Die Kampagne „Kampagne „Rassismus tötet!“ berichtet: Kaum war der diesjährige Aufruf zur Gedenkdemonstration an das Pogrom von 1991 in Hoyerswerda erschienen, da tauchten erste Gegenaufrufe der lokalen Neonaziszene auf. Auch die unmittelbaren Bedrohungen gegen Linke reißen in Hoyerswerda nicht ab. So kam es in den letzten Wochen vermehrt zu Angriffen gegen das Büro der Linksparteiabgeordneten Caren Lay. Das Parteibüro wurde bereits mehrmals Ziel von Angriffen. So schlugen im letzten Jahr, nach der Gedenkdemonstration an das Pogrom (17. September 2011), dort eine Scheibe ein. Derlei Provokationen setzen sich nun fort.
Neonazis machen gegen Gedenkdemonstration mobil
Seit rund drei Wochen kursiert auf sozialen Netzwerken ein Aufruf, der ankündigt, dass man den „Linken Zecken“ zeigen wolle, „das Hoyerswerda in nationaler Hand bleibt“. „Wir werden keine Mühe scheuen die linken Idioten an ihrem Aufmarsch zu hindern oder eine spontane Gegendemo zu initiieren […] Wir müssen hier unbedingt ein Zeichen setzen, damit Hoyerswerda nicht im roten Sumpf unserer Volksverräter untergeht.“ heißt es weiter im Mobilisierungstext der Neonazis.
Auch im Stadtgebiet sind Schriftzüge wie „Aufmarsch am 22.09. verhindern! NS Hoy“ zu finden oder Aufkleber, die sich gegen die antifaschistische Demonstration richten. Die Schmierereien sind teilweise mit dem Kürzel „ANH“ unterzeichnet. „ANH“, was für Autonome Nationalisten Hoyerswerda“ steht ist mehr als Selbstbezeichnung zu verstehen, weniger als eine straff geführte Organisation. Aktionsbezogen tauchte das Kürzel immer wieder auf, wenn es darum ging geistige und gestalterische Tiefflüge der lokalen Neonaziszene ins öffentliche Straßenbild zu transportieren.
Bedrohungen gegen die Die.LINKE und die Linksjugend [Solid]
„Mein Büro ist in den letzten 2 Wochen mehr als zehnmal Ziel von rechten Angriffen geworden. Diese reichen vom Anbringen von Aufklebern von “Autonome Nationalisten Hoyerswerda” und “Freies Netz” über das Besprühen des Briefkastens bis hin zu Hakenkreuz-Schmierereien auf den Fensterscheiben.“ Heißt es in einer Erklärung der Abgeordneten Caren Lay, die diese Woche am 20. September erschien. Bereits am 2. Mai wurde das Wahlkreisbüro von Die.LINKE, durch drei Neonazis attackiert. Obwohl die Festgenommenen, klar der Neonaziszene zugerechnet werden konnten, leugnete man den rechter Tathintergrund. „Dieser Vorfall wurde und wird von den zuständigen Polizeibehörden als nicht rechtsmotiviert eingestuft. Diese auch in der Presse verlautbarten Äußerungen, die einen politischen Hintergrund ausschließen, sind indiskutabel. Die Behörden dürfen bei ihrer Beurteilung dieser und ähnlicher Zwischenfälle auf dem rechten Auge nicht blind sein.“ [1] so Caren Lay zur Bagatellisierung der Angriffe.
Für die örtliche Neonaziszene ist es verhältnismäßig egal ob Antifaschist_innen an das Pogrom von ’91 erinnern oder ob im LINKE-Büro eine Sitzung lokaler Initiativen stattfindet, die dann am hellerlichten Tag einfach mal angegriffen wird (2.05.2012). Allein die bloße Anwesenheit von alternativ aussehenden Menschen und Antifaschist_innen reicht aus um die lokale Neonaziszene samt Anhang hervorzulocken. Als am 30. August Mitglieder der Linksjugend [solid] im Rahmen ihrer Provinztour in Hoyerswerda Halt machten war der rechte Bodensatz von Hoyerswerda wieder zugegen. Kaum war der [solid]-Infostand aufgebaut kamen sechs Rechte auf die Solid’s zu und beschimpften sie als „Scheiß Zeckenpack“ und belegten sie mit homophoben Sprüchen.
„Die Polizei erscheint erst 20 min. nach Anruf. Trotz der offensichtlichen Bedrohung weigern sich diese, die Nazis des Platzes zu verweisen und ignorieren auch den Hinweis auf ein Messer das von einem der Nazis gezogen wurde. Nach einiger Zeit nahm die Polizei die Personalien von 2 Nazis auf und versicherte den Veranstalterinnen nun die Namen zu kennen, falls noch was passieren sollte.“ [2] berichteten Mitglieder der Linksjugend auf der Website ihres Landesverbandes.
Die Veranstaltung wurde wetterbedingt ins Wahlkreisbüro von Caren Lay verlegt, worauf sich kurze Zeit später 20 Nazis vor dem Büro sammelten um eine Reichskriegsflagge, so wie ein Transparent zuentrollen. Wieder hagelte es homophobe und rassistische Parolen. Die Polizei, die vor dem Büro zugegen war, sah sich zwar im Stande die Linksjugend-Aktivist_innen zum Abbruch ihrer Veranstaltung aufzufordern, jedoch nicht ihren Schutz zu gewährleisten. So mussten die Jugendlichen das Büro von innen verschließen um ein Eindringen der Neonazis zu verhindern. Unter „Hoyerswerda bleibt Braun“ – Rufen und ohne Polizeischutz, obwohl sie um diesen baten, mussten die Jugendlichen den Rückweg antreten.
Verniedlichen, entpolitisieren, wegschauen?
Die öffentliche Reaktion in Hoyerswerda auf den Vorfall viel wie immer spärlich aus. Die Sächsische Zeitung veröffentlichte dazu am 1. September einen Beitrag, dessen Titel schon das politisch-analytische Verständnis des Verfassers erahnen lässt: „Schlechtes Betragen ist keine Politik – über offenkundig unfreundliche Gesellen“.
„Nun heißt es also wieder einmal, Hoyerswerda habe ein Problem mit Rechten, mit Nazis gar.“ Schreibt Mirko Kolodziej, Lokalredakteur der Sächsischen Zeitung. „Aber wer Gäste der Stadt anpöbelt, beschimpft oder bedroht, so wie es am Donnerstag der Linksjugend erging (siehe links), der hat damit noch lange kein politisches Statement abgegeben.“
Beschimpfungen wie „Zeckenpack“ oder das Zeigen der Reichskriegsfahne scheinen für Kolodziej nicht Indiz genug eine rechte Weltanschauung zu sein. Sehr wohl hatte der rechte Pöbel ein politisches Statement abgegeben – und zwar zu der menschenverachtenden Ideologie, der sie sich selbst so stolz zurechnen. Anstatt die Neonazis auch als das zu bezeichnen was sie sind – denn ja Hoyerswerda hat tatsächlich ein Problem mit Rechten – wird die Ursache für deren handeln in der schlechten Kinderstube gesucht.
„Egal, welcher Auffassung man ist, sollte wohl unter zivilisierten Menschen der Grundsatz gelten: Man lässt auch Andersdenkende ausreden und ist möglichst freundlich zu ihnen. Offenbar gibt es in Hoyerswerda eine Gruppe von Leuten, denen dazu die Kinderstube, der Intellekt oder auch das Einfühlungsvermögen fehlen. Sind dafür alle anderen Leute hier verantwortlich? Sicherlich nicht. Man darf aber laut und deutlich sagen, was man von solcherlei Betragen hält. Und außerdem stellt sich die Frage, wer diese Trampel erzogen hat.“
Die sogenannten „Trampel“, wie es verniedlichend heißt – fast so als würde man mit einem unanständigen Familienmitglied reden – waren auch im letzten Jahr zugegen. Ungehindert durch die Polizei konnten sie sich bewegen, Teilnehmer_innen der Gedenkdemonstration an das Pogrom bedrohen und die Schweigeminute unterbrechen. Und so wird es wohl auch in diesem Jahr wieder sein. Denn das Verhalten der Beamten während der Provokationen gegen die Linksjugend, die politische Bagatellisierung der Angriffe auf das Kreisbüro von Die.LINKE, als auch das Nichtverhalten der Polizei während der Gedenkdemo 2011 sind keine Ausnahme. Sie sind häufiger Normalzustand in einem Bundesland, dessen politische Führung am Beispiel des Naziaufmarsches in Dresden mehrmals unter Beweis stellte, wo sie sich politisch verortet. Trotz „Zwickauer Zelle“ und Europas größtem Neonaziaufmarsch vor der eigenen Haustür stand und steht hier der Hauptfeind immer noch links. Diese antilinke Weichstelle nutzen Neonazis um frei agieren zu können. Die eingangs beschriebenen Ereignisse belegen dies nur zu Gute. Um neonazistische Angriffe und Bedrohungen unmöglich zu machen, ist es darum wichtig den Kreislauf des Wegschauens, Entpolitisieren, und Verniedlichens zu durchbrechen.
An dieser Stelle möchten wir Caren Lay, den Mitarbeiter_innen des Wahlkreisbüros von Die.LINKE in Hoyerswerda und der Linksjugend [solid] Sachsen unsere Solidarität aussprechen. Rechte Übergriffe gilt es nicht zu dulden, nicht in Hoyerswerda oder anderswo!