacher-Abende geben. Bereits für den 17. Juni ist ein Rechtsrock-Konzert mit „Kategorie C“ und „Nahkampf“ geplant.

Zwei Kundgebungen von Neonazis in zwei Wochen

Als am 28. April etwa 180 Menschen gegen die neonazistischen  Umtriebe in Eisenach demonstrierten, versammelten sich auch rund 60 Neonazis aus dem Umfeld der Thüringer NPD sowie der Neonazigruppierung „Nationaler Aufbau Eisenach“ vor der Immobilie zu einer Gegenkundgebung. Sie fotografierten eifrig die Gegendemonstranten.

Bereits bei einer antifaschistischen Demonstration am 22. März in Erfurt versuchten Neonazis aus Eisenach und deren Umfeld Fotos von Antifaschisten anzufertigen. Am Samstag, dem 13. Mai, versammelten sich knapp 50 Neonazis am Karlsplatz, um unter dem Motto „Keine Moschee in Eisenach“ zu demonstrieren.

Kundgebung Keine Moschee in Eisenach am 13.05.2017 © Lionel C. Bendtner

Die Umtriebe des „Nationalen Aufbau Eisenach“

Die Gruppe des „Nationalen Aufbau Eisenach“ besteht vorrangig aus jungen Neonazis, die durch verschiedene Aktionen das Stadtbild von Eisenach prägen. Dies geschieht vor allem durch verschiedene Transparentaktionen, Aufkleber sowie zahlreichen Nazigraffiti. Zuletzt konnte die Polizei drei Tatverdächtige ermitteln, die für mehr als 70  solcher Schmierereien in der Stadt verantwortlich sein sollen. Bei diesen handelt es sich offenbar um Mitglieder des „Nationalen Aufbau Eisenach“. Mit einer Säuberungsaktion von städtischen Grünanlagen durch mehrere Mitglieder der Gruppe, versuchten sich diese im Internet als Saubermänner präsentieren zu können. Die Realität sieht jedoch anders aus.

Hohes Gewaltpotential bei den Eisenacher Jung-Nazis

Nach einem Punkrockkonzert am 26. Dezember 2016 wurden in den frühen Morgenstunden drei Menschen von sechs vermummten Neonazis aus dem Umfeld des „Nationalen Aufbau Eisenach“ angegriffen. Einer der Neonazis soll laut Aussagen der Betroffenen auch ein Messer gezogen haben, welches er aber nicht einsetzte. Ein anderer war mit Quarzsandhandschuhen bewaffnet.

Der Angriff blieb nicht die einzige gewalttätige Aktion. Als der Journalist Sören Kohlhuber am 30. März im Jugend- und Wahlkreisbüro RosaLuxx eine Lesung abhielt, kam es zu einen versuchten Angriff von zehn vermummten und teils bewaffneten Neonazis.

Bereits am 5. Mai 2015 kam es ebenfalls zu einer gewalttätigen Handlung der hiesigen Neonaziszene, als ein Schwarzer zunächst angepöbelt und später mit der Faust ins Gesicht geschlagen wurde. Nachdem das Opfer in seine Wohnung flüchten konnte, versuchte die bislang unbekannte Gruppe dessen Haustür aufzubrechen, was glücklicherweise nicht gelang.

Eines von zahlreichen Nazigraffiti in Eisenach © privat

Bundesweite Vernetzung Eisenacher Neonazis

Der „Nationale Aufbau Eisenach“ ist in bundesweiten Bündnissen, wie dem gewaltbereiten „Antikapitalistischen Kollektiv“ (AKK) organisiert. Am 11. April 2017 beteiligte sich ein Mitglied des „Nationalen Aufbau Eisenach“ an einer  Szene-Diskussionsrunde zum Thema „Bewegung in der Sackgasse? – Neue Wege gehen!“.

Auch bei wichtigen bundesweit mobilisierten Demonstrationen, wie beispielsweise am 1. Mai 2015 in Saalfeld und am 1. Mai2016 in Plauen waren Mitglieder der Gruppe zugegen. Zuletzt beteiligte sich die Gruppe an der 1. Mai Demonstration in Halle/Saale.

Da der Aufmarsch nicht stattfindenden konnte, reisten die Neonazis wieder ab und führten stattdessen eine Spontandemonstration in Apolda durch. Hierbei bewarfen sie die anrückenden Polizeieinheiten mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik. Auch an dieser Aktionen waren Mitglieder des „Nationalen Aufbau Eisenach“ beteiligt.