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Von „Singularität“ und „Judenhass“: In der Sparring-Arena von Henryk M. Broder

 

Kennen Sie Broders „Sparring-Arena“? Da darf man Fragen stellen und wird dann züchtig rhetorisch verdroschen. Ich fragte Broder nichts, sondern er mich. Veröffentlicht hat er ihn trotzdem, diesen nicht zur Veröffentlichung angezeigten Kontakt – und natürlich, um mich zu verdreschen. Aber selber schuld, man hätte es ahnen müssen. Read More
Worum geht’s? Broder hatte, nicht zum ersten Mal, den Antisemitismusforscher Benz hart attackiert. Er warf ihm, weil er Strukturähnlichkeiten zwischen Antisemitismus und Antiislamismus betonte, einen „Paradigmenwechsel“ vor. Was dieser „Paradigmenwechsel“ genau sein soll, von welchem Paradigma zu welchem da gewechselt wird, sagte Broder allerdings nicht. Man muss ihn sich erschließen. Z.B über folgende Aussage: „Praktisch läuft der Vergleich – ausgesprochen oder insinuiert – darauf hinaus, dass die Moslems die Juden von heute sind und die so genannte Islamophobie „strukturell“ dem Antisemitismus verwandt ist. Was auch nicht ganz falsch ist, wenn man bedenkt, dass ein Nilpferd mit einem Menschen einiges gemeinsam hat: Es isst, schläft, verdaut und pflanzt sich heterosexuell fort.“

Broder weist Benz‘ Vergleich damit als illegitim oder zumindest sachlich falsch zurück. Er sieht in genau dem Punkt, in dem Benz Ähnlichkeiten erblickt, fundamentale Unterschiede zwischen Antisemitismus und Antiislamismus. Ich habe mich daher zu der Interpretation hinreißen lassen, dass es in der Debatte am Ende um die Singularität der Shoah gehe: „Anders jedenfalls sind Broders Angriffe in der „Welt“ kaum zu erklären. ‚Praktisch läuft der Vergleich – ausgesprochen oder insinuiert – darauf hinaus, dass die Muslime die Juden von heute sind‘, wirft er Benz vor. Broder gibt damit zu erkennen, dass es ihm am Ende um nichts anderes geht als einen Sonderstatus für Auschwitz und dessen Opfer.“

Broder fragte dann per mail, wo und wann er denn „einen sonderstatus für auschwitz gefordert bzw. die ’singularitätsthese‘ vertreten“ hätte. In der entsprechenden Antwort wies ich darauf hin, dass meine Darstellung eine Interpretation sei, die ohne Zweifel zu so mancher Äußerung Broders aus der Vergangenheit in Konflikt steht. So zum Beispiel zum Text „Dem Uwe sein Holocaust oder: Die Singularität des Kretinismus“. Broder schreibt dort unmissverständlich: „Nun kann man über die ‚Singularität‘ von Auschwitz nachdenken, ohne gleich zum Revisionisten zu werden. Über eine Million Armenier, rund drei Millionen Kambodschaner, fast eine Million Ruander sind ja auch nicht bei Verkehrsunfällen oder beim Bungee-Jumping ums Leben gekommen. Warum deren Tod weniger ’singular‘ sein soll, ist eine Frage, die man stellen darf.“

Und dennoch bleibt unklar, was Broder Benz eigentlich anderes als die Einebnung der Singularität vorwerfen will, wenn er  – den von Benz unternommenen Vergleich zurückweisend – schreibt: „‚Praktisch läuft der Vergleich – ausgesprochen oder insinuiert – darauf hinaus, dass die Muslime die Juden von heute sind'“. Meine einzige Frage an Broder war daher: „Was sonst soll der ‚Paradigmenwechsel‘ bedeuten?“ Ich konnte mir das nur so erklären, dass – für Broder – mit einem Vergleich zwischen Antisemitismus und Antiislamismus der singuläre Status der Shoah in Frage gestellt und so ein Wechsel vom Singularitätsparadigma zum Pluralitätsparadigma der Barbarei vollzogen wird – eine Perspektive, die sich immerhin auf die „Kritische Theorie“ berufen könnte.

Und diese einzige Frage, die ich Broder tatsächlich gestellt habe, hat er nicht beantwortet, sondern sich sein Späßchen daraus gemacht: „ich will sie, weil sie aus der DDR kommen und sicher eine schwere und bananenlose kindheit hatten, nicht unnötig kränken. (…) während handwerker wie ich eher zu der ansicht neigen, die welt sei von philosophen wie ihnen schon genug verhunzt worden, jetzt komme es darauf an, sie wieder richtig zu beschreiben.“ Ein echter Broder eben. Das Angebot zu einem Interview lehnte er ebenso ab wie das einer argumentativen Erwiderung auf unserer Seite – was natürlich insofern bemerkenswert ist, als er einst selbst der rechten Jugendzeitschrift „Blaue Narzisse“ (BN) ein Interview gegeben hatte, die von seinem Chefsekundaten Clemens Heni wohl – fälschlicherweise übrigens – in die rechtsextreme Ecke gestellt würde. Denn für Heni muss die gesamte „Neue Rechte“, zu der zweifellos auch die „Blaue Narzisse“ gehört, „von Auschwitz her“ analysiert werden.

Und dennoch werde ich mich wohl korrigieren müssen – aber auch dies ist wieder nur eine Interpretation, weil die Frage danach, was denn nun dieser ominöse „Paradigmenwechsel“ sei, welche zwei Paradigmen denn da im Widerstreite miteinander lägen, von Broder unbeantwortet blieb. Zu verdanken habe ich diesen Hinweis Prof. Micha Brumlik, den Broder in gleicher Sache bereits einmal ausschließlich ad hominem verspottet hatte. Brumlik jedenfalls verteidigte Benz‘ Thesen jüngst erneut in einem Interview mit dem Deutschland-Radio und führte eine neue Kategorie der Singularität ein. Er sprach aber nicht über die Singularität der Shoah, sondern über die des Judenhasses:

Britta Bürger: Werden in dieser Debatte vor allem jüdische Empfindlichkeiten berührt?

Micha Brumlik: Da bin ich mir nicht so sicher. Es mag sein, dass es jüdische Vertreterinnen und Vertreter gibt, die der Meinung sind, dass Judenhass eine ganz einmalige Form vorurteilsbeladenen, fremdenfeindlichen Verhaltens ist – und das ist historisch insofern richtig, als bisher nur diese Vorurteilsstruktur zu den Gaskammern von Auschwitz und Treblinka geführt hat. Aber sozialpsychologisch und von der inneren Struktur solcher Ideologien her gibt es da doch viele Gemeinsamkeiten. Ich darf darauf hinweisen, dass dem Judentum im 19. Jahrhundert ganz ähnliche Vorurteile entgegenschlugen, dass es nämlich eine harte, kalte, auf Herrschaft und Rache gegründete Unterwerfungsreligion gewesen sei. Man könnte zeigen, dass die damalige sogenannte Kritik nicht zuletzt protestantischer Theologen am Judentum sich zum Teil bis aufs Wort mit dem schneidet, was man heute glaubt, über den Islam sagen zu können.“

Und vielleicht ist das auch eher der Kern der Sache: Es geht in der Debatte gar nicht um die Singularität eines historischen Ereignisses, also der Shoah, sondern um die Singularität einer einzelnen Form von Menschenverachtung, nämlich des Judenhasses. Alles andere wäre nämlich so, als vergliche man die „Wehrmacht mit der Heilsarmee, einen Bikini mit einer Burka und die GEZ mit der Camorra.“ Was ist der Hass auf „den“ Islam schon verglichen mit dem Antisemitismus? Und der Sonderstatus grüßt fröhlich durch die Hintertür…

Insofern muss ich Ihnen, Herr Broder, direkt dankbar für den Vorgang sein. Manchmal können also selbst herrschaftsfreie Diskurse, die gar keine sind, weil in Ihren Ausfällen Argumente keinen Platz haben, etwas bewirken. Die Stelle ist nun „korrigiert“ und www.endstation-rechts.de bleibt Ihnen natürlich weiter gewogen. Denn wer Spaß daran hat, wenn Sie andere vermöbeln, kann sich nicht beschweren, wenn es einem selbst passiert. Nur Argumente wären dabei nicht schlecht – wenigstens ab und zu.

ER
weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de