Ich war heute beim Friseur. Mein Rollstuhl wurde dort repariert. Ja, ernsthaft. Als ich vor der Tür aus dem Auto stieg, fiel der Kopf einer Schraube an meinem Rollstuhl einfach ab. Der Rest der Schraube steckte noch im Rollstuhl. Es ist eine Schraube, die mein Rückenteil des Rollstuhls festhält. Ohne die fährt es sich schlecht bis gar nicht.
Die modernen Rollstühle wiegen kaum noch etwas, es gibt kaum noch Teile daran, alles ist festverschweißt oder in einem Stück gegossen. Das macht sie leicht und wendig. Mein Rollstuhl hat vielleicht alles in allem nicht einmal zehn Schrauben und Nieten. Geht eine davon kaputt, meist durch Materialermüdung, dann strande ich auch schon mal irgendwo. So wie heute. Ich hatte aber Glück, der Mann meiner Friseurin war da und hat mir den Rest der Schraube rausgeholt und eine neue eingesetzt. Während ich die Haare geschnitten bekam, wurde also mein Rollstuhl repariert.
Mit gebrochenen Schrauben fängt es an
So etwas passiert mir nicht zum ersten Mal. Nach mehr als 30 Jahren als Rollstuhlfahrerin weiß ich, gebrochene Schrauben sind ein ernstes Anzeichen dafür, dass ein neuer Rollstuhl bald fällig ist. Stichwort: Materialermüdung. Meinen vorletzten Rollstuhl fuhr ich sieben Jahre lang bis ich am Ende einen doppelten Achsenbruch hatte, der notdürftig geschweißt werden musste. Ich hing irgendwie an ihm, deshalb wollte ich ihn nicht weggeben, stand aber am Ende fast ohne funktionstüchtigen Rollstuhl da.
Ja, ich gebe zu, ich behandele meinen Rollstuhl nicht sehr pfleglich. Ich springe Stufen hoch und runter (aber nie mehr als eine), er wird in Flugzeuge verladen und das sicher nicht immer mit Samthandschuhen, und ich bin ständig „auf Achse“ und nicht zu Hause, wo mir nur sehr selten eine Schraube bricht.
Gelbe Engel auch für Rollstühle
Mein Highlight bislang war eine gebrochene Schraube auf dem Bürgersteig vor dem Jüdischen Museum in Berlin. Ich konnte keinen Meter mehr fahren, einfach gar nicht mehr und habe in meiner Not dann irgendwann den ADAC angerufen und der nette ADAC-Mann hat mir tatsächlich die Schraube entfernt und eine neue eingesetzt. Das Hauptproblem ist dabei nicht, eine neue Schraube einzusetzen, sondern die Überreste der Alten wieder rauszukriegen. Wieder hinein drehen kann ich selber, aber ausbohren eher nicht so. Man hat ja nicht immer einen Bohrer oder eine Zange dabei. Einen Schraubenschlüssel habe ich unterdessen so gut wie immer dabei.
Ich saß schon an den komischsten Orten und habe zugesehen, wie ein netter Mensch mir den Rollstuhl reparierte. Auf Bürgersteigen, in Hotellobbys oder jetzt eben beim Friseur. Wichtigste Regel: Seufzen, cool bleiben und dann nach einer Lösung suchen. Es wird sich schon eine finden. War bislang immer so und die Rate handwerklich begabter und hilfsbereiter Menschen ist definitiv höher als man so denkt.
So lernt man auch schon mal den Hausmeisterdienst von Hotels, Bahnhöfen oder Restaurants kennen. Und ich kann eines sagen: Guter Service und Hilfsbereitschaft zeigt sich in solchen Situationen mehr als irgendwann anders und derjenige kann sich meiner Dankbarkeit auf ewig sicher sein.
Dies ist schon das zweite Schraubenproblem diese Woche. Erst gestern verweigerten die Schrauben meines Fußbretts ihren Dienst und dieses fiel einfach in der U-Bahn nach unten. Ich konnte sie gestern festziehen, aber sie sind definitiv ausgeleiert. Ich glaube die Tage dieses Rollstuhls sind echt gezählt, wenn ich nicht wieder einen Achsenbruch haben möchte.