Bei der Verleihung des Sächsischen Förderpreises für Demokratie hat die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) gewünschte Anti-Extremismus-Erklärung zu einem Eklat geführt. Das für den mit 10 000 Euro dotierten Hauptpreis vorgesehene Alternative Kultur- und Bildungszentrum aus Pirna hat die Ehrung am Dienstagabend aus Protest gegen die Extremismusklausel nicht angenommen.
Von Hannes Heine
Die insgesamt zehn nominierten Antirassismus-Projekte sollten sich im Vorfeld schriftlich zur „Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland“ bekennen und versichern, dass auch Partnervereine dem Grundgesetz verpflichtet seien. Die Erklärung stelle die Projekte unter Extremismusverdacht, sagte die sächsische Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne). In einer Zeit, „in der immer mehr Menschen der Demokratie große Vorbehalte entgegen bringen und den Mut zur Mitgestaltung verlieren“, sei dies besonders fatal.
Ministerin Schröder hatte erst kürzlich angeregt, eine Erklärung zur Vergaberegel für staatliche Zuschüsse an zivilgesellschaftliche Initiativen zu machen. Die schwarz-gelbe Landesregierung in Dresden hatte das für den diesjährigen Förderpreis umgesetzt. Der Pirnaer Verein teilte mit, dass Verfassungsschutzbehörden zuweilen schon sozialistische Organisationen als extremistisch einstuften. Lege man die zu unterzeichnende Klausel eng aus, wäre eine Zusammenarbeit mit der Linken untersagt. Auch Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin zeigte Verständnis für den Pirnaer Verein: „Anstatt gelungene Arbeit vor Ort zu würdigen, wird eine verfassungsrechtlich mehr als bedenkliche Erklärung vorgelegt.“ Den Förderpreis vergibt die Amadeu-Antonio-Stiftung gemeinsam mit der Stiftung Frauenkirche und weiteren Dresdner Einrichtungen.
Hier die Stellungnahme der Betroffenen Einrichtung:
Liebe Nominierte, werte Gäste, sehr geehrte Jury-Mitglieder,
heute wird hier der Sächsische Demokratiepreis 2010 verliehen. Wir sind Mitglieder und Unterstützer_innen des AKuBiZ e.V., eines Pirnaer Vereins, der für den Preis nominiert ist. Wir werden heute keinen der Preise annehmen und möchten erklären, warum wir uns dafür entschieden haben.
Vor wenigen Tagen forderten die Initiator_innen alle Nominierten auf, eine „antiextremistische“ Grundsatzerklärung(1) zu unterschreiben, deren Inhalt zweifelhaft und kritikwürdig ist. Wir haben dies, wie alle Anderen getan, sehen uns nun aber in der Verantwortung davon zurück zu treten und Stellung zu beziehen.
Im Schreiben heißt es, dass wir als Nominierte nicht den Anschein erwecken dürfen „extremistische Strukturen“ zu unterstützen. Aber ab wann erwecken wir den Anschein? Die jahrelange Unterstützung der Gegenaktivitäten zu Europas größtem Naziaufmarsch in Dresden erfüllt nach Ansicht der Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit diesen Punkt. Uns aber ist es ein Anliegen, dass Nazis nicht ungestört durch die Straßen laufen können, um ihre menschenverachtenden, mörderischen Ideologien zu verbreiten.
Weiterhin fordert die Grundsatzerklärung die Pflicht ein, dass wir als Nominierte alle unsere Partner_innen auf „Extremismus“ prüfen. Dafür schlagen die Verfasser_innen u.a. Nachfragen bei den Verfassungsschutzämtern vor.
Wir aber wählen seit Jahren unsere Partner_innen danach aus, ob sie humanistische Grundsätze teilen, sich gegen Diskriminierung und für gesellschaftliche Teilhabe einsetzen. Wir glauben dies auch besser einschätzen zu können, als der Verfassungsschutz, dem Gerichte wiederholt attestierten, fehleinzuschätzen.
Nach der Definition von Bundesregierung und den Verfassungsschutzbehörden sind beispielsweise Organisationen, die eine sozialistische Gesellschaft anstreben als „extremistisch“ anzusehen. Danach wäre uns selbst eine Zusammenarbeit mit der SPD oder der LINKEN untersagt. Die intransparente Kategorisierung von Initiativen, die sich gegen Rechts engagieren, werden wir nicht mit einer unsolidarischen „Gesinnungsprüfung“ unterstützen. Die Aufforderung an uns, unsere Kooperationspartner_innen auszuleuchten, erinnert eher an Methoden der Stasi und nicht an die Grundlagen einer Demokratie.
Uns stellt sich die Frage, warum die nominierten Initiativen nicht unterschreiben sollten, dass sie sich den Menschenrechten verpflichtet fühlen und dass sie humanistische Grundsätze teilen. Da dem nicht so ist, muss angenommen werden, dass dies den Initiator_innen des Sächsischen Demokratiepreises nicht wichtig ist. Die Zustände in den Heimen für Asylsuchende untermauern diese Vermutung. Stattdessen wurden wir als antirassistische Initiative aufgefordert, die faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl (Art. 16a GG) gut zu heißen, indem wir uns den Zielen des Grundgesetzes kritiklos verpflichten.
Seit neun Jahren arbeiten wir ehrenamtlich in der Region in Pirna für Menschenrechte und gegen rechtes Gedankengut. Bei mehr als 30 Veranstaltungen im Jahr leisten wir unseren Beitrag zur Demokratieentwicklung im ländlichen Raum. Für unser Engagement wurden wir angefeindet und Mitglieder unseres Vereins erfuhren Bedrohungen, Körperverletzungen und Sachbeschädigungen durch Brandanschläge.
Unsere vielfältigen Projekte haben die Jury dazu bewogen uns für den Sächsischen Demokratiepreis 2010 zu nominieren. Darüber haben wir uns sehr gefreut, war es doch eine Bestätigung unserer bisherigen Arbeit.
Wir stehen für Menschenrechte, Chancengleichheit und Antirassismus. Für diese Ziele werden wir uns auch in Zukunft gemeinsam mit allen, die unsere Grundsätze teilen, einsetzen. Deshalb lehnen wir diesen Preis ab, der uns viel bedeutet und unsere Arbeit gewürdigt hätte!
AKuBiZ e.V. Pirna, 09.11.2010 Dresden
Weitere Infos unter: ablehnung.blogsport.de