Nach den Olympischen Spielen und den Paralympics in London gab es eine Frage, die mir dauernd gestellt wurde: Warum gibt es eigentlich zwei verschiedene Veranstaltungen? Warum gibt es zwei Eröffnungs- und zwei Abschlussfeiern. Jedes Mal musste ich den mich erwartungsvoll anschauenden Gesichtern sagen: „Ich weiß es nicht. Ich kann es auch nicht nachvollziehen.“ Nun hat Paralympicssieger Heinrich Popow in einem Interview mit dem Tagesspiegel die Diskussion um gemeinsame Wettbewerbe von behinderten und nichtbehinderten Sportlern abermals angeheizt. Er hält nichts von der Idee, dauerhaft gemeinsame Wettbewerbe mit Nichtbehinderten zu veranstalten.
Gleichzeitig greift er den Sportler Markus Rehm an. Rehm ist behinderter Leichtathlet und hatte 2014 mit einer Weite von 8,24 Metern die Deutsche Meisterschaft der nichtbehinderten Sportler gewonnen.
Rolle der Paralympics
Vor den Paralympics in London, die ich live erlebt habe, mochte ich die Paralympics nicht besonders, weil ich mir selbst immer die Frage gestellt habe, warum das eigentlich zwei Veranstaltungen sein müssen. Ich empfand die Paralympics als eine ziemlich klischeemässige und wenig inklusive Behindertenveranstaltung, auch weil ich den Behindertensport in Deutschland selbst so erlebt habe. Als in einer nichtbehinderten Umgebung aufgewachsener Teenager musste ich in einen Behindertensportverband gehen, um Sport zu machen, weil mich der örtliche Sportverein nicht genommen hat. Da ging es nicht um spezielle Förderung, sondern ganz klar um Ausgrenzung. Ich gehörte nicht dazu. Ich musste in einen speziellen Sportverein. Und ich verlor deshalb auch schnell den Spaß daran. Ich hatte mit den anderen Sportlern meines Vereins nicht viel gemeinsam – außer den Schwerbehindertenausweis.
2012 habe ich ganze Tage in Stadien und anderen Sportstätten verbracht und habe sehr viel von den Paralympics gesehen. Die Paralympics waren großartig. Es war ein tolles Erlebnis und die Stimmung bei den Zuschauern war genauso gut wie bei den Olympischen Spielen, die zwei Wochen zuvor stattfanden.
Warum zwei Veranstaltungen?
Aber die Frage, warum das zwei Veranstaltungen sind, ist für mich seitdem noch viel drängender. Es gab ausverkaufte Spielstätten, ein begeistertes Publikum, super Berichterstattung im ganzen Land. Die Briten haben gezeigt, dass die Paralympics nicht mehr stiefmütterlich neben den Olympischen Spielen ihr Dasein fristen müssen. Warum sind dann also ausgerechnet viele behinderten Sportler dagegen, die beiden Events zusammenzulegen? Dabei geht es nicht darum, behinderte gegen nichtbehinderte Sportler antreten zu lassen, sondern beispielsweise ein Basketballspiel nichtbehinderter Sportler im Anschluss an ein Rollstuhlbasketballspiel zu zeigen oder umgekehrt.
Dennoch haben viele behinderten Sportler Angst, dass sich niemand mehr für sie interessiert, wenn Usain Bolt zeitgleich läuft. Aber das Problem gibt es jetzt auch schon. Wenn Usain Bolt läuft schaut auch kaum jemand Judo. Es ist also immer ein Kampf um Aufmerksamkeit, nicht um behinderte Sportler versus nicht behinderte Sportler. Und die Spiele 2012 haben bestens bewiesen, dass sich das Publikum für behinderte Sportler genauso begeistern kann wie für nicht behinderte Athleten. Und Inklusion ist keine Einbahnstraße. Auch behinderte Sportler müssen sich dafür öffnen, im normalen Sportzirkus mitzumachen.
Man braucht keine getrennten Wettbewerbe für behinderte und nicht behinderte Sportler mehr. Gerade der Sport hat eine große Möglichkeit, Vorbild für andere Gesellschaftsbereiche zu sein. Es wird wirklich Zeit und die behinderten Sportler sollten ihre Angst ablegen, vom Schattendasein in die Mitte des Sportzirkus‘ einzuziehen.