Weil ihr Kind nur eine Teilnehmerurkunde bei den Bundesjugendspielen bekam und deshalb weinte, hat eine Mutter eine Petition zur Abschaffung der Bundesjugendspiele gestartet. Was auf den ersten Blick wie die Überreaktion aussieht, ist auch für andere ein Aufregerthema.
Für behinderte Schüler problematisch
In meiner Twitter-Facebook-Blase forderten vor allem behinderte Freunde, die Petition zu unterstützen, die selbst in Regelschulen gegangen waren. Dort wurden sie entweder als Einzige von den Bundesjugendspielen ausgeschlossen oder hatten aufgrund ihrer körperlichen Eigenschaften gar keine Chance, mit den anderen Schüler zu konkurrieren.
Bloggerin Ninia LaGrande, die kleinwüchsig ist, hat ihre Erfahrungen mit den Bundesjugendspielen in ihrem Blog dokumentiert und unterstützt die Petition – so wie 15.000 andere, die die Petition unterdessen unterzeichnet haben.
Sie sind der Meinung, die Bundesjugendspiele seien nicht mehr zeitgemäß: „Der Zwang zur Teilnahme und der starke Wettkampfcharakter sorgen bei vielen Schülern für das Gefühl, vor der Peergroup gedemütigt zu werden“, heißt es im Petitionstext. Daran habe auch die Einführung der Teilnahmeurkunde für diejenigen, die am schlechtesten abschneiden, nichts geändert. Die Bundesjugendspiele in ihrer jetzigen Form demotivierten weniger sportliche Schüler und setzen sie unter sozialen Druck. Für viele bedeuteten sie eine alljährlich wiederkehrende öffentliche Demütigung.
Siegerurkunde für nichts
Ich war während meiner ganzen Schulzeit auf Regelschulen und natürlich gab es dort auch Bundesjugendspiele, an denen ich regelmäßig nicht teilnahm, also viel mehr nicht teilnehmen durfte. Es kam, glaube ich, niemand auf die Idee, mich mitmachen zu lassen und als Grundschülerin nimmt man das natürlich so hin.
Meine Klassenlehrerin in der Grundschule hat mir trotzdem eine Urkunde gebastelt. „Siegerurkunde für sportliches Verhalten“ stand da drauf. So wurde ich wenigstens bei der Urkundenübergabe nicht auch noch ausgeschlossen, auch wenn ich nicht ganz verstand, für was ich sie eigentlich bekam.
Empfehlungen zur Inklusion
Es scheint sich aber seit ein paar Jahren im Bereich Inklusion etwas zu verändern. Es gibt Empfehlungen zur Inklusion für die Bundesjugendspiele an Regelschulen. Lehrer werden aufgefordert, auch behinderte Schüler bei den Bundesjugendspielen mitmachen zu lassen. Es gibt sogar Umrechnungstabellen, anhand derer man die Leistungen behinderter Schüler werten kann. Ich glaube zwar nicht, dass man damit allen Schülern gerecht wird, aber es ist ein Anfang.
Trotzdem finde ich die Forderung berechtigt, die Bundesjugendspiele nicht mehr zu einer Pflichtveranstaltung zu machen. Schüler, die nicht gut vorlesen können, müssen schließlich auch nicht am Vorlesewettbewerb und Mathenieten auch nicht am Mathewettbewerb teilnehmen. Warum werden die Unsportlichsten noch in vielen Bundesländern zu einem Wettbewerb gezwungen? Und für manche behinderten Kinder wird es auch mit Umrechnungstabellen und anderen Bemühungen nicht möglich sein, an einem sportlichen Wettbewerb teilzunehmen. Wenn es eine freiwillige Veranstaltung wäre, an der sowieso nur die Sportbegeisterten teilnehmen, wären sie auch nicht mehr die Einzigen, die nicht mitmachen.