Auf eine kleine Anfrage der Bundestagspräsidentin Petra Pau und der Linksfraktion, äußerte das Bundesinnenministerium, dass seit der Wiederveinigung 1990 bis Ende 2007 die Polizeien der Länder dem Bundeskriminalamt „insgesamt 40 Todesopfer politisch rechts motivierter Gewalt gemeldet“hätten. Also seien jedes Jahr durchschnittlich mindestens zwei Menschen von Rechtsextremisten oder Rassisten ermordet worden.
Abgesehen davon, dass diese Zahlen schon erschreckend genug sind, so verwundern sie doch: Das BKA hatte vor drei Jahren selbst noch von 41 Todesopfern gesprochen. Eine Chronik des „Stern“-Projekts „Mut gegen rechte Gewalt“ dokumentiert in einer erschreckenden Liste der Nazigewalt sogar 130 Morde seit dem Mauerfall bis 2005…
Es gebe einen „eklatanten und zunehmenden Widerspruch“ zwischen den Zahlen, die Journalisten und Initiativen ermittelt haben, und den Zahlen des Bundesinnenministeriums, sagte Pau am vergangenen Mittwoch. Außerdem sei „auf wundersame Weise“ aus der amtlichen Statistik ein Tötungsdelikt verschwunden, das 2005 noch registriert war.
Welches Tötungsverbrechen aus der Statistik herausgefallen ist, war am Mittwoch offiziell nicht zu erfahren. Laut einem Artikel im Tagesspiegel handelt es sich um den Fall des im März 2005 in Dortmund von einem Skinhead erstochenen Punks. Das Landgericht hatte im November 2005 im Urteil gegen den Täter einen politischen Hintergrund des Angriffs verneint.
Unverständnis bei Opferinitiativen
Dass die Bundesländer lediglich 40 Tote melden, sei „vollkommen unverständlich“, sagte Dominique John, Mitarbeiter des Potsdamer Vereins Opferperspektive und ehemaliger Koordinator der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in Berlin und den neuen Ländern. Die Zahl mache ihn „sprachlos“. Er schätze, dass seit Oktober 1990 „deutlich mehr als 120 Menschen“ bei Angriffen rechts motivierter Täter ums Leben gekommen sind. Und John ist sich mit Pau einig: Um die Realität zu dokumentieren, sei eine „unabhängige Beobachtungsstelle“ notwendig, die sich mit Rechtsextremismus bis hin zur einschlägigen Kriminalität befasst.
Aktuelle Fälle – Ähnliches Muster
Die Linksfraktion hatte in ihrer Anfrage auch vier Tötungsverbrechen aus diesem Jahr erwähnt. Es ging um zwei Fälle in Sachsen-Anhalt und je eine Tat in Berlin und Brandenburg (z.T. habe ich hier darüber berichtet). Bei den Beschuldigten gibt es Indizien für eine rechtsextreme oder, im Berliner Fall, zumindest rassistische Gesinnung. Die vier Taten haben die Landeskriminalämter nicht als rechtsextrem motiviert gemeldet. Die strafrechtlichen Verfahren sind noch im Gange. Die Fälle im Einzelnen werden im NPD-Blog-Info aufgelistet und machen dort einen deutlich anderen Eindruck
Eine unabhängige Beobachtungs- und Dokumentationsstelle scheint angesichts dieses „Runterrechnens“ und „Kleinredens“ mehr als angebracht zu sein.
An dieser Stelle noch ein guter Tip, um den Naziterror in der eigenen Schule, dem eigenen Jugendzentrum oder im Rathaus zum Thema zu machen: Eine Wanderausstellung dokumentiert die erschütternde Chronik von Nazimorden und kann hier angesehen und gebucht werden