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Hetzpostings bei Facebook: Mit Smiley und Ironie aus der Strafbarkeit

 

Justizzentrum Aachen © MIchael Klarmann

Am Landgericht Aachen wurde ein ehemaliger Polizist nach einem Hetzposting gegen Flüchtlinge frei gesprochen. Ein Smiley und der ironische Unterton reichten aus, um den Freispruch zu begründen.

Ein Gastbeitrag von Michael Klarmann

 

Polizisten sollen Straftaten aufklären, bestenfalls verhindern, aber nicht direkt oder indirekt dazu aufrufen. Mitte 2016 war deshalb ein frühpensionierter Gesetzeshüter vom Amtsgericht Jülich wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Der Ex-Polizist soll „einschlägig“ vorbestraft sein. Nun ging der frühere Polizist gegen das Urteil vor. Am 9. August verhandelte das Landgericht Aachen den Fall des Mittfünfzigers aus Jülich (Kreis Düren) neu.

Am zweiten Tag des Berufungsprozesses beklagte der Anwalt des früheren Polizisten unter anderem, dass die Presse zu Verhandlungsbeginn im Mai 2017 in einer Ausführlichkeit über ihn berichtet habe, dass er identifizierbar gewesen sei. In der Nacht nach Erscheinen des Artikels habe man ihm daher alle vier Reifen am Auto platt gestochen.

Das Landgericht musste nun entscheiden, ob Facebookbeiträge des ehemaligen Gesetzeshüters die Grenze zur Strafbarkeit überschritten haben. In einem Facebook-Posting hatte der Mann 2015 ein damals in rechtsextremen Kreisen kursierendes, gefälschtes Zitat von Renate Künast verbreitet. Zum Zitat merkte er an, der „Herr“ – gemeint war wohl Gott – solle sich „diese Typen“ holen. Ein Wunsch, dass die Grünen-Politikerin und andere dem Ex-Polizisten nicht genehme Politiker sterben sollen? Der Schreiber ergänzte noch, es handele sich bei Künast und nicht konkret benannten anderen Personen um „diese gottverdammte Inzucht“.

 

Straftat oder Meinungsfreiheit?

Konkreter war ein zweiter Beitrag. Eine frühere, noch im Dienst stehende Kollegin des Polizisten aus Stolberg (Städteregion Aachen) hatte 2015 auf ihrem Facebook-Profil einen volksverhetzenden Text geteilt. Darin wurde ein angeblicher Mitarbeiter verschiedener Asylbewerberheime zitiert. Nach diesem vermeintlichen Augenzeugenbericht würden die Migranten überall hinkoten und urinieren, die Heime seien wahre „Schweineställe“, niemand würde für Ordnung sorgen und geflüchtete Männer würden sich beharrlich weigern selbst einfache Reinigungsarbeiten zu verrichten, weil das unter ihrer Würde und Frauensache sei.

Der Ex-Polizist schrieb daraufhin der „lieben“ früheren Kollegin in einem eigenen Facebook-Kommentar, sie solle doch bitte dort aus Solidarität einmal putzen gehen. Am besten mit vielen Litern Reinigungsbenzin. Dann solle sie viele Feuerzeuge dort liegen lassen. Der Schreibstil des Mittfünfzigers war teils sarkastisch und ironisch, ein Smiley folgte dem indirekten Hinweis zur Brandlegung.

Als sich ein Sozialdemokrat, der mit der Polizistin auf Facebook befreundet und zu dem Zeitpunkt Mitglied des Stadtrates in Stolberg war, über das Teilen des seiner Meinung nach „faschistischen“ Inhalts durch seine Facebook-Freundin erbost zeigte und sie per Kommentar darum bat, alles zu löschen, konterte der Ex-Polizist: „Bitte bring dich um.“

Alles legal und im Rahmen der Meinungsfreiheit? Angesichts höchstrichterlicher Urteile entschied der Richter, dass Künast sich das Posting gefallen lassen müsse, zumindest im Rahmen des Strafrechtes besehen. Personen, die wie die Grüne in der Öffentlichkeit stehen, müssten sich im politischen Meinungskampf auch scharfe, überzogene und sogar geschmacklose Kritik gefallen lassen. Der Staatsanwalt stimmte dem zu.

Problematischer sei die Sache mit dem Reinigungsbenzin, führte der Richter weiter aus. Der Anwalt des Ex-Polizisten erinnerte daran, dass sein Mandant sich wegen des ihm glaubhaft erscheinenden Artikels über die verheerenden Zustände in Asylunterkünfte aufgeregt habe, darauf habe sein Kommentar abgezielt. Der Richter hatte den Text schon während der Erörterung als wahrscheinlich hart am Rande des gerade noch Erlaubten eingestuft. Doch habe der Ex-Polizist nicht zum Hass aufgestachelt. Überzogen und geschmacklos sei sein Kommentar dennoch, daran ändere auch die vermeintlich humorvolle Art nichts. Ein Aufruf zur Gewalt oder zu Willkürmaßnahmen sei jedoch nicht klar erkennbar, da er lediglich im sarkastischen Duktus an seine „liebe“ Ex-Kollegin geschrieben habe. Der Hinweis, Feuerzeuge liegen zu lassen, nachdem man mit vielen Litern Reinigungsbenzin geputzt habe, lasse zudem völlig offen, was mit diesen Feuerzeugen passieren oder wer sie benutzen und brandstiften solle, sagte der Richter. „Wir finden das nicht witzig“, sagte der Richter, aber es blieben Zweifel, ob der Kommentar ernst gemeint sein sollte.

 

Interpretationsspielräume als Grundlage für den Freispruch

So plädierte denn am vergangenen Mittwoch der Anwalt des Ex-Polizisten auf Aufhebung des Urteils aus Erster Instanz und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Staatsanwalt schloss sich dem an. Die Kammer am Landgericht Aachen folgte dem nach nochmaliger  Beratung. Die Postings seien geschmacklos, überzogen und angesichts der damaligen Debatte fehl am Platze, strafbar seien sie indes nicht. Passagenweise formuliert wie ein Scherz, sagte der Richter in seiner Urteilsbegründung, nehme der Smiley dem Kommentar des Ex-Ordnungshüters „letztlich die Spitze“.

Ein Skandalurteil? Wohl kaum. Wie der Richter anmerkte, muss eine Demokratie im Meinungsaustausch auch scharf formulierte und rechtsextreme Inhalte aushalten können, falls sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Der Skandal könnte daher wohl eher an anderer Stelle zu verorten sein. Ein Ex-Polizist im Vorruhestand konnte unbekümmert auf dem Facebook-Profil einer im aktiven Polizeidienst arbeitenden ehemaligen Kollegin einen volksverhetzenden Inhalt mit einer humoristisch legalisierten Anleitung zur Brandlegung in einem Asylbewerberheim würzen. Und Anzeige erstatten musste am Ende ein Sozialdemokrat – den der Ex-Gesetzeshüter wegen seiner ihm nicht genehmen Meinung zum Selbstmord aufgefordert hatte.