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Vom Sternmarsch zum elenden Häufchen

 

© Franz-Peter Tschauner/dpa
Kein guter Tag für die Rassisten von Pro NRW © Franz-Peter Tschauner/dpa

Die rechtspopulistische Partei Pro NRW wollte vor Deutschlands größter Moschee demonstrieren. Den 120 Anhängern standen 4000 muslimfreundliche Anwohner gegenüber.

Von Olaf Sundermeyer

Lautstark hatte die rechtspopulistische Partei Pro NRW den Auftakt ihrer Wahlkampagne angekündigt. Ein Sternmarsch zur größten Moschee Deutschlands in Duisburg-Marxloh sollte es werden. Hier sollten die anti-islamischen Parolen der Partei ertönen. Daraus wurde nichts: Es sind nur 120 Anhänger zur Kundgebung gekommen, trotzig recken sie ihre Transparente in die Luft, einige Gehminuten von der Moschee entfernt. Beobachtet von einem Anwohner, die Ellenbogen auf seine Fensterbank gestützt: „Dat is ja bloß ein kleines Häufken Elend.“

Die Duisburger haben sich nicht von der anti-islamischen Hetze der Rechtsradikalen beeindrucken lassen. Die meisten der Kundgebungsteilnehmer sind aus dem Ausland angereist. Politische Mitstreiter vom rechten Rand aus Österreich, Frankreich und Spanien. Die belgische Partei Vlaams Belang hat sogar die Bühne und das Sicherheitspersonal gestellt. In diesem Wahlkampf sind die organisatorischen Möglichkeiten von Pro NRW noch begrenzt.

Die übrigen Menschen auf dem tristen Schotterparkplatz sind kleine Funktionäre und Familienangehörige der Landtagskandidaten. Der Parteivorsitzende der Pro NRW, Markus Beisicht, hat seine eigene Interpretation: „Man sagt immer, wir seien ausländerfeindlich. Dabei sind hier heute mehr Ausländer als Deutsche: Wir kämpfen gemeinsam gegen die Islamisierung.“ Man wolle ein europäisches Volksbegehren gegen Minarette durchsetzen, die Schweiz habe vorgemacht, wie das geht. Aber nun ist klar, dass Pro NRW bei der Landtagswahl am 9. Mai nicht die Rolle spielen wird, die sie sich selbst erdacht hat. 

Zwischen den Demonstranten und der Moschee steht eine Kette aus Bereitschaftspolizisten in der Frühlingssonne, 3000 Beamte sind am gesamten Wochenende in der Gegend im Einsatz. Absperrgitter auf der Straße, zwei Hubschrauber rotieren über dem Minarett der Merkez-Moschee. 100 Gegendemonstranten haben zuvor die Anfahrt der Rechtspopulisten mit einer Sitzblockade an der Autobahnabfahrt Duisburg-Fahrn verzögert. Zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den beiden Gruppen ist es nicht gekommen. Ein Polizeisprecher erwähnt den „friedlichen Charakter“ beider Veranstaltungen.

Auf einer Wiese gegenüber der Moschee findet ein Volksfest statt. Rund 4000 Menschen demonstrieren dort in einer Atmosphäre aus Ostermarsch und Stadtteilfest. „Hand in Hand gegen Rassismus“, wie es auf einem weißen Banner heißt, das an der Moschee hängt. Die beiden Kirchen im nördlichen Duisburger Stadtteil tragen das gleiche Motto. Das „Marxloher Bündnis“ hatte gerufen, und der wahlkampferfahrene SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel ließ sich nicht zweimal bitten. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) und sein Integrationsminister Armin Laschet (CDU) blieben der Veranstaltung hingegen fern. Markus Beisicht, dessen Pro-NRW-Partei viele enttäuschte CDU-Mitglieder anzieht, nannte Laschet „unseren besten Wahlhelfer“.

Nordrhein-Westfalen ist das erste Bundesland, dessen Landesregierung ein integrationspolitisches Ressort führt. Besonders das Ruhrgebiet versteht sich wegen des starken demographischen Wandels mittlerweile als Einwanderungsland, seine Zukunft hängt an den Migranten. Unter den 18.000 Bewohnern in Marxloh hat jeder dritte keine deutschen Wurzeln. „Es ist für die CDU ja fast eine Kulturrevolution, dass die einen Integrationsminister hier haben. Aber das ist eine der ganz großen Aufgaben, bei der wir in Deutschland in der Vergangenheit viele Fehler gemacht haben“, sagte Sigmar Gabriel zu ZEIT ONLINE. Der SPD-Vorsitzende kennt auch die Befindlichkeiten seiner eigenen Klientel – vor allem im ehemaligen Stammland der SPD, dem Ruhrgebiet. „Es gibt in einer Volkspartei die gleichen Vorbehalte wie überall in der Bevölkerung. Ich zeige meinen Mitgliedern deshalb, dass solche Vorbehalte gegen den Islam unbegründet sind.“

Gabriel tut gut daran: Eine aktuelle Studie des Bielefelder Gewaltforschers Wilhelm Heitmeyer hat etwa im sozialdemokratisch geprägten Dortmunder Stadtteil Eving bei 37 Prozent der Bevölkerung fremdenfeindliche Tendenzen festgestellt. Auch dort steht eine Moschee, der im vergangenen Jahr erst ein Minarett aufgesetzt wurde. Überall, wo derzeit neue Moscheen entstehen, wo Minarette in den blauen Himmel über der Ruhr wachsen, regt sich auch aktueller bürgerlicher Widerstand, von dem Pro NRW profitieren will. Im sauerländischen Menden, am östlichen Rand des Ruhrgebiets, versuchte die Politik kürzlich den Planungsstopp einer Moschee zu erreichen. „Es gibt ja eine Islamophobie in Deutschland, spätestens seit dem 11. September. Deshalb gehe ich jetzt in die Moscheen, um unter Demokraten über Integration zu sprechen, nicht mit rechtsradikalen Spinnern, wie sie jetzt hier im Ruhrgebiet auftauchen“, sagt der Duisburger CDU-Bürgermeister Adolf Sauerland.

Pro NRW wird auch nach diesem Tag fortfahren, den Islam mit fundamentalistischem Islamismus gleichzusetzen, vor dem die Menschen in Deutschland zunehmend Angst haben. Aber in Marxloh haben die Rechten heute keine Spaltung der örtlichen Gemeinschaft erreicht, sondern das Gegenteil. Gespalten ist hier einzig das rechte Lager: Die rechtsextreme NPD demonstrierte ihrerseits in Duisburg gegen eine zunehmende Islamisierung, mit ein paar Leuten mehr als Pro NRW. Ihr gemeinsames Wählerspektrum zerbröselt zwischen zwei schwachen Blöcken. Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt weiß das, und sprach auch deshalb zuletzt von einem Wahlziel „über einem Prozent“ für die Landtagswahl. Pro NRW beschimpfte er als eine Vereinigung aus „Homosexuellen und Israelfreunden“. Unterdessen sind Christen und Moslems im Ruhrgebiet heute ein kleines Stückchen zusammengerückt. Vielleicht auch SPD und CDU. Für die Landtagswahlen im Mai gilt die Große Koalition sowieso als wahrscheinlichste Variante.