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Polizeiverein mit Draht nach rechts

 

Ein Funktionär eines Berliner Polizistenverbands machte Geschäfte mit einem Neonazi. Sein Sprecher droht Journalisten. Jetzt hat die Polizei Konsequenzen angekündigt.

Von Dominik Lenze

Angehörige der Berliner Polizei (Symbolfoto) © Paul Zinken/dpa

Seine Geschäftspartner sollte man sich gut anschauen. Im Fall von Andreas T. hätte man gar nicht allzu genau schauen müssen: Der ehemalige Polizist hat sich die Noten des Horst-Wessel-Liedes auf den Oberkörper tätowiert. In seiner Wohnung hatte er ein Bild von Adolf Hitler ausgestellt. Getränke konnte er Gästen in einem Becher mit der Aufschrift „Rudolf Hess 1894-1987 Forever in our hearts“ anbieten. Gemeinsam mit dem Rechtsextremisten T. hatte der aktive Berliner Polizist Marco Ottomann einen Paintball-Versandhandel betrieben. Ottomann wiederum gibt sich in seiner Behörde als Kollegenfürsprecher: Er ist Schatzmeister eines umstrittenen Berufsverbandes, der Unabhängigen in der Polizei.

2007 hat T. das Paintball-Geschäft angemeldet. Damals war er schon einschlägig bekannt und hatte auch schon ein Disziplinarverfahren hinter sich. Mindestens bis 2009 führten Ottomann und T. das Geschäft laut Impressumsangaben auf der Homepage des Shops gemeinsam. Wie beide heute zueinander stehen, ist unklar. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) wünscht sich schon seit Jahren eine Aufarbeitung des Falls durch den Arbeitgeber. “Doch still ruht der See”, sagt GdP-Sprecher Benjamin Jendro.

Pöbeleien gegen Journalisten, Kollegen und Politiker

Die Polizeigewerkschaft sieht die Unabhängigen nicht nur wegen der ungeklärten Neonazi-Verbindung kritisch: Der Verband konkurriert in den Personalräten der Polizei von Berlin mit den etablierten Gewerkschaften. Dabei sehen die Unabhängigen vor allen Dingen die mitgliederstarke GdP als Feindbild. “Das ist die AfD-Methode: Man schießt gegen die etablierten Institutionen”, sagt Jendro. Da der Verband keine Gewerkschaft ist, sondern ein Verein, kann er aus Jendros Sicht aber gar keine ernstzunehmende Alternative zu den Gewerkschaften sein. Bei Tarifverhandlungen dürften die Unabhängigen schließlich gar nicht mitreden. Auch hält sich der Verein bedeckt, was seine Mitgliederzahlen angeht: „Das Konstrukt hängt im Wesentlichen an drei Personen”, sagt Jendro: am Vorsitzenden Mirko Prinz, am Schatzmeister und Paintball-Händler Ottomann – “und einem, der laut brüllt”.

Damit ist der stellvertretende Vorsitzende Jörn Badendick gemeint, der seinem Verband mit einigem Gepolter auf Twitter einige Aufmerksamkeit beschert hat. Der Kriminalkommissar gilt auch in weiten Teilen der Berliner Polizei eher als problematischer Kollege. Und: Er wollte immer schon “etwas mit Medien machen”. Das tut er inzwischen: Auf Twitter bedroht und beleidigt er ausgewählte Journalisten und pöbelt gegen Kollegen, Gewerkschaften und zuletzt auch gegen die SPD-Politikerin Katharina Barley. Einer Fotojournalistin, die sich kritisch über eine Demonstration eines Berliner Polizeivereins äußerte, drohte er von seinem privaten Twitter-Account einen Kinnhaken an. Wenig später wurde sie vom Account des Berufsverbandes als “unechte Journalistin” bezeichnet.

Polizei kündigt Konsequenzen an

Viele von Badendicks ausgewählten Feinden recherchieren über Rechtsextremismus oder berichten von Demonstrationen. Er selbst hat als Experte für Innere Sicherheit einige Male im Berliner Innenausschuss gesprochen – auf Einladung der AfD-Fraktion. Badendick machte sich dort für den Einsatz von Elektroschockern stark.

Der Vorsitzende Mirko Prinz, der die Unabhängigen 2017 gegründet hat, hat keine offenen Bezüge nach rechts außen. In Altlandsberg in Brandenburg sitzt er für eine Gruppe der Freien Wähler im Stadtrat. Er mache harmlose, unauffällige Kommunalpolitik, sagen andere Politiker aus dem Ort. Über das Treiben seines Berufsverbandes hätten sie sich gewundert. Vor seiner Zeit bei den Unabhängigen war Prinz selbst in der GdP aktiv.

GdP-Sprecher Jendro glaubt, den Unabhängigen gehe es vor allen Dingen um persönliche Anliegen – „um Positionen, Machteinfluss und das Begleichen offener Rechnungen”. Jörn Badendick gehe auch Kollegen an und nutze Twitter als Bühne für seine Kleinkriege. “Für uns ist nun entscheidend: Wie reagiert die Führung der Berliner Polizei?“ Dort heißt es auf Anfrage: Die Sachverhalte seien bekannt. “Sie werden gesichert und es werden entsprechend straf- und disziplinarrechtliche Vorgänge eingeleitet”, sagt Polizeisprecher Thilo Cablitz.

Entschuldigung ja, Klarstellung nein

Der Verein selbst lässt sich wegen seiner fragwürdigen Aktivitäten nicht gern in die Karten schauen. Marco Ottomann werde sich zu “laufenden Vorgängen” nicht äußern, teilt Unabhängigen-Chef Prinz mit. Stellvertreter Badendick macht am Telefon zunächst widersprüchliche Angaben zum Geschäftsverhältnis zwischen Ottomann und dem Neonazi T. Dann droht er dem Störungsmelder-Reporter mit rechtlichen Konsequenzen und wirft ihm vor, er stecke hinter einem Hackerangriff auf die Website der Unabhängigen.

Später am Abend kommt eine Entschuldigung für den Anwurf. Es sei ein belastender Tag gewesen. Am nächsten Morgen meldet er sich auf Twitter zu Wort. Wortreich entschuldigt sich der Verband dort für die öffentlichen Angriffe auf Journalisten. Ein klares Statement zu den Verbindungen zwischen Schatzmeister Ottomann und Neonazi T., die zusammen den Paintball-Laden betrieben, bleibt aus.

Auf Anfrage bei dem Versand sagt ein Mitarbeiter, es gebe keine Geschäftsbeziehungen zu T. Wobei, eigentlich könne er gar keine Auskunft geben, korrigiert er sich. Bloß noch eine Sache: Das Geschäft werde geschlossen – aus wirtschaftlichen Gründen, wie es heißt.