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Aufmarsch der Erfolglosen

 

Die Neonazi-Demonstration in Weimar war ein Treffpunkt für erfolglose Rechtsradikale. Doch ein altgedienter Kader zeigt Interesse an den militanten Außenseitern. 

Von Dominik Lenze

Neonazis der Neuen Stärke Erfurt marschieren durch Weimar. © Dominik Lenze

Die rechte Einheitsfront ist ausgeblieben. Der Neonazi-Aufmarsch im thüringischen Weimar endete sogar früher als geplant – und schließlich ist einer der Kameraden auch noch von einer Wasserbombe getroffen worden. Aktivisten hatten mit Wasser gefüllte Luftballons von einem Dach auf die rechtsradikalen Demonstrierenden geworfen. Michel Fischer, ein wenig zimperlicher Neonazi, fährt sichtlich aus der Haut und verlangt aufgebracht von der Polizei, sie solle für Sicherheit sorgen. Für die, die Samstag in Weimar aufmarschierten, muss dies der Tiefpunkt einer auch insgesamt eher glücklosen Demonstration gewesen sein.

Michel Fischer und Enrico Biczysko vom Erfurter Neonazi-Verein Neue Stärke Erfurt (NSE) wollten „die nationalen Kräfte bündeln“ und trommelten für den „organisationsübergreifenden Widerstand“. Am Samstag kamen lediglich rund 120 Neonazis nach Weimar, am Gegenprotest haben nach Schätzungen der Polizei über 1.200 Menschen teilgenommen. Die Parteien NPD und Die Rechte waren angekündigt, regional bekannte Gewaltbereite und eine kaum bekannte Gruppe namens „Speerspitze Widerstand“. Was vielen von ihnen gemeinsam ist: Mit ihrer rechten Agitation waren sie bislang nicht sonderlich erfolgreich.

Rechte Randfiguren

Fischer und Biczysko von der NSE haben sich schon mit NPD, Die Rechte und dem III. Weg zerstritten, also fast allen relevanten Neonazi-Parteien. Die Kameradschaft Rheinhessen hat sich vergangenes Jahr einen viertägigen „Demo-Marathon“ vom pfälzischen Kusel bis nach Ingelheim vorgenommen. Mit ihren antisemitischen Parolen konnten sie allerdings kaum Anhänger auf die Straßen locken. Florian Grabowski, der in Weimar eine Rede für die Kameradschaft hielt, war auch Vorstand für Die Rechte im Landesverband Südwest. Den Posten ist er offenbar los, und sein ehemaliger Landesverband hat sich von Rheinland-Pfalz ins überschaubare Saarland verlagert. Bei der ominösen Speerspitze Widerstand handelt es sich um eine eher unbedeutende Gruppe aus dem Reichsbürger-Milieu in Berlin. Doch Jakob Brock, der im Namen der Speerspitze eine Rede in Weimar hielt, ist eigentlich im Januar aus der Gruppe rausgeworfen worden, weil er einen seiner Mitstreiter bedroht hat.

Mit etwas Verspätung kamen zuletzt die Vertreter der Rechten aus Braunschweig am Weimarer Hauptbahnhof an. Bis auf eine Flagge trugen sie so gut wie keine erkennbaren Parteisymbole, obwohl die NSE sich gewünscht hatte, dass Symbole verschiedener rechtsradikaler Organisationen zu sehen sind. Die NPD war überhaupt nicht zu sehen und so prägten die militant auftretende NSE das Bild des Aufzugs. Mit martialischem Gebrüll, uniformiert und flaggenschwenkend, marschierten die Neonazis am Rand der Weimarer Innenstadt. „Disziplin“ hatte sich die NSE von ihren Gästen im Vorfeld der Demo gewünscht. Weiter hinten im Aufmarsch stritt sich eine Ordnerin mit ihren Gesinnungsgenossen, weil diese nicht – wie offenbar vereinbart – in Dreierreihen marschierten.

Kurzer Ausflug für die Neonazis

Ihre Kundgebung mussten die Neonazis in Hörweite des Gegenprotests veranstalten. Während es zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Teilnehmern des Gegenprotests kam, rief Florian Grabowski (Kameradschaft Rheinhessen) dazu auf, „diese Volksverräter aus unserem Reichstag (zu) schmeißen“. Als der Wasserwerfer der Polizei sich in Richtung des Gegenprotests schob, applaudierten die Rechtsradikalen. „Fegt die Scheiße von der Straße“, fauchte ein Redner der Aktionsgruppe Dessau/Bitterfeld. Es war aber nicht der Gegenprotest, der an diesem Tag nass werden sollte. Trotz der Unterbrechung durch die Wasserbomben waren die Neonazis früher als ursprünglich geplant zurück am Hautbahnhof.

Worch auf Nachwuchssuche

Als einer der letzten Redner sprach Christian Worch. Der 65-jährige gilt als einer der einflussreichsten Rechtsextremisten in Deutschland und hat offenbar Gefallen an der Clique um die NSE gefunden. Als Die Rechte und Aktionsgruppe Dessau/Bitterfeld im Juni in Braunschweig aufmarschierten, war er auch mit von der Partie. Für eine rechte Sammlungsbewegung taugen gewaltbereite rechte Außenseiter aus dem Umfeld der „Neuen Stärke“ wohl kaum, das hat der gefloppte Aufmarsch in Weimar gezeigt. Doch das dürfte Worch nicht stören: Der Vordenker der „freien Kameradschaften“ setzt auf Militanz: Er wolle „das Volk in Aktion“ sehen, sagte er zum Ende der Kundgebung in Weimar. „Und dann Gnade euch Gott.“