Noch immer hält sich in Deutschland hartnäckig das Gerücht, Hitlers „Mein Kampf“ wäre verboten. Ist es aber nicht. Es wird nur nicht mehr gedruckt, weil der Inhaber der Rechte, die Bayerische Staatsregierung, einen Wiederabdruck verweigert. Doch die Urheberrechtsschutzuhr tickt unerbittlich.
Keine Missverständnisse bitte: „Mein Kampf“ kurz nach dem Zweiten Weltkrieg nicht in den Buchhandel zu bringen war in Ordnung und sinnvoll. Ich fürchte allerdings, es wäre auch gar nicht „nötig“ gewesen. Ich kann mir schon vorstellen, in wie vielen Wohnstuben die zwei in Leder eingeschlagenen Bände in der zweiten Reihe auch nach Kriegsende noch Platz genommen hatten.
Nun leben wir aber nicht mehr kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern in einer einigermaßen erwachsen gewordenen Demokratie. Ich möchte nicht durch Günther Beckstein vor Adolf Hitler beschützt werden. Zumal der das auch gar nicht kann. Die modernen Medien haben die staatliche Wegschließpolitik ohnehin längst ad absurdum geführt. Heutzutage kann man über google elektronische Ausgaben von „Mein Kampf“ in allen Sprachen downloaden – und ich möchte gar nicht wissen, in wie vielen Kinderzimmern das in Deutschland täglich passiert. Ohne dass Eltern oder Lehrer davon etwas merken.
Da wäre es mir schon lieber, entscheidende Passagen aus diesem Machwerk in der Schule unter pädagogischer Begleitung kritisch und selbstbewusst durchzukauen und es als das zu entlarven, was es ist: ein über weite Strecken langweiliges, aber verbrecherisches Buch eines Durchgeknallten. Das könnte auch dazu beitragen, diese manische Hitler-Bessenheit, die in Deutschland allenthalben gegenwärtig ist (und sei es auch in guter Absicht), endlich loszuwerden.
Ich kann mich noch gut daran erinnern: Es war in der 13. Klasse eines Gymnasiums, als einer meiner Mitschüler eine Lederausgabe von „Mein Kampf“ mit in die Schule brachte – mit Hakenkreuz im Prägedruck vorne drauf. Und alle waren aus dem Häuschen. Nicht, weil sie etwas mit Nazis am Hut hätten. Nein, gewiss nicht. Aber alle wollten mal einen Blick drauf werfen, auf diesen Auswurf des Bösen, den eine bizarr verbrecherisch-transzendente Aura umgibt. Und: Ist das nicht lächerlich, dass fast erwachsene Menschen in einer entwickelten Demokratie noch immer so manisch fasziniert sind von einem durchgeknallten Verbrecher? Was würde eigentlich passieren, wenn Sie Hitler im Buchhandel kaufen könnten? Tja, dann wäre es vorbei mit diesem Reiz des ja nur angeblich Verbotenen. Goebbels Tagebücher übrigens kann man problemlos im Buchhandel erstehen. Sind die etwa harmlos?
Und jetzt kommt’s: Der Urheberrechtsschutz für „Mein Kampf“ läuft am 31. Dezember 2015 aus. Und dann? Ja, dann kann auch in Deutschland wer will „Mein Kampf“ drucken und damit kräftig Geld verdienen, wenn er ein paar rechtliche Hinweise beachtet. Z.B. rechtsextremistische Verlage, die mit den Gewinnen die rechtsextremistische Szene finanzieren. Dagegen dürfte sich auch kaum etwas tun lassen, da der Bundesgerichtshof bereits 1979 entschieden hat, dass „Mein Kampf“ als „vorkonstitutionelle Schrift“ nicht generell verboten werden könne. Das einzige, was sich dagegen wirklich tun ließe, wäre endlich erwachsen zu werden und eine historisch-kritische und kommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ in den Buchhandel zu bringen. Übrigens mit einem gehörigen Preisaufschlag, der in eine Stiftung fließen könnte, die sich kritisch mit dem Nationalsozialismus auseinander setzt. Das würde einerseits den Markt abschöpfen und hätte andererseits den Charme, dass jeder Nazi, der das Buch erwerben würde, auch gleichzeitig etwas gegen sich selbst täte.
weitere Informationen: http://www.endstation-rechts.de