Nun ist er also da, der Bericht. Der UN-Ausschuss hat auf elf Seiten seine Bemerkungen zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vorgelegt.
Die UN-Konvention ist ein internationaler Vertrag, in dem sich die Staaten verpflichten, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten. Der Fachausschuss der Vereinten Nationen hat in Genf überprüft, ob Deutschland die Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention korrekt umgesetzt hat und welche Fortschritte bei der Umsetzung der Menschenrechte seitdem erreicht wurden.
Stünde auf dem Papier am Ende eine Schulnote, Deutschland bekäme wohl eine glatte Fünf. Denn der Ausschuss hat Bund, Ländern und Kommunen klar mitgeteilt, sie sollten jetzt mal langsam voranmachen, um die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland zu verbessern – und das auf allen Ebenen und in fast allen Themenbereichen. Nur am Anfang wurde ein kleines bisschen gelobt: Den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung würdigte man und die Anerkennung der Deutschen Gebärdensprache. Aber dann hagelte es Kritik. Ich habe mal ein paar Punkte herausgegriffen:
Menschenrechte
Der Menschenrechtsansatz der Konvention sei in vielen Bereichen weder verstanden noch umgesetzt worden. Er sei auch in den meisten Gesetzen nicht sichtbar. In der Statistikerfassung mache sich das zum Beispiel bemerkbar. Die Datenlage zur Situation von Menschen mit Behinderungen in Deutschland sei nicht ausreichend.
Angemessene Vorkehrungen
In anderen Ländern gilt es zum Beispiel als diskriminierend, wenn Geschäfte sich weigern, eine Rampe anzuschaffen, um das Beispiel aus meinem letzten Beitrag aufzugreifen. Der Bericht mahnt an, dass Deutschland nicht einmal solche Vorkehrungen definiert habe. Außerdem werde es nicht als Diskriminierung angesehen, wenn Institutionen und Unternehmen zum Beispiel keine Rampe bauten und behinderte Menschen damit ausschlössen. Der Ausschuss rät dringend, diese „angemessenen Vorkehrungen“ gesetzlich zu verankern.
Institutionalisierung
Der Ausschuss kritisierte auch die Rolle von Institutionen in Deutschland. Das Thema Gewalt innerhalb und außerhalb von Institutionen werde vernachlässigt und eine unabhängige Monitoringstelle dazu fehle. Außerdem müssten das selbstbestimmte Leben behinderter Menschen besser gefördert und behinderungsbedingte Kosten getragen werden, statt den Einzelnen oder die Familien unnötig zu belasten.
Schulische Inklusion
Im Bereich der schulischen Inklusion hat der UN-Fachausschuss Deutschland dringend empfohlen, ein inklusives Bildungssystem in allen Bundesländern einzuführen. Förderschulen sollten abgebaut werden, um Inklusion möglich zu machen und mehr Kindern mit Behinderungen den Weg in die Regelschulen zu eröffnen. Dafür müssten die Schulen entsprechend ausgestattet werden und die Lehrerausbildung reformiert werden.
Inklusion im Berufsleben
Der Ausschuss bemängelte die unzureichende Inklusion behinderter Menschen in den ersten Arbeitsmarkt und kritisierte auch die Rolle der Behindertenwerkstätten. Diese sollten eine Exit-Strategie entwickeln, um mehr behinderten Menschen den Zugang zu regulärer Arbeit zu ermöglichen.
Wahlrecht
Noch immer dürfen nicht alle behinderten Menschen in Deutschland wählen. Der UN-Ausschuss hat Deutschland aufgefordert, das dringend zu ändern und auch Menschen mit Behinderungen vollen Zugang zu den Wahlurnen zu geben.
Zugang zu Information
Der Ausschuss hat außerdem kritisiert, dass behinderte Menschen keinen Zugang zu wichtigen Informationen hätten. Dabei geht es zum einen um blinde Menschen. Deutschland solle endlich das Abkommen von Marrakesch ratifizieren und umsetzen, das unter anderem blinden und sehbehinderten Menschen erlaubt, Kopien eines Werkes anzufertigen, ohne dabei Rechte zu verletzen. Außerdem forderte der Ausschuss, Warn- und Notrufsysteme auch für gehörlose Menschen zur Verfügung zu stellen. Zudem müssten barrierefreie Medienangebote ausgebaut werden.
Also alles in allem ist die Liste sehr lang. Die nächste Staatenprüfung steht 2019 an. Viel Zeit also, wirklich etwas zu ändern und die UN-Konvention auch in Deutschland mit Leben zu füllen.