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Wie Rechte das Coronavirus zur Hetze gegen Flüchtlinge benutzen

 

Rechtspopulisten und Neonazis machen mit Virusangst Stimmung gegen Migranten. In sozialen Netzwerken wird Hass propagiert, bis hin zum Attentatsaufruf.

Von Tagesspiegel-Autor Frank Jansen

Wie Rechte das Coronavirus zur Hetze gegen Flüchtlinge benutzen
Die AfD-Parteivorsitzenden Jörg Meuthen (rechts) und Tino Chrupalla © dpa/Sina Schuldt

Es gibt viel Angst in der Bevölkerung vor dem Coronavirus – und Rechtspopulisten und Rechtsextremisten heizen sie noch weiter an, indem sie die Ängste mit dem Thema Flüchtlinge zu verbinden versuchen. Am weitesten geht die AfD. Sie ließ nach Recherchen des Tagesspiegels auf ihrer Facebook-Seite bis Montag sogar einen Aufruf zu einem Attentat zu.

In einem Beitrag vom 2. März schreibt AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen, „Liebe Leser, Deutschland steuert auf seine möglicherweise schwerste Krise seit Bestehen der Bundesrepublik zu, und die ewige Kanzlerdarstellerin (ja, man muss sie so nennen, denn sie regiert nicht!) duckt sich weg: Trotz drohender gleichzeitiger Migrations- und Corona-Krise kein einziges Wort von Merkel während des gesamten Wochenendes zu ihrer Nation!“.

Posting mit Pistole

Meuthen äußert weitere Vorwürfe gegen Angela Merkel, der Ton ist schrill, der AfD-Chef prophezeit einen „historischen Dammbruch in Sachen illegaler Massenmigration“. Dann folgen die oft hasserfüllten Kommentare der Leserinnen und Leser. Einer davon propagiert offenkundig Terror.

Der Neonazi Timo R. postet in die Kommentare eine kurze Videosequenz, in der ein junger Mann mit kurzgeschorenen Haaren mit einer Pistole zu sehen ist. Der Schütze hält die Waffe mit aufgeschraubtem Schalldämpfer mit beiden Händen fest und feuert dann einen Schuss ab. Nicht nach oben in die Luft, sondern waagerecht, in Kopfhöhe. In Zeitlupe ist der Austritt des Pulverdampfs zu sehen. Aus dem Schlitten fliegt die Hülse über die Stirn des Mannes.

Ob es sich um Timo R. handelt, ist unklar. Jedenfalls steht über der Sequenz neben seinem Namen: „Deutschland wann wirst du endlich wach“.

Die AfD distanziert sich zögerlich

Der Clip steht am Montag seit vier Tagen auf der Facebook-Seite der AfD. Der Autor ist ein Neonazi, auf seiner eigenen Facebook-Seite huldigt er Adolf Hitler. In dem Posting vom April 2019 steht auf einem Bild des Diktators in altdeutscher Schrift: „Dran denken: In diesem Jahr feiert der Chef seinen 130. Geburtstag! Das wird eine Fete!“

Der Pistolenschuss erschien auf der Facebook-Seite der AfD offenbar keine zwei Wochen nach dem Anschlag in Hanau. Dort erschoss der Rassist Tobias Rathjen ebenfalls mit einer Pistole neun Menschen mit Migrationshintergrund in zwei Shisha-Bars, dann seine Mutter und sich selbst. Das Attentat schockte die Bundesrepublik. Innenminister Horst Seehofer (CSU) und weitere Politiker machten die AfD mitverantwortlich.

Die Rechtspopulisten hingegen versuchten zunächst, den Anschlag als Amoklauf eines Verrückten zu verharmlosen. Schließlich rangen sich Meuthen und Co-Bundessprecher Tino Chrupalla zu einem offenen Brief an die AfD-Mitglieder durch, in dem die Tat als „rassistisches Verbrechen“ bezeichnet wird. Die beiden betonen allerdings auch, sie würden es nicht zulassen, dass der politische Gegner und Teile der Medien die AfD „ausgrenzen und in die Nähe des Rechtsextremismus rücken wollen“.

AfD will Videoclip nicht bemerkt haben

Der Clip des Rechtsextremisten Timo R. mit dem Pistolenschuss ist für die Partei, wie ihr Sprecher Bastian Behrens am Montag sagt, „ärgerlich“ und „Mist“. Die Social-Media-Abteilung der Partei habe den Clip nicht gesehen, sagt Behrens und behauptet, „so was kann auch der CDU und den Grünen passieren“. Bei der AfD seien da neun Leute „auf 450-Euro-Basis“ tätig, „je nachdem, wie viel los ist, kann es eine Woche dauern, bis man bei manchem Kommentar angekommen ist“.

Der Clip mit dem Pistolenschuss sei nun gelöscht, sagt der Parteisprecher. Und er betont, „mit dem Anschlag in Hanau hatte die AfD nichts zu tun“.

Staatsanwaltschaft Berlin prüft „strafrechtliche Relevanz“

Der Clip könnte dennoch unangenehme Konsequenzen haben, zumindest für den Neonazi. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft „die strafrechtliche Relevanz“, wie ihr Sprecher Martin Steltner sagt. Als mögliche Delikte nennt er Verherrlichung von Gewalt und Verstoß gegen das Waffengesetz. Auch wegen des Schalldämpfers, denn dessen Besitz und der Einsatz sind nur in Ausnahmefällen erlaubt. Das Gerät gilt als Instrument für lautloses Töten.

Die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten bei ihrer Mordserie mehrmals Schalldämpfer auf die Tatwaffe geschraubt. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sagte, „das Geschäft mit der Angst ist die Kernkompetenz von Rassisten und Rechtsextremen. Wer die Themen Geflüchtete und Coronavirus in Zusammenhang bringt, der spielt in unverantwortlicher Weise mit den Ängsten der Bevölkerung.“

FPÖ-Politiker will pauschal Quarantäne für „illegale Zuwanderer“

Das Coronavirus instrumentalisiert im Internet auch der FPÖ-Politiker Herbert Kickl, von 2017 bis 2019 Innenminister Österreichs. Bei YouTube fordert er in einem Video pauschal Quarantäne „für illegale Zuwanderer“. Die Stimmungsmache funktioniert. In den Kommentaren zum Video bekommt der Rechtspopulist viel Beifall: „Das ist gut, nur keine illegalen Immigranten wäre noch viel besser“ oder: „Ein solcher Mann sollte der Führer Österreichs sein“, „Wenn man jemanden aufgreift dann gehören die selbstverständlich isoliert, wir hatten schon Krätze und noch mehr von denen Krankheiten die bei uns schon längst ausgestorben sind“.

Einige User fühlen sich wie auf der Facebook-Seite der AfD zu noch mehr Härte animiert. „Illegale abwehren wenn Gummi Geschoße nichts bringen Blei Granaten“, schreibt einer, „mir blutet das Herz nicht versenkt die Schlauchbote der Frauen und Kinder zuerst“.

NPD mischt bei Panikmache mit

Auf dem rechten Internetportal Politically Incorrect wird in einem Beitrag zum Coronovirus im Duktus von AfD-Chef Meuthen behauptet, „sollte Erdogan nun hunderttausende neue ‚Schutzsuchende‘ aus den Krisengebieten über die Grenze Richtung Almanya aufbrechen lassen, dann könnte dies die größte humanitäre Katastrophe sein, die wir je erleben“. In einem weiteren Text heißt es, „wir bekommen noch mehr kulturfremde Siedler, von denen sich nicht wenige nach einer kurzen Eingewöhnungszeit daran machen, zusammen mit zahlreichen Gleichgesinnten Deutschland nach dem Vorbild ihrer moslemischen Heimatländer umzugestalten“.

Bei der rassistischen Panikmache mischt auch die NPD kräftig mit. Auf ihrer Website verkündet die rechtsextreme Partei, „Corona beweist: Globalisierung ist brandgefährlich!“.