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Konfetti für die NPD – Besuch eines Nazitreffens

 

Rund 700 Menschen protestierten vor der Halle gegen das Nazitreffen © Matthias Zickrow

An diesem Samstag war es soweit: NPD und DVU hatten zum „Festakt“ in die Lichtenberger Max-Taut-Aula in Berlin geladen. Gleichzeitig sollte an diesem Tag der Berliner Wahlkampfauftakt der fusionierten Partei „NPD – Die Volksunion“ begangen werden. Ein Grund für uns, an diesem Vormittag am S-Bahnhof Nöldnerplatz ein Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu setzen – auch in der Halle, wo die Neonazis ihre Reden schwangen.

Ein Erlebnisbericht von den Störungsmelder-Autoren Ario Ebrahimpour Mirzaie und Clara Herrmann

Bereits ab 12 Uhr strömten Gegendemonstranten zum Sammelpunkt an der antifaschistischen Gedenkstelle für den Rummelsburger Arbeiterwiderstand. Ab 13 Uhr sollten die Rechtsextremisten die öffentlichen Räume der Max-Taut-Halle betreten dürfen – ausgerechnet am Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Das oberste Verwaltungsgericht hatte mit Verweis auf das Parteiengesetz zu Gunsten der Neonazis entschieden. So standen wir gemeinsam mit rund 700 lauten Demonstrierenden aller demokratischen Gruppierungen an den Absperrungen vor dem Veranstaltungsort. „Nazis raus“ lautete die Parole des Tages. Von dort aus beobachteten wir rechtsextreme Funktionäre, wie den sächsischen Fraktionsvorsitzenden der NPD, Holger Apfel, beim betreten der Aula. Der Eingangsbereich füllte sich, wenn auch nur langsam und sehr überschaubar. Um 14 Uhr sollte es drinnen losgehen. Ein „fulminanter Wahlkampfauftakt“ (Zitat Klaus Beier, NPD-Pressesprecher) sieht wahrlich anders aus. Es waren fast zehn Mal mehr Gegendemonstranten als Neonazis vor Ort. Die Berliner Polizei hat die Zahl der NPD-Gäste zu diesem Zeitpunkt mit rund 65 beziffert.

Gegen 13.45 Uhr lud uns die Bezirksbürgermeisterin von Lichtenberg, Christina Emmrich (Linke) ein, mit ihr und weiteren Interessierten von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linken dem braunen Spuk im Inneren der Max-Taut Schule einen besuch abzustatten. Wir überlegten nicht lange, denn schließlich konnten wir so auch drinnen zeigen, dass wir da sind und zusehen, welches menschenverachtende Gedankengut verkündet wird. Im Einladungstext der NPD hieß es schließlich: „Öffentlicher Wahlkampfauftakt in Berlin […] Kommt alle!“ Dieser Einladung folgten wir mit etwa 20 Personen, ausgestattet mit kleinen Gastgeschenken. Vor der Aula angekommen war den Organisatoren der NPD die Nervosität anzusehen. Einerseits die vielen Gegendemonstranten, andererseits kritische BürgerInnen, die von ihrem Recht, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen Gebrauch machen wollen. Wir nahmen in der zweiten Reihe im hinteren Teil der Aula Platz. Schnell waren wir umgeben von grimmig dreinblickenden Neonazis und dem „Ordnerdienst“ der NPD. Andere Gäste hatten da schon die Plätze verlassen. Ihnen gefiel die „Anwesenheit von Bolschewisten und Linksextremisten“ nicht. Dabei wurde Parteichef Udo Voigt nicht müde, immer wieder die Meinungsfreiheit, die Demokratie und die Versammlungsfreiheit zu betonen. Das gewohnte Bild verlogener faschistischer Rhetorik. Der Versuch einer Inszenierung konnte beginnen.

Es begann mit einem Grußwort der Kreisvorsitzenden der NPD in Berlin-Lichtenberg. Gefolgt von der Vorstellung der wenig aussichtsreichen Kandidaten für die Berliner Landesliste. Samt Slogans wie „Vaterland oder Tod“. Im Schnitt dürften die „Anwärter für das Abgeordnetenhaus“ um die 65 Jahre alt gewesen sein. Unter ihnen viele Herren jenseits des Renteneintrittsalters. Besonders zukunftsorientiert wirkt das nicht. Auf der Bühne echauffierte man sich über die Bezirksbürgermeisterin und die engagierten Proteste vor der Tür und im Saal. Dies zog unsererseits an merklich unpassenden Stellen Applaus nach sich. Dies animierte wiederum einige NPD Mitglieder, reflexhaft mitzuklatschen. Mitdenken? Fehlanzeige! Andere waren hingegen „not amused“ und zischten uns von hinten immer wieder an. Sie würden ohnehin gewinnen, ihre Ideologie wäre ebenso „ansteckend“ wie unsere lauten Hustenanfälle. Wer es glaubt…

Skurril wurde es, als der frühere SPD-Bürgermeister von Krauschwitz, Hans Püschel, feierlich auf die Bühne gebeten wurde. Er zitierte Rosa Luxemburg, deren Tod zuvor noch durch die Anwesenden bejubelt wurde. „Sie hat schwimmen gelernt“ zischte ein aggressiver Jungnazi hinter uns. Nun also ein Zitat der zuvor in bekannter antisemitischer Manier als „nicht-deutsche, polnischen Jüdin“ beschimpften Rosa Luxemburg. Natürlich jenes, in dem es um die Freiheit der Meinung geht. Man legt sich die Geschichte eben zurecht, wie es einem passt. Das kennen wir ja. Wem das zu Recht merkwürdig erschien, der hat noch nicht erlebt, wie ein früherer SPD-Bürgermeister auf einer NPD-Veranstaltung seine rechtsextremen Ansichten als Liedgut zum besten gibt. Kein Witz! Es folgte ein mehr schlecht als recht vorgetragenes Lied über Bankenkrise, Vaterland und Scheibenkleister. Eine Fremdscham, der sich den Geschichtsausdrücken im Saal folgend nicht nur wir bewusst waren. Das war er also Hans Püschel aus Krauschwitz live.

Nach einigen verkrampften Lachern wurde es still im ohnehin schon chronisch unterbesetzten Saal. Eine gespenstische Marschmusik setze ein. Dann kamen okkult anmutende Fahnenträger. Rechts einer von der NPD, links einer von der DVU. Bei der DVU reichte es nur für ein Plastikbanner. Feierlich wurden beide auf der Bühne vereint präsentiert, gemeinsam mit dem neuen Bundesvorstand. Wir begleiteten das groteske Schauspiel mit lautem Husten und Würgen. Kurz darauf ergriff der ehemalige DVU-Vorsitzende Matthias Faust das Wort. Ein kräftiger, groß gewachsener Mann mittleren Alters mit schütterem Haar. Es war nun gut eine Stunde vergangen, um uns herum immer mehr Ordner und Aktivisten. Draußen löste sich die Gegenkundgebung nun langsam auf. Wir beschlossen, dass wir genug gesehen und uns Aufmerksam gemacht hatten. Im Saal begann es ohnehin gerade penetrant nach ausgelaufenem Aftershave zu riechen. Zeit zum Aufbruch. Zum Abschied gab es Konfetti und Glitter. Konnten sie gut gebrauchen, die grauen Herren und verdächtig wenigen Frauen der NPD.