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Nazi-Totschläger erkämpft milderes Urteil

 

Ein rechtsextremistischer Mörder eines Obdachlosen in Brandenburg hat zwei Jahre nach der Tat vor Gericht eine mildere Strafe erkämpft. Für den Mord an einem Arbeitslosen im uckermärkischen Templin soll Sven P. (20) nur noch neun statt zehn Jahre in Jugendhaft sitzen. Das entschied das Landgericht Neuruppin am Mittwoch in einem Revisionsprozess.

Von Tagesspiegel-Autor Alexander Fröhlich

Wegen der Brutalität hatte die Tat zweier Rechtsextremisten vor zwei Jahren großes Entsetzen ausgelöst. P. hatte im Juli 2008 den damals 55-jährigen Bernd K. mit Schlägen und Tritten so schwer traktiert, dass der wehrlose Mann an seinen Kopfverletzungen starb. Danach hatten P. und der heute 23 Jahre alte Christian W. versucht, die Leiche zu verbrennen.

Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts war im vorigen Jahr entsprechend deutlich ausgefallen. Richter Gert Wegner sprach von „Mordlust“, von „äußerster Brutalität“ und einem unfassbaren Geschehen, zumal bei P. „das neonazistische Menschenbild“ eine Rolle gespielt habe „bei der Auswahl des Opfers“, das sie als minderwertig angesehen hätten. Gegen P. hatte das Gericht mit zehn Jahren Haft die Höchststrafe nach Jugendrecht wegen Mordes verhängt. Christian W. war hingegen zu neun Jahren und drei Monaten Haft wegen Beihilfe zu Mord verurteilt. P. legte Revision ein.

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte in Januar die Urteile gegen die beiden jungen Männer weitgehend, nur bei dem zur Tatzeit 18 Jahre alten Sven P. beanstandeten die obersten Richter das Strafmaß, weil dieser vermutlich nicht Alleintäter war. Die Rolle seines Gesinnungsgenossen bei dem stundenlangen Gewaltexzess sei möglicherweise zu gering eingeschätzt worden, was sich auf die Haftzeit auswirken müsste.

Immerhin forderte der Bundesgerichtshof aber ein Hafturteil für P. „im obersten Bereich des Strafrahmens“. Dem entsprach das Landgericht am gestrigen Mittwoch, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, mit einer Haftzeit von neun Jahren und ging zugunsten des Haupttäters P. davon aus, dass der Tatbeiträg von Christian W. größer war. „Indirekt strafmildernd“ wertete das Gericht auch, dass P. betrunken war und von seinem Komplizen „angestachelt wurde, immer noch einen draufzusetzen“.

Die Nebenkläger, es sind die Angehörigen des Opfers, plädierten weiterhin auf Höchststrafe. Der Verteidiger forderte, die Haftzeit auf acht Jahren herabzusetzen und berief sich dabei auf Einschätzung der Fachleute im Gefängnis. Demnach benimmt sich P. dort unauffällig, hat eine Lehre als Maler begonnen, sich für ein Programm gegen Hass und Gewalt angemeldet und will nächstes Jahr eine Entzugstherapie aufnehmen. Erstmals äußerte sich auch P. selbst, nannte den Gewaltexzess vom Juli 2008 „dumm“ und gab an, nach dem Gefängnis ein „ordentliches Leben“ führen zu wollen.

In Templin hatte der Fall eine breite Debatte über den Umgang mit Rechtsextremisten ausgelöst, denn anfänglich war von oberster Stelle im Rathaus sogar erklärt worden, die Stadt habe damit kein Problem.