Das alternative Jugendprojekt Mittendrin aus dem Brandenburgischen Neuruppin hat erfolgreich gegen die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht geklagt. Das Engagement von Mittendrin gegen die Neonaziszene könne nicht mit „Linksextremismus“ gleichgesetzt werden. Die Richter gaben dem Jugendzentrum recht und rügten den Verfassungsschutz. Hier die Stellungnahme von Mittendrin e.V.
Wochenlang ging es durch die lokale Presse: Das Jugendwohnprojekt „MittenDrin e.V.“ wurde im Verfassungsschutzbericht 2010 als Beispiel für „linksextremistische Aktivitäten in Jugendzentren“ erwähnt. Viele Diskussionen und Probleme für den Verein sind daraus entstanden. Bei einigen Projekten blieb die Förderung aus, die Besuchszahlen gingen zeitweise wegen verständlicherweise besorgten Eltern zurück, die Gemeinnützigkeit drohte aberkannt zu werden. Das Image in der Stadt wurde zudem massiv beschädigt.
Anzeige gegen den Verfassungsschutz
Das MittenDrin suchte die öffentliche Diskussion und konnte so die haltlosen Vorwürfe zurückweisen. Leider gab es beim Verfassungsschutz kein Einsehen und so musste schließlich Anzeige auf Unterlassung gegen die Behörde gestellt werden. Am vergangenen Donnerstag wurde über einen Vergleich zwischen Mittendrin und dem Verfassungsschutz vor dem Potsdamer Verwaltungsgericht verhandelt.
Richterschelte: Verfassungsschutz arbeitet „tendenziös und unzulässig“
Nachdem der vorsitzende Richter – durchaus zutreffend – festgestellt hatte, dass hier „Spatzen mit Kanonen beschossen werden“, beleuchteten er und die beisitzenden Richter Stück für Stück die einzelnen Vorwurfspunkte. Dabei kam recht schnell ans Licht, dass der Verfassungsschutz Brandenburg „tendenziös und unzulässig ungenau“ arbeitet.
Die Vertreter_Innen des VS hoben heraus, dass sie die Arbeit des Mittendrin durchaus hoch schätzen würden und es niemals in ihrer Absicht stand, diese zu gefährden. Woraufhin sie von den Richtern darauf hingewiesen wurden, dass eine Erwähnung in besagtem Bericht zu nichts anderem führen könne. Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung stellte sich heraus, dass, wie vom Mittendrin im Vorfeld erwartet, die Punkte, die der Geheimdienst als „extremistisch“ moniert hatte, haltlos sind, sehr ungenau recherchiert und berichtet wurde und die tendenziöse Art und Weise, in der der Bericht über den Verein verfasst worden war, vollkommen ungeeignet erscheint, die vorgeblich hoch geschätzte Arbeit nicht zu gefährden.
Mittendrin-Erwähnung muss geschwärzt werden
Nach diesen und weiteren Zurechtweisungen des Verfassungsschutzes durch die Richter wurde letztendlich eine gütliche Einigung ausgehandelt, die Bände über die Rechtmäßigkeit des Eintrages in dem Bericht spricht: Der Verfassungsschutz hat sämtliche Einträge über das Mittendrin aus dem Verfassungsschutzbericht 2010 zu entfernen. In einer Neuauflage darf es keine Erwähnung mehr geben, in der jetzigen Auflage müssen die entsprechenden Passagen geschwärzt oder herrausgerissen werden, aus der Online-Version sind die Textstellen umgehend zu entfernen. Außerdem hat der Geheimdienst sämtliche Verhandlungskosten zu tragen.
Im Gegenzug verspricht das MittenDrin, in Zukunft genauer darauf zu achten, ob Referent_Innen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung agieren bzw. „linksextremistischen Organisationen“ angehören. Auf die Frage von Seiten der Vereinsleitung, was genau denn nun eigentlich unter Linksextremismus zu verstehen sei, antwortete der vorsitzende Richter: „Wir wissen nicht was Linksextremismus ist, wir wissen nur, dass er strafbar ist“.
Haltlose Vorwürfe bedrohten die Existenz unseres Projekts
Damit sind die Disziplinierungsversuche des Brandenburger Verfassungsschutz gegen alternative Projekte ins Stocken gekommen. Das der Verfassungsschutz die Einigung als eigenen Erfolg zu verkaufen versucht („Verfassungsschutz begrüßt Absichtserklärung“) nehmen wir zur Kenntnis. Die Fakten sprechen gegen diese Wahrnehmung. Der Verfassungsschutz hat eine schallende Ohrfeige für seine diffamierende Arbeit kassiert. Die Richter ließen keinen Zweifel daran, dass im Falle eines Hauptverfahrens der Argumentation des MittenDrins zu folgen ist. Das JWP-Mittendrin hält das Ergebnis des Gerichtstags für einen Sieg der Vernunft. Wir hoffen, uns nach vielen Monaten der Verunsicherung nun endlich ohne den „Extremismus“-Vorwurf im Rücken entspannter unserer Arbeit widmen zu können. Und diese wird weiterhin unabhängig sein und weiterhin auch gesellschaftskritische Veranstaltungen beeinhalten. Wir hoffen inständig, dass der Verfassungsschutz künftig von uns ablässt und aus der richterlichen Kritik an seiner Arbeit Lehren zieht. Fakt ist, dass die Behörde unserer – wie wir finden – legitimen und notwendigen Vereinstätigkeit bis an die Grenzen der Existenzbedrohung Steine in den Weg gelegt hat. Und das, wie nun vor Gericht erneut deutlich wurde, mit völlig substanzlosen Vorwürfen. Eine öffentliche Entschuldigung hierfür steht noch aus.