Die NPD und andere Nazi-Gruppen präsentieren sich in sozialen Netzwerken. Jetzt fordern über 200 000 Facebook-User, die NPD-Seiten endlich zu löschen. Rechtsextreme Inhalte können aber nur dauerhaft verschwinden, wenn die Nutzer sie beharrlich melden.
„Kein Facebook für Nazis – NPD Seite löschen!“, fordern inzwischen über 230 000 Mitglieder im Netzwerk Facebook. Doch bisher nimmt Facebook die Seite der NPD nicht vom Netz. Solange Inhalte nicht gegen Gesetze verstoßen, gelte bei der Internet-Community die Meinungsfreiheit, auch für Nazis, heißt es. In einem offenen Brief appellieren die Nutzer jetzt noch deutlicher an Facebook, der NPD die Plattform zu entziehen. Facebook antwortet auf Nachfrage: „Die NPD ist eine rechtmäßige Organisation in Deutschland. Solange die Inhalte auf der Seite der NPD nicht gegen unsere Nutzungsbedingungen verstoßen, ist eine Löschung der Seite nicht gerechtfertigt.“ So kann die rechtsextreme Partei weiter munter ihre rassistische Hetze auf Facebook verbreiten.
Von latent rechts bis offen rassistisch – im Netz ist alles vertreten
Wenn Netzwerke rechtsextreme Gruppen und Inhalte verbieten, kommt es weiter auf die Mitglieder an: Schließlich gibt es bei Facebook eine Vielzahl von NPD-Gruppen und würde eine gelöscht, kann sie sich direkt neu gründen. Auf Facebook rollte gestern daher eine „Spamwelle“. Gegner fluteten Nazi-Seiten mit Beiträgen, luden Bilder und Symbole gegen rechts hoch. Nicht nur gegen NPD-Seiten liefen die Spam-Aktionen, sondern etwa auch gegen die Seite der rechten „Partei National Orientierter Schweizer“ (PNOS).
Die Betreiber der Seiten können Einträge auf ihrer Pinnwand zwar löschen, aber scheinen derzeit nicht daran interessiert oder mit der Flut überfordert. Erste Wirkungen zeigten sich gestern auf der Seite „Österreich hat schon genug Ausländer“. Deren Gründer suchte verlässliche Personen, die ihm mit der „zugespamten“ Seite helfen könnten. Und er bittet seine Freunde, rassistische Kommentare zu unterlassen, weil „Facebook wahrscheinlich ein Auge auf die Gruppe haben“ werde. Neben der Spamwelle meldeten Nutzer immer wieder rechtsextreme Seiten an Facebook, darunter offen rassistische – viele davon lässt Facebook bisher online.
Andere Nutzer eröffneten eine Facebook-Seite namens NPD, besetzten somit den Titel und klären dort über die rechtsextreme Partei auf. Die digitalen Demonstranten machen weiter mit ihrem Protest. Eine „digitale Lichterkette“ soll am 22. und 23. Mai ein „Zeichen für Zivilcourage, Toleranz und Solidarität“ setzen. Als Profilfoto sollen die Unterstützer ein Foto von sich hochladen, wie sie ihren virtuellen Nachbar die Hände reichen. Die eingereichten Bilder werden zu einem Mosaikfoto zusammengefügt, dem „Symbol des Protests“.
Verboten heißt nicht gleich gesperrt
Auch im deutschen Netzwerk StudiVZ mussten die Nutzer lange fordern, bis sich der Betreiber dazu entschloss, rechtsextreme Inhalte jeder Art zu löschen. Durch den Druck der User und die vom Konzern gefürchtete negative Berichterstattung in den Medien hat es schließlich geklappt. Rassistische, sexistische, und andere diskriminierende Veröffentlichungen sind nicht gestattet, heißt es im Verhaltenskodex. Wer verstößt, riskiert, dass sein Profil gesperrt wird. Dutzende Naziseiten wurden bei Schüler-, Studi- und MeinVZ schon gelöscht.
Doch das umzusetzen scheint schwierig. Während auf Facebook die Aktionswelle rollt, finden sich auch im Studiverzeichnis noch viele rechte Anspielungen. Gruppen mit dem Titel „Stoppt die Asylanten“ oder „Wir sind Autonome Nationalisten“ zeigen ihre rechtsextremen Einstellungen mehr oder weniger eindeutig. Damit StudiVZ solche Gruppen oder Profile löscht, müssen sie erst auffallen – also immer wieder gemeldet werden.
Nicht immer sind Gruppen leicht als Nazi-Vereinigungen zu erkennen: „Ich bin nicht unbeliebt, meine Freunde werden nur immer gelöscht“. Wer auf diesen Gruppen-Namen stößt, kann sich zwar denken, dass die Freunde der Mitglieder nicht grundlos gelöscht werden, sondern weil Inhalte ihres Profil dem Kodex widersprachen. Dass viele Gruppen-Mitglieder tatsächlich rechtsextrem eingestellt sind, zeigt sich aber erst in ihrem Profil und anhand ihrer anderen Mitgliedschaften. Genauso bei der Gruppe „…Wir werden immer mehr!“ So können sich Nazis zusammenschließen und ihre Freunde in die Gruppe einladen, ohne gleich aufzufallen.
Auch offen rassistische Beiträge müssen erst gefunden werden, vom Betreiber oder Usern. Trotz der Verhaltensregeln: Solange Nazis bei StudiVZ ihren Freunden auf die Pinnwand schreiben, dass diese „genegert“ wurden, scheitert ein offenes, tolerantes Netzwerk an der Umsetzung des Kodex. Bei Facebook kämpfen die Nutzer bisher noch für einen Kodex mit ausdrücklichem Nazi-Verbot im Netzwerk.