Hip-Hop, Kapuzenpullover, englische Parolen – und extrem gewalttätig: „Autonome Nationalisten“ werden im Rechtsextremismus immer einflussreicher, fordern die NPD heraus. Der Verfassungsschutz warnt vor ihnen, Politiker und Polizei befürchten sogar Tote bei Straßenkämpfen.
Bundesweit für Aufsehen sorgten die „Autonomen Nationalisten“ (AN) erstmals am 1. Mai in Hamburg. Etwa 1200 Rechtsextremisten – darunter 400 schwarz gekleidete Neonazis in einem Block formiert – marschierten durch den Stadtteil Barmbek. Aus der Demonstration heraus wurden Polizisten, Journalisten und Gegendemonstranten angegriffen.
„Hätte die Polizei sich nicht dazwischengeworfen – es hätte Tote gegeben“, sagte der sichtlich mitgenommene Einsatzleiter der Hamburger Polizei, Peter Born. Und Sachsen-Anhalts Leiter des Verfassungsschutzes, Volker Limburg, warnte angesichts der aktuellen Entwicklung: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Todesfall kommt.“
Erstmals schwarzer Block in Berlin
Die „Autonomen Nationalisten“ treten schon seit längerem bei rechtsextremen Demonstrationen gewalttätig auf. Bereits im Mai 2004 gab es in Berlin einen schwarzen Block von „Rechtsautonomen“, der Polizisten bedrängte. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg listete zwischen Juni 2005 bis Ende 2006 ein halbes Dutzend Aufmärsche auf, bei denen die rechten Straßenkämpfer gewalttätig wurden.
Im Jahr 2007 kam es bei einem Neonazi-Aufmarsch in Frankfurt am Main zu internen Auseinandersetzungen zwischen den Teilnehmern, da sich „Autonome Nationalisten“ nicht an die Vorgaben der Ordner gehalten hatten. Und vor wenigen Wochen marschierten mehrere hundert schwarz gekleidete Neonazis in Stolberg bei Aachen auf. Auch dort waren sie äußerst aggressiv.
Bundesweite Aktion
Bis ins Jahr 2007 ging das Bundesamt für Verfassungsschutz von nur 200 „Autonomen Nationalisten“ aus, mittlerweile wurde diese Zahl auf 400 hochgesetzt. Die Zahl steigt möglicherweise bald weiter, denn die Aktionsform AN kommt in der Neonazi-Szene offenbar an. Mittlerweile haben sich die „Rechtsautonomen“ – ganz nach linkem Vorbild der „Antifaschistischen Aktion“ – zu einer „Bundesweiten Aktion“ zusammengeschlossen.
Etwa 25 Gruppen aus ganz Deutschland sind bislang dabei. Die Schwerpunkte der „Autonomen Nationalisten“ liegen in Westdeutschland. Hier konnten die Neonazis bislang keinen größeren Anschluss an moderne Subkulturen herstellen, daher nun diese neue Strategie. Auch Neonazis streben offenbar nach einem modernen Lifestyle und wollen nicht mehr dem Image des dumpfen „Stiefel-Nazi“ entsprechen.
„No justice – no peace“
Die Ziele der „Autonomen Nationalisten“ sind allerdings ebenfalls schnell aufgezählt: „Im Krieg gegen ein Scheiß-System“ stand auf einem Transparent auf der Demonstration am 1. Mai in Hamburg. Und in dem Konzept der „Bundesweiten Aktion“ steht unter den Zielen: „Den Staat (und seine Helfershelfer) bekämpfen, auf allen Ebenen, mit allen Mitteln!“ Weiter steht dort geschrieben: „Amerika? – Du kannst mich mal!“
Dies erscheint besonders bemerkenswert, sind die „Rechtsautonomen“ doch eine eindeutig durch westliche Subkulturen geprägte Strömung; dies wird bei Musik (Hardcore, Hip-Hop), Kleidung (Kapuzenpullover, Jeans) und auch den Parolen („no justice – no peace“) deutlich.
Ohne organisatorischen Rahmen
Was die „Autonomen Nationalisten“ für die Sicherheitsbehörden schwer zu greifen macht: Es gibt keine feste Organisation. „Das Bündnis hat keine Führung, keine Kasse, kein Statut, ist kein Verein oder Partei. Aus den Gruppenvertretern wird ein Rat gebildet wo Abstimmungen getätigt werden“, heißt es in dem Konzept der „Bundesweiten Aktion“. Erfolgreiche Modelle aus der einstmals großen linksextremen Bewegung werden kopiert und an das völkische Weltbild angepasst.
Das birgt viel Sprengpotenzial für die angestrebte Einheit der rechtsextremen Strömungen, die sich besonders die NPD mit ihrem „Kampf um den organisierten Willen“ auf die Fahnen geschrieben hat. Viele Jahre hatte die NPD nach außen Wert auf ein bürgerliches und gesetzeskonformes Auftreten gelegt – obwohl sie zahlreiche vorbestrafte Neonazis integrierte. Dieses Wunschbild kann mit einem schwarzen Block voller Autonomer – dem Inbegriff des Bürgerschrecks – auf den eigenen Demonstrationen nicht mehr transportiert werden.
Spagat zwischen rechts und ganz rechts
Die rechtsextreme Partei ist zudem tief gespalten in einen bürgerlich orientierten und einen ultra-radikalen Flügel. NPD-Chef Udo Voigt will sowohl von der CDU/CSU enttäuschte Wähler für sich gewinnen, als auch die militanten Neonazis an sich binden, stellen diese doch die aktionistische Basis der Partei dar. Ein Spagat zwischen rechts und ganz rechts, der zunehmend einem grotesken Eiertanz gleicht. Immer wieder verwickelt sich die Parteispitze in Widersprüche, was die eigene Position zu den „Autonomen Nationalisten“ angeht.
Experten gehen davon aus, dass sogar eine Spaltung bei diesem Thema folgen könnte. Schon jetzt ist beispielsweise im NPD-Stammland Sachsen zu beobachten, dass die Partei Mitglieder verliert, noch radikalere Splittergruppen aber Zulauf haben. Und in Bayern nimmt die Spaltung bereits Form an. Dort veranstaltete der bürgerliche Flügel der NPD einen „Bayerntag“, der ultra-radikale Flügel rief hingegen zu einem „Frankentag“ auf.
NPD-BLOG.INFO über die „Autonomen Nationalisten“.