Der plötzliche Miniaufmarsch der Neonaziszene am 1. Mai auf dem Kurfürstendamm war von langer Hand geplant. Das geht aus einer internen E-Mail hervor, die schon Tage vor dem Aufmarsch vom Veranstalter an die anreisenden Nazigruppen verschickt wurde.
In der Mail, die dem Antifaschistischen Pressearchiv (apabiz) zugespielt wurde, ist der angeblich spontane Aufmarsch als „Plan B“ angekündigt. Demnach wurde den anreisenden Rechten per SMS das Signal für die Aktion gegeben. In der S-Bahn übernahmen dann eingeweihte Berliner Neonazis die Führung der Gruppe.
Während rund 600 Rechte am 1. Mai in Pankow warteten, hatten sich, wie berichtet, 300 weitere am Südkreuz versammelt. Darunter der frühere NPD-Landesvorsitzende Jörg Hähnel und Anhänger der verbotenen „Kameradschaft Tor“ und „Frontbann 24“. Am S-Bahnhof Halensee verließen sie auf Kommando die Bahn und stürmten Richtung Adenauerplatz. Dabei attackierten sie Passanten und warfen Flaschen auf Polizisten. Erst nach knapp 15 Minuten konnten die Einsatzkräfte die Gruppe stoppen und festsetzen. Offenbar hatten sich die Randalierer gezielt auf gewaltsame Konfrontationen vorbereitet. Bei der Festnahme der 286 Neonazis fanden die Einsatzkräfte verbotene Teleskopschlagstöcke, Pfefferspray, Feuerwerkskörper und ein Messer. Gegen alle Beteiligten wird wegen Landfriedensbruch ermittelt.
Durch das Bekanntwerden der E-Mail kommt der Anmelder des Aufmarsches, Sebastian Schmidtke, in Erklärungsnot. Er hatte dem Polizeieinsatzleiter an der Bornholmer Straße auf Nachfrage versichert, er wüsste nichts von dem Auftritt seiner „Kameraden“ am Ku’damm. Auch die Neonazis in Prenzlauer Berg hatten sich auf Gewalt eingestellt. Bei den Vorkontrollen fand die Polizei 23 Schlagstöcke, pyrotechnische Gegenstände, einen Mundschutz und ein Messer.
Inzwischen wird auch Kritik am Polizeieinsatz laut, weil Verstöße gegen die Versammlungsauflagen während des Aufmarsches anscheinend nicht unterbunden wurden. So skandierte einer der Redner über den Lautsprecherwagen mehrfach die untersagte Parole „Die Straße frei der deutschen Jugend“. Zudem wurde aus dem Aufzug heraus „Hier marschiert der Nationale Widerstand“ gerufen. Am Ende des Aufmarsches sangen knapp 30 Rechtsextreme das als verfassungswidrig verbotene Hitlerjugend-Lied „Ein junges Volk steht auf“. „Es ist ein fatales Zeichen, wenn die Polizei den Rechtsextremisten so etwas durchgehen lässt“, kritisierte die Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus, Bianca Klose. Die Grünen-Fraktion kündigte an, das Thema im Innenausschuss anzusprechen. „Bei mehrfachen Verstößen gegen die Auflagen hätte man den Aufmarsch abbrechen können“, sagte Benedikt Lux (Grüne).